Ein geschliffen kluges Buch über das Phänomen Marcel Reich-Ranicki
Seit jeher war ich bekennender Marcel-Reich-Ranicki-Fan. Ich liebte seine gnadenlose Rigorosität gegenüber langweiligen Büchern, sein unmissverständliches, nicht zu diskutierendes, manchmal selbstgefälliges, ...
Seit jeher war ich bekennender Marcel-Reich-Ranicki-Fan. Ich liebte seine gnadenlose Rigorosität gegenüber langweiligen Büchern, sein unmissverständliches, nicht zu diskutierendes, manchmal selbstgefälliges, immer aber pointiertes Äußern seiner Meinungen. Er brachte Bücher unter das Volk wie nach ihm nie wieder jemand. All das gefiel mir außerordentlich, insbesondere da ich, zur damaligen Zeit mit eigener kleiner Buchhandlung, durch ihn immens viel gelernt hatte im Umgang mit Büchern und im Umgang mit Lesern. Insofern war ich überaus gespannt auf das vorliegende Buch.
„Was ist Kritik? … eine Kreuzung von Journalistik und Wissenschaft.“ Dieser „Kreuzung“, für die Marcel Reich-Ranicki ein Paradebeispiel war, spürt Dr. Gunter Reus, Professor für Journalistik, in dem vorliegenden Buch sehr wohlwollend nach. Da der Autor nicht vom Elfenbeinturm der Kulturwissenden aus schreibt, sondern mit einem untrüglichen Wissen um guten Journalismus, porträtiert er das Phänomen MRR ganz unheilig, pragmatisch, dennoch spürbar mit einer gewissen Achtung, vielleicht sogar Verehrung. Das Buch versucht zu umreißen, was guten Kulturjournalismus ausmacht, jenseits aller dünkelhaften Blasiertheit. Und wie Marcel Reich-Ranicki genau diesen mitreißenden Kulturjournalismus voll und ganz verkörperte. Irgendwo in den Erinnerungen von MRR steht: „Ich wollte ihnen (den Lesern) erklären, warum die Bücher, die ich für gut und schön halte, gut und schön sind.“ Punktum. Hinter all seiner Wortgewalt blieb Marcel Reich-Ranicki jedoch ein ewig Heimatloser, Einsamer, oft Gekränkter. Auch diesen Seiten spürt der Autor sehr fein nach.
Die große Fülle an Zitaten macht die theoretischen Überlegungen lebendig, anschaulich und kurzweilig zu lesen.
Dr. Gunter Reus schreibt und beschreibt sehr eloquent, in wohltuend geschliffener Sprache, mit fundiertem Wissen. Jede Seite in diesem Buch ist ein Genuss zu lesen. Denn es geht nicht nur um MRR, es geht um viel mehr. MRR ist sozusagen die Überschrift zu brillanten Ausführungen nicht nur zur Literaturkritik im Allgemeinen und besonderen, sondern überhaupt zu Medien und Medienvertretern und zu deren zunehmendem Verlust an Profil und Glaubwürdigkeit. Und wie gut es wäre, wenn genau diese Medienvertreter sich das Phänomen MRR genauer anschauen würden.