Ein wirklich gelungener Debütroman, der eine ganz eigene Atmosphäre hat.
Die Welt, die Helene Bukowski hinauf beschwört, ist unserer - in Ansätzen - nicht unähnlich, zumindest ist sie wohl aus ihr hervorgegangen. Die "neue" dystopische Welt, in der die Hauptfiguren Skalde und ...
Die Welt, die Helene Bukowski hinauf beschwört, ist unserer - in Ansätzen - nicht unähnlich, zumindest ist sie wohl aus ihr hervorgegangen. Die "neue" dystopische Welt, in der die Hauptfiguren Skalde und Edith leben, ist unfreundlich, unnahbar, ruppig und wenig gastfreundlich - was auch auf die wenigen dort lebenden Menschen zutrifft. Die Gemeinschaft bleibt lieber unter sich, sie hat schon genug damit zu tun, sich gegenseitig zu beäugen. Wichtig ist das Überleben des Einzelnen und seiner Sippe, mögliche Bedrohungen sind unter allen Umständen zu vermeiden. Dies bekommt Skalde zu spüren, als sie ein junges Mädchen im Wald findet und bei sich aufnimmt - ein Mädchen, das eindeutig nicht aus der Gegend stammt, und entsprechend skeptisch, wenn nicht als Gefahr, betrachtet wird.
Die Stimmung in dem Buch ist grundlegend bedrückend, ich würde sie fast schon düster oder gespenstisch nennen (nur ohne Grusel oder Geister). Die Beziehung zwischen Edith (Mutter) und Skalde (Tochter) ist furchtbar kühl, Liebe, Wärme oder Empathie scheinen in der Gegend, zumindest bis das Mädchen auftaucht, absolute Mangelware zu sein. Diese besondere Stimmung, sie ist fast greifbar. Nebelwaden, später sengende Hitze, gähnende Langeweile, die tägliche Suche nach Nahrung, der Verzehr von eingelegten Früchten, Kondensmilch und selbst geschlachteten Kaninchen - das alles liest sich ein bisschen wie "Minimalismus gone wrong". Vieles wirkt antiquiert, fast schon steinzeitlich, doch immer wieder blitzen moderne Techniken auf (Autos, Fernseher), die die Lesenden in die Gegenwert zurück holen.
Mystisch ist ein weiterer Aspekt der Geschichte, ebenso wie Symbolik. Tiere tauchen immer wieder auf: Die bereits erwähnten Kaninchen, die als Rundumversorgung genutzt werden (Fleisch und Fell); Hunde, die vor allem zu Edith einen ganz besonderen Draht haben. Wasser spielt eine große Rolle - zum einen trennt es die uns bekannte Gemeinschaft vom Rest der Welt (die Abschottung wurde selbst gewählt), zum anderen verbringt vor allem Edith teils Tage in der Badewanne. Früchte kommen auch immer wieder vor - nicht nur als "süße" Belohnung, sondern auch gewissermaßen als Apfel des Sündenfalls. Und dann sind da natürlich noch, nicht zuletzt, die titelgebenden Milchzähne. Oh ja, hier gibt es viel zu "sehen".
Die Kapitel sind sehr kurz, meist nicht länger als wenige Seiten. Die Sprache ist klar und verständlich, ab und an werden eigene Gedanken von Skalde KOMPLETT IN GROßBUCHSTABEN ans Ende oder den Anfang des Kapitels gestellt - wirkt gelegentlich befremdlich. Auch diese Gedanken bieten wieder einiges an Spekulationsspielraum.
Allgemein muss ich sagen, dass mir das Buch zwar gefallen hat, an einigen Stellen aber noch Luft nach oben ist. Unter anderem fühlte ich mich während des Lesens komplett in der Welt verloren - leider löste sich dieser Zustand kurz nach dem Auslesen wieder auf. Ich hatte irgendwie gehofft, dass das Erlebnis noch länger "nachwirkt". Außerdem hätte ich gerne noch mehr von den Hintergründen des Landes und der Zukunft der Protagonistinnen erfahren. Auch wurde mir die Symbolik - kombiniert aus Skaldes Gedanken und dem eigentlichen Text - gegen Ende hin eine Spur zu viel.
Auf jeden Falle eine Leseempfehlung, allein schon, weil dieses Buch so anders ist. Ich werde die Autorin auf jeden Fall weiter verfolgen und bin gespannt, was da noch kommt. Ein Buch, das ich mir sehr gut als (gute!) moderne Schullektüre vorstellen könnte.