Back to the 80s mit einem gemütlichen Thriller
Der Einstieg in Finster ist einfach, was besonders durch die knackigen Kapitellängen gelingt. Dadurch wirkt das Tempo schneller und ich komme flott voran.
Des Weiteren führt Ivar Leon Menger mehrere interessante ...
Der Einstieg in Finster ist einfach, was besonders durch die knackigen Kapitellängen gelingt. Dadurch wirkt das Tempo schneller und ich komme flott voran.
Des Weiteren führt Ivar Leon Menger mehrere interessante Charaktere ein. Das bringt förmlich Leben in die Geschichte, gleichzeitig habe ich viel Stoff für Spekulationen. Irgendwie scheint jeder ein Geheimnis mit sich herumzutragen und ist damit potenziell verdächtig der Greifer zu sein. So nennen die Medien den Täter, der Jungs seit Jahrzehnten rund um Katzenbrunn entführt.
Das gewählte 80er Setting ist gut umgesetzt, wirkt aber manchmal ein bisschen wie Schleichwerbung für Zigarettenmarken. Generell pafft es an jeder Ecke, jeder mit seiner persönlichen Lieblingsmarke. Um es stilecht abzurunden, werden auch viele Naschereien aus der damaligen Zeit namentlich erwähnt. Das finde ich ganz witzig, weil ich automatisch beim Lesen immer nicke und denke „Ja, das kenne ich auch noch“.
Außerdem wird die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl am Rande mit seinen Auswirkungen eingeflochten. Aber auch der fiktive Ort Katzenbrunn mit seiner verschlossenen Dorfgemeinschaft im Odenwald ist perfekt getroffen.
Mich können der Schauplatz und die Reise zurück in die 80er-Jahre definitiv überzeugen. Die Ereignisse spielen hauptsächlich im Jahr 1986 und Ivar Leon Menger beleuchtet die Geschichte von unterschiedlichen Perspektiven. Bis auf die Ich-Perspektive von Oskar werden die restlichen Betrachtungsweisen durch den personalen Erzähler geführt.
So eine multiperspektivische Sicht kann zu Problemen führen, Ivar Leon Menger löst dies hingegen geschickt. Die Sorge bei der Vielzahl an aktiv mitwirkenden Charakteren die Übersicht zu verlieren, ist schnell beseitigt. Zum einen wird mit jedem neuen Kapitel namentlich bekannt gegeben, wer gerade mit seiner Sicht die Ereignisse bestimmt, zum anderen sind die Figuren so vielschichtig aufgebaut, dass ich sie sehr gut auseinanderhalten kann.
Der Erzählton ist flott und auf das Wesentlichste konzentriert. Emotionen werden sehr gut dargestellt und auch wenn ich nicht jede Entscheidung exakt so wie einige Charaktere treffen würde, so sind sie jedoch sehr plausibel ausgearbeitet.
Der Sommer 1986 und die scheinbare Dorfidylle sind gut eingefangen. Das wirkt alles sehr realistisch und durch die erzeugte Atmosphäre wird alles auch fühlbar.
Das Schicksal der verschwunden Jungen wird langsam aufgedröselt und bietet reichlich Raum selbst mitzuraten. Ich ertappe mich selbst dabei, wie ich kritisch nach äußerlichen Merkmalen von männlichen Figuren Ausschau halte, denn es ist schon früh klar, dass der Greifer zwei gut sichtbare Besonderheiten im Gesicht trägt.
Gleichzeitig schweben Fragen im Raum: Warum holt der Greifer sich die Kinder und was macht er mit ihnen? Alles wird zu seiner Zeit aufgeklärt, mit unglaublich gut gelegten Wendungen und Charakteren, die sich ständig verdächtig machen.
Finster ist kein reißerischer Thriller, sondern überzeugt durch ein Dorf voller Geheimnisse. Selbst die eigentlichen Taten bleiben recht blutleer, sodass auch empfindsame Lesende getrost zu dem Buch greifen können.
Finster besteht auch mehreren Nebenschauplätzen und nicht alles ist auf die leise Jagd nach dem Greifer ausgelegt. Es liegt auch ein bisschen Liebe in der Luft, was diesen Thriller ein gewisses Etwas verleiht. Denn der Kommissar a.D. Hans J. Stahl ist nicht nur ein rüstiger Rentner und pfiffiger Ermittler, sondern bekommt noch unerwartet Unterstützung von einem ebenfalls älteren Gemeindemitglied. Und zwischen diesen beiden entwickelt sich etwas ganz Wundervolles.
Finster bezirzt mich mit seiner Leichtigkeit und ehe ich mich versehe, kann ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Durch die Seiten fliege ich und bin ratzfatz durch mit dieser sehr sauber ausgeklügelten Geschichte. Ja, Finster hat es geschafft mich wieder für Ivar Leon Mengers Werke zu begeistern. Dieser Thriller mit seinem 80er Setting ist lohnenswert.
Fazit:
Finster ist ein gemütlich leichter Thriller, bei dem sich das Grauen auf ganz leisen Sohlen anschleicht. Die Reise zurück in die 80er-Jahre ist lohnenswert und der Thriller überzeugt durch reichliche Spannungsmomente.