Ich bin mir ehrlich gesagt nicht ganz so sicher, was ich von diesem neuen "Harry Potter"-Teil halten soll. Bei diesem 8. Teil handelt es sich ja um ein Theaterstück, weswegen er vollkommen anders geschrieben ist, als die anderen "Harry Potter"-Bücher, nur mit Dialogen und Szenenanweisungen. Das fand ich ja am Anfang ein wenig seltsam, hab's aber relativ schnell verstanden, denn das Buch ist einfach total anders als die anderen, das muss ich einfach mal sagen.
Es geht hier ja hauptsächlich um Albus Severus Potter, Harrys und Ginnys Sohn, wie er nach Hogwarts kommt und damit umgeht, dass sein Vater eine Legende ist, und der außerdem selbst ein paar Abenteuer erlebt. Doch dabei vergeht nicht nur ein Jahr in Hogwarts, wie man es gewohnt ist, nein, man begleitet Albus über mehrere Jahre hinweg, wobei die Haupthandlung in seinem vierten Schuljahr stattfindet. Ich kann also verstehen, wieso die Autorin sich hier für ein Bühnenstück entschieden hat, denn die Zeitsprünge in einem 'normalen' Roman? Das hätte irgendwie nicht gepasst...
Dadurch, dass man "nur" die Dialoge zu lesen hat, braucht man auch ganz und gar nicht lange, um dieses Buch fertig zu lesen. Auf einer Seite steht sooo wenig, es ist fast schon krass, wie wenig das ist.
So, jetzt aber mal zum eigentlichen, dem Inhalt und den Charakteren. Ich fand die Geschichte an sich ungemein interessant, ich habe sie regelrecht verschlungen. Zwar gab es für mich keine wirklichen Überraschungen, aber das war nicht weiter schlimm, es war trotzdem schön zu lesen. Albus, der nach Hogwarts kommt und es dort - ganz im Gegensatz zu Harry - fast schon schrecklich findet, erdrückt davon, der Sohn des Menschen zu sein, der die Zauberwelt gerettet hat, und selbst eher schlechtes Mittelmaß. Als "schwarzes Schaf" der Familie ist er dann auch noch in Slytherin und sein bester Freund ist Scorpius, der Sohn von Draco Malfoy. Das Verhältnis zwischen Vater und Sohn wird über die Jahre hinweg immer schlechter, Harry versteht Albus nicht wirklich, hat viel im Ministerium zu tun, in dem er arbeitet, und dann fängt auch seine Narbe wieder an zu schmerzen...Es ist schon ein bisschen ausgelutscht, Voldemort wieder in die Story mit einzubauen, das geb ich zu. Ich meine, er war sieben Bücher lang der Feind von Harry und seinen Freunden und jetzt, im 8. Teil, der 20 Jahre danach spielt, taucht er wieder auf! Ich weiß ja nicht, da hätte sich die Autorin auch mal eine andere Bedrohung aus den Fingern zaubern können...
Außerdem gibt es ein paar Logikfehler, die mich zwar nicht daran gehindert haben, das Buch zu verschlingen, mich aber im Nachhinein doch nachdenklich werden lassen. Der Gröbste ist der Zeitumkehrer, der in dem Buch eine sehr wichtige Rolle einnimmt. Richtig, in "Harry Potter und der Gefangene von Askaban" wird der Zeitumkehrer schonmal benutzt, aber der hier ist ein vollkommen anderes Kaliber. Mit ihm kann man nämlich auch um Jahre zurückreisen und er funktioniert auch noch total anders! Da dachte ich mir nach dem Lesen dann so "Hä? Der ging doch anders, was soll das denn?"
Dann der Schreibstil: Der kommt dadurch, dass das Buch nur aus Dialogen besteht, natürlich nicht so zur Geltung, trotzdem fand ich die sehr schön zu lesen, flüssig und interessant. Mir ist besonders aufgefallen, dass "Harry Potter und das verwunschene Kind" um einiges erwachsener wirkt als die anderen Bände. Die vorigen "Harry Potter"-Bücher hatten ja immer diese kindlichen Beschreibungen, selbst als Harry und Co. im letzten Schuljahr waren, hier merkt man davon nichts, aber wie schon gesagt, dass liegt wahrscheinlich daran, dass es kaum mehr Beschreibungen gibt.
Bei den Charakteren bin ich auch wieder total zwiegespalten. Harry, Ron und Hermine sind erwachsen geworden und haben sich ja unglaublich verändert, so kommt es mir auf jeden Fall vor. Ich weiß echt nicht, wie viel man davon auf ihr Alter und die damit einhergehende Verantwortung zurückführen kann, Harry und Hermine zum Beispiel sind total überarbeitet und haben Stress, weswegen sie in der ein oder anderen Situation auch mal eher unsympathsich rüberkommen. Bei Ron wirkt es so, als würde sich J. K. Rowling über ihn lustig machen, ich fand es an der ein oder anderen Stelle schon sehr übertrieben, wie dumm sie ihn darstellt. Von vielen, in den Vorgängern wichtigen, Charakteren hört und liest man gar nichts. Ein Beispiel: Bis auf Ron und Ginny taucht niemand der ursprünglichen Weasley-Familie auf, sie werden nicht mal erwähnt! Hallo? Wo sind die alle? Stattdessen bekommt man die neue Generation zu Gesicht, wobei James, Lily, Rose und Hugo sehr nebensächlich sind. Rose hat zwar ein paar mehr Auftritte als die anderen Drei, aber den meisten Platz bekommen Albus und Scorpius. Ich mag die beiden und ihre Freundschaft, aber ich hätte mir irgendwie erhofft, auch mehr von den anderen zu erfahren. Na ja, also Albus und Scorpius. Albus ist mir allein schon deswegen sympathisch, weil er nicht mit Harry auskommt, der noch nie zu meinen Lieblingscharakteren in "Harry Potter" gehörte. Er ist so ganz anders, hat totale Schwierigkeiten in Hogwarts und ist kein bisschen beliebt. Außerdem trifft er völlig falsche Entscheidungen, die zwar manchmal schon echt an arge Dummheit grenzen, aber okay, es ist noch auszuhalten. Scorpius finde ich richtig, richtig cool, er ist eindeutig meine Lieblingsfigur in "Harry Potter und das verwunschene Kind". Er hat mit ganz anderen Problemen zu kämpfen als sein bester Freund, ist ein kleiner Streber und dabei einfach liebenswert, manchmal hätte ich ihn einfach knuddeln können!
Insgesamt war ich zwar während und auch noch direkt nach dem Lesen begeistert von diesem Buch, aber später, nach ein bisschen Zeit zum Nachdenken, ist die Begeisterung etwas abgeflaut wegen der Logikfehler und der teilweise unpassenden Darstellung mancher Charaktere.