Wenn Jack the Ripper auf Sherlock Holmes trifft...
Ich habe bisher noch nicht viele Thriller gelesen, denn die wenigen, die ich kenne, haben mich einfach nicht gefesselt. Als ich dann aber von Abtrünniges Blut von Jakob Bedford hörte, musste ich dem Buch ...
Ich habe bisher noch nicht viele Thriller gelesen, denn die wenigen, die ich kenne, haben mich einfach nicht gefesselt. Als ich dann aber von Abtrünniges Blut von Jakob Bedford hörte, musste ich dem Buch eine Chance geben. Es wurde mit dem Slogan „Wenn Jack the Ripper auf Jane Austen trifft“ angepriesen und wer mich kennt, weiß, dass ich ein großer Austen-Fan bin und mir diesen Roman somit nicht entgehen lassen konnte. Ich gab dem Genre „Thriller“ also eine zweite Chance, begab mich in das 18. Jahrhundert – dreißig Jahre bevor Jane Austen überhaupt geboren wurde – und ließ mich überraschen…
Schon im ersten Kapitel erfährt man von einem Serienmörder, der in London sein Unwesen treibt. Vor allem Prostituierte und ihre Freier hat er auf dem Gewissen und lässt diese meist übel zugerichtet auf den Straßen zurück. Nun könnte man meinen, dass sich die Stadt deswegen in Aufruhr befindet, doch das stimmt nicht ganz. Natürlich sind die Bewohner Londons leicht beunruhigt, doch die Regierung sieht noch keinen Grund darin, sich der Sache anzunehmen, schließlich gibt es wichtigere Probleme: Der neue Friedensrichter Henry Fielding befürchtet, dass Anhänger der Jakobiter den König stürzen könnten, um wieder an die Macht zu kommen. Zu diesem Zweck beauftragt er John Shinfield, mögliche Verbündete der Jakobiter ausfindig zu machen und nähere Informationen zu sammeln. An dieser Stelle musste ich ein paar Geschichtsstunden aus der Schule nachholen, da mir die Jakobiter und Hannoveraner zwar nicht völlig fremd waren, ich den Zusammenhang ihrer Machtkämpfe allerdings nicht mehr auf dem Schirm hatte. Von 1603 bis 1714 regierte das Haus Stuart über England. Schon im Jahr 1688 wurde Jakob II., der zum Katholizismus konvertierte, gestürzt und in diesem Kampf gelang seinem Erben Charles die Flucht nach Frankreich. 1714 wurde die Stuart-Herrschaft dann vom Haus Hannover abgelöst, doch Jakobs Nachfahre baute sich in Frankreich eine Gefolgschaft auf und plante, die Herrschaft als rechtmäßiger Thronfolger wieder an sich zu reißen.
Während John sich also einen Weg durch die Häuser vermeintlicher Jakobiter bahnt, wird er schon bald selbst zur Zielscheibe. Er findet heraus, dass mehr als nur eine Person sein Leben auf dem Gewissen hat und als dann noch die Leiche eines wohlhabenden Mannes am Ufer der Themse auftaucht, wendet sich das Blatt komplett. Der Serienmörder scheint sich in die reichen Herrenhäuser Londons geschlichen zu haben und versetzt die Bewohner in Todesangst. Gemeinsam mit seinem Freund Paul de l’Estagnol lässt John allerdings nicht locker. Wer möchte ihn gern tot sehen und was hat all dies mit den Jakobitern zu tun?
In Abtrünniges Blut fand ich es besonders aufregend, dass sich einige Kapitel nur um den Serienmörder drehen – man verfolgt ihn bei seinen Handlungen, ist Zeuge einiger Gespräche, die er mit seinen Komplizen führt – doch man erfährt nie, um wen es sich handelt. Zwischen den Zeilen bekommt man als Leser hier und da kleine Informationen an den Kopf geworfen, mit denen man schon bald selbst versucht herauszufinden, wer der Mörder sein könnte. Immer wieder habe ich die unterschiedlichsten Charaktere verdächtigt, war mir sicher, den Täter entlarvt zu haben, und musste stets feststellen, dass ich mich auf der falschen Fährte befand.
Des Weiteren gefiel mir die Darstellung der einzelnen Charaktere ungemein. Von einem bunten Kanarienvogel, der vor Lebensfreude trotzt über einen gesellschaftlich zurückgezogenen Sohn des Earls bis hin zu verschrobenen und eingebildeten Engländern ist hier alles vertreten. „Wenn Jack the Ripper auf Jane Austen trifft“ oder vielleicht eher „Wenn Jack the Ripper auf Sherlock Holmes trifft“, denn nicht nur die Hauptpersonen müssen Spuren verfolgen und Geheimnisse aufdecken, auch als Leser rätselt man fieberhaft mit. Abtrünniges Blut hat mich schockiert, frustriert, gefesselt, an der Nase herumgeführt und letztendlich völlig aus der Bahn geworfen. Genau das erwarte ich von einem Thriller.