"Wie knisternde Hoffnung an Baumgrenzen empor"🌲🌳
Hintergründige, wortgewaltige und hintersinnige Lyrik - ein literarischer Hochgenuss!
Meine persönliche Ansicht ist, daß Lyrik nicht unmöglich, aber schwer zu rezensieren ist. Meistens, wenn auch nicht ...
Hintergründige, wortgewaltige und hintersinnige Lyrik - ein literarischer Hochgenuss!
Meine persönliche Ansicht ist, daß Lyrik nicht unmöglich, aber schwer zu rezensieren ist. Meistens, wenn auch nicht immer, zerfällt die Leserschaft in zwei Lager: denen, die sie mögen und/oder lieben bzw. vice versa.
Man kann und darf nicht rein rational an Lyrik herangehen, weil dies auf seelenlose Gedichtinterpretationen wie in der Schule hinauslaufen würde.
Ich habe das Buch ein paar Male gelesen, um es nachhaltig auf mich wirken zu lassen. Natürlich kann der Leser jemandes Poesie nicht zu hundert Prozent verstehen, weil Gedichte auch aus dem Lebenskontext des Autoren heraus entstehen und wenn man diesen nicht kennt...
Aber wir alle sind Menschen und haben Emotionen, also können wir Lyrikinteressierten Gedichte rational, auf der Gefühlsebene, intuitiv und universell begreifen. Jedes Gedicht besitzt mehrere Ebenen, zumindest die Gelungenen. Die Poeme in diesem Band sind mehr als gelungen.
Gedicht, wie das Wort schon andeutet, sind es verdichtete Worte, die auf wenig Raum starke Impulse und Impressionen vermitteln.
Ich werde mich hier nicht anmaßen, wie ein Germanist großartige Analysen von Jakob Leiners Lyrik zu entwerfen. Bestenfalls sagte er: Ja, stimmt! und schlechtestensfalls kippt er lachend vom Stuhl.
Jakob Leiner beherrscht die Sprache. Er jongliert scheinbar mit Worten, aber in Wirklichkeit hat er sie luftleicht zu wundersamen Gebilden einer unglaublichen Tiefe, manchmal mit einer doppelten Botschaft und immer hintersinnig.
Er ist Arzt und in manche Gedichte hat er mehr oder weniger verklausuliert seine Erfahrungen einfließen lassen. Er ist sehr talentiert und benutzt ausgezeichnete Metaphern.
Melancholie und Nachdenklichkeit sind der rote Faden und regen selbst zum Nachdenken an. Das ist kein Buch, das man so nebenher liest. Genau wie "Ariel" von Sylvia Plath, muß man sich dafür Zeit und Raum nehmen, um den vollen Impakt entfalten
zu lassen.
Trotz der Verdichtung läßt er seinen Worten Raum zum Atmen und es strahlt wie helles Licht viel Seele zwischen jenen Buchstabengebilden! Ein ausnehmend lohnenswerter Lyrikband!
Mein persönlicher Favorit:
WUNSCHDENKEN
Weltentzug,
den ich nicht leisten kann,
gärt im schwarzen
laubgespickten
See der Gewöhnung.
Seine Launen
kräuselt
Fremdeinwirkung
auf ansonsten unteilhaftes
trunkenes Gold.
Welche Wortwahl und Metaphern! Habe ich zuviel versprochen?