Erfrischend anders
Es war noch kein Jahr her, seit Nadja die Beziehung zu Peter Munk beendet hatte, nicht nur weil sie ihn mit einem Percussionisten betrug. Da glaubt er sie in einem Kaufhaus in Zürich zu sehen. Munk kann ...
Es war noch kein Jahr her, seit Nadja die Beziehung zu Peter Munk beendet hatte, nicht nur weil sie ihn mit einem Percussionisten betrug. Da glaubt er sie in einem Kaufhaus in Zürich zu sehen. Munk kann sich nicht entschließen, ob er ihr hinterherspionieren und sie anglotzen, ansprechen oder das Weite suchen soll. Sein Körper übernimmt und entscheidet sich für einen Zusammenbruch auf der Rolltreppe, die ihn in die dritte Etage fahren sollte. Herzinfarkt.
Im Krankenhaus legt man Munk einen Bypass. Die Mediziner können sich die Verengung seiner Herzkranzgefäße nicht erklären. Zwar ist er mit einundfünfzig im besten Alter, doch Munk hat kaum schlechte Angewohnheiten, sogar Zucker und Transfette meidet er. Er entwickelt eine ihm unbekannte Sensibilität für die vom Personal erbrachten Dienstleistungen, wie das Aufschütteln der Kissen. Seine fragile Lebendigkeit rührt ihn zu Tränen. Er weiß nicht, wen er anrufen kann, um von dem ihn ereilten Schicksalsschlag zu erzählen, denn Munk ist mutterseelenallein.
Die anschließende Reha in einem Fünf-Sterne-Resort mit Spa, Pool und angrenzender medizinischer Einrichtung will er nutzen, um bei langen Spaziergängen im Schwarzwald in sich hinein zu horchen. Sein Therapeut, vor dem er Angst hat, sich zu entblößen, rät ihm, sein bisheriges Leben zu analysieren, herauszufinden, welche Menschen ihn am meisten geprägt haben. Und so erstellt Munk eine Liste mit den dreizehn ihm am wichtigsten erscheinenden Frauennamen.
Fazit: Jan Weiler hat einen weißen, binären, privilegierten Protagonisten Anfang fünfzig erschaffen. Das kurze Innehalten seiner Lebenszeit bringt ihn ins Grübeln. Er erinnert die zumeist kurzen erfreulichen Momente seiner Beziehungen und seziert die Gründe für deren Scheitern. Gerne hat er sich ohne nachzudenken in die Liebelei gestürzt, sich von der Energie und Leichtigkeit der Frauen anstecken lassen. Um dann daran zu scheitern, dass er sich nicht wirklich auf den anderen Menschen einließ. Die Beziehung zu seinem Vater, den er wegen seiner Bigotterie leidenschaftlich hasst, ist schwierig und doch erkennt er sich in dem Verhalten des Patriarchs wieder. Zuerst mochte ich die Geschichte sehr, die bissige Ironie und die Kunst der Situationskomik hat Jan Weiler einfach drauf und erinnert an andere männliche Autoren der Gegenwartsliteratur. Als ich über die Hälfte des Buches gelesen hatte, bekam ich folgenden Ohrwurm:
Ich liebte ein Mädchen in Lichtenfelde. Die lebte zu lange von meinem Gelde. Ich liebte ein Mädchen in Tempelhof. Die war sehr lieb, doch bisschen doof. Von Ingo Insterburg
Obwohl ich die Beziehungen und sein Scheitern daran interessant fand, endete die Vielzahl für mich in einer Litanei. Die weiblichen Charaktere sind mir etwas blass geblieben, was sicher an der Vielzahl der Darstellerinnen lag. Selbst der Charakter des Munk blieb spärlich, weil ihm die Frauen irgendwie zustießen und er eher teilnahmslos in die Beziehungen hineinschlitterte.
Wenn ich jedoch meine Einwände außer Acht lasse, hat mich dieses Buch besser unterhalten als viele andere. Also lesenswert und erfrischend anders.