„Mein Vater, wie er ganz ruhig den Tag beginnt, nicht ausgeglichen, aber stabil. Nie schrie er am Beginn des Tages, er ging mit vorsichtigen Schritten, manchmal etwas Weiches in seinem Gesicht. Als hätte sich erst danach etwas verändert, als führten erst der Mittag und der Nachmittag in eine andere Richtung, und an jedem Morgen hätte es die Möglichkeit zu einem anderen Verlauf der Geschichte gegeben, die ich schreibe.“
Behutsam tastet sich Teresa an ihre Kindheit und Jugend heran, ihr Blick in die Vergangenheit ist vorsichtig geworden. Erste unsichere Versuche auf dem Fahrrad an der Seite des Vaters, lange Urlaubstage im Pool mit dem Bruder, Blumenkästen bepflanzen mit der Mutter in der heißen Sommersonne. Doch die unbeschwerten Momente werden immer wieder eingetrübt von Augenblicken der Zerrüttung, von Gefühlen der Hilflosigkeit und Angst. Da schwelt etwas Unausgesprochenes in dieser Familie – alle scheinen machtlos den Launen des Vaters ausgeliefert zu sein, Situationen beginnen gefährlich zu entgleisen. Ebenso unaufdringlich wie fesselnd erzählt Janina Hecht von schönen und schrecklichen Tagen, von Ausbruch und Befreiung und vom Versuch, sich im Erinnern dem eigenen Leben zu stellen. "In diesen Sommern" ist die bewegende Geschichte einer Familie auf der unentwegt gefährdeten Suche nach einem stillen Glück.
Ein literarisch feinfühliges Debüt
Für Leser:innen von Hans-Ulrich Reichels "Der Verlorene", Ulrich Woelks "Der Sommer meiner Mutter" und Monika Helfers "Vati"
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Dieses Buch kommt so unscheinbar daher und scheint eine lockerleichte Sommergeschichte zu erzählen. Doch letztendlich entpuppt es sich als eine düstere und bedrückende Erzählung über eine Kindheit mit ...
Dieses Buch kommt so unscheinbar daher und scheint eine lockerleichte Sommergeschichte zu erzählen. Doch letztendlich entpuppt es sich als eine düstere und bedrückende Erzählung über eine Kindheit mit einem alkoholsüchtigen Vater. Teresa schildert Erlebnisse aus ihrer Kindheit und Jugend und schnell merkt man, dass nicht alles schwarz weiß ist. Ihr Vater ist nicht nur gewalttätig, denn es gibt auch schöne Erinnerungen an ihn. Doch diese werden immer wieder von der drohenden Angst überschattet und beeinflussen das Familienleben. Teresas innerer Konflikt zwischen Liebe und Hass ist stets prägnant.
Dieses Büchlein hat mich tatsächlich positiv überrascht. Da ich kein großer Kurzgeschichten Fan bin und dieses Buch episodenhafte Schilderungen beinhaltet, war ich zunächst skeptisch, ob es mich berühren kann. Und ja es konnte. Trotz der sehr nüchternen Erzählweise, konnte mich Janina Hecht mit ihren Beschreibungen emotional erreichen. Insgesamt eine kurzweilige Familiengeschichte für einen lauen Sommerabend.
n "In diesen Sommern" erzählt Janina Hecht in Rückblicken die Geschichte von Teresas Kindheit.
In kurzen Kapiteln bekommen die Leserinnen bruchstückhafte Erinnerungen von Teresa präsentiert, die sich ...
n "In diesen Sommern" erzählt Janina Hecht in Rückblicken die Geschichte von Teresas Kindheit.
In kurzen Kapiteln bekommen die Leserinnen bruchstückhafte Erinnerungen von Teresa präsentiert, die sich an ihre Kindheit und ihr Aufwachsen herantastet. Überlagert werden ihre Erinnerungen von ihrem Vater, der alkoholsüchtig ist und dadurch große Stimmungsschwankungen durchlebt. Sie wächst zusammen mit ihrem kleinen Bruder, ihrer Mutter und ihrem Vater auf. Sie erlebt sowohl schöne als auch angsterfüllte Momente, die allesamt meist durch die Launen des Vaters beeinflusst werden. Die kurzen Episoden ermöglichen den Lesenden ihre Annäherung an ihre Vergangenheit. Einzelne Mosaikteile werden zusammengesetzt, um sich der Vergangenheit zu nähern. Mit der Zeit bekommen die Leserinnen ein immer besseres Bild der Familiesituationen. Einige Details werden genannt, andere wiederum müssen aus den Zeilen gelesen werden. Die gewählte Erzählweise vermittelt unfassbar gut, wie schwer es für Teresa ist, ihren Vater und ihre Vergangenheit zu greifen und wie durchmischt ihre Gefühle sind.
Nichtsdestotrotz fehlt es mir an einigen Stellen an kritischer Reflexion. Wieso hat ihre Mutter nicht früher gehandelt? Haben sie versucht ihren Vater zu helfen, auch wenn es schwierig ist? Wie sind ihre Gefühl zu einzelnen Familienmitglieder*innen? Wut? Verbundenheit? Das hat mir gefehlt und hat schlussendlich dafür gesorgt, dass ich nur selten mitgefühlt habe, da viele Erinnerungen nur auf eben dieser Ebene bleiben und wenn, nur an kurzen Stellen in eine tiefere reflexive Ebene gehen.
Abgesehen von diesem Kritikpunkt, der mir jedoch tatsächlich immer wieder negativ aufgefallen ist, habe ich das Buch gerne gelesen und kann es jedem empfehlen, der ein kurzweiliges, innovatives Buch über das Erinnern an die schöne und schwere Kindheit mit einem alkoholsüchtigen Vater lesen möchte.
Episodenhaft und assoziativ verknüpft mit Gedankenstützen wie Wasser, Holz, Besuch oder Pfade versucht sich Ich-Erzählerin Teresa ein zusammenhängendes Erinnerungsbild ihres Vaters, aber auch ihres Lebens ...
Episodenhaft und assoziativ verknüpft mit Gedankenstützen wie Wasser, Holz, Besuch oder Pfade versucht sich Ich-Erzählerin Teresa ein zusammenhängendes Erinnerungsbild ihres Vaters, aber auch ihres Lebens zu rekonstruieren. Auf der einen Seite in fragilen und selteneren Momenten fürsorglicher Familienvater, auf der anderen alkoholkrank und gewalttätig. Auf Zehenspitzen müssen Teresa, ihr Bruder Manuel und die Mutter den Launen und Zornesausbrüchen ausweichen und wenn dies nicht möglich ist, geraten sie mit Schlägen und verbalen Angriffen frontal in die Schusslinie.
Zart, feinfühlig und melancholisch dringt die Autorin Janina Hecht tief in Teresas Erinnerungen, Ängste und Selbstzweifel – neben schönen Erlebnissen in den Familienurlauben am Meer oder auf dem Bauernhof, folgt die Tyrannei des Vaters. Eindringlich und tief empathisch beleuchtet Hecht neben der zerrütteten Familie die tiefe innere Zerrissenheit der Protagonistin: an welches Bild des Vaters sie glauben darf, wenn doch immer wieder alles zerstört wird.
„Manchmal würde ich gerne einer Vision meines Vaters vertrauen. Eine Antwort haben auf die Frage, wer er war. Ich lege die Ereignisse wie Schichten aus Transparentpapier übereinander und versuche zu erkennen, was durchscheint.“ S. 12
Teils poetisch und immer präzise die Außenwelt beobachtend, folgt der Leser den Stationen von Teresa: Kindheit, Schule und später die Jugend und Pubertät, das schwierige Abnabeln, erste Freunde und das Studium. Wie in einem Kaleidoskop blickt sie auf die wichtigsten Stationen ihres Lebens und der Befreiung der Familie, alles überlagert von einer tiefen Verunsicherung, die der Vater hinterlassen hat – bis über seinen Tod hinaus. Dabei drängt sich die in schöner Prosa erzählte Geschichte nie auf. Sie entfaltet sich ganz subtil und behutsam zwischen den Zeilen – die Assoziationen in den Kapitelüberschriften fließen klug komponiert in die Erinnerungen und Episoden mitein. So wie Teresa immer gelernt hat, ihren Vater und seine Stimmungsschwankungen zu beobachten, so detailreich und außergewöhnlich verknüpft nimmt sie auch ihre gesamte Umwelt wahr.
Ein bemerkenswertes und starkes Debüt über die Möglichkeiten des Erinnerns und das Nebulöse und Furchthafte daran – und eine Geschichte über den Mut des Reflektierens, Neusortierens und vom Aufbruch.
„Ich bewahre verschiedene Erzählungen nebeneinander und wähle eine passende aus. Immer begleitet von zwei Kräften, der Furcht davor, ihn zu vergessen, und der Notwendigkeit, nicht zu viel an ihn zu denken.“ S. 167
Das harmonische, sommerliche Foto auf dem Cover, eine kleine Straße am Waldrand mit einem einsamen Fahrrad, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieses Buch kein locker, flockiges Sommerthema behandelt. ...
Das harmonische, sommerliche Foto auf dem Cover, eine kleine Straße am Waldrand mit einem einsamen Fahrrad, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieses Buch kein locker, flockiges Sommerthema behandelt. Janina Hecht erzählt in ihrem Debütroman über das Aufwachsen in einer Familie mit einem alkoholkranken Vater. Sie beschreibt sehr gut diese stetig wachsame Atmosphäre zu Hause, dieses Ausloten, ob der Vater gerade seine guten Momente hat, oder ob der Tag wieder eskalieren würde. Die extrem kurzen Kapitel sind Schnipsel aus Teresa‘s Erinnerungen, die nicht immer zusammenhängen aber doch ein gutes Gesamtbild der Familie abgeben. Viele Jahre ertragen Teresa, ihre Mutter und ihr kleiner Bruder Manuel die Launen und Gewaltausbrüche ihres Vaters, bevor sie sich aus diesem für alle so belastendem Leben befreien können.
Trotz des schweren Thema‘s liest sich das Buch gut und flüssig. Der Erzählton ist ruhig und sachlich und es hat mir gefallen, dass auch viele schöne Momente der Kindheit erzählt werden und die Alkoholsucht des Vaters als das dargestellt ist, was sie ist, eine Krankheit.
„In diesen Sommern“ ist ein Familienroman, der durch die Augen der Tochter erzählt wird. Ungewöhnlich ist dabei vor allem der Erzählstil. In kurzen Abschnitten werden hier Erinnerungsstücke aneinandergereiht. ...
„In diesen Sommern“ ist ein Familienroman, der durch die Augen der Tochter erzählt wird. Ungewöhnlich ist dabei vor allem der Erzählstil. In kurzen Abschnitten werden hier Erinnerungsstücke aneinandergereiht. Wie durch die neutrale Linse eines Fotografen währt jeder Augenblick nicht viel länger als die Zeitspanne in der man ein paar Fotos mit dem Blitzlicht beleuchtet. Alltagsszenen, Szenen einer vierköpfigen Familie, eines Vaters der erst durch Dominanz auffällt, bald aber auch durch seine Alkoholsucht, die die Kinder erschreckt und der die Frau sich ausgesetzt sieht. Das Gesamtbild entsteht durch die vielen kleinen Einblicke. Die Gefühle der Darsteller erschließen sich dem Leser durch ihre Handlungen. Da die Sicht immer von Teresa ausgeht, erfährt man wenig über die Gründe für die Alkoholexzesse und einiges bleibt vage. Es ist die Sicht des Kindes auf die Eltern und die Familie, die kein vollständiges Bild ergeben kann. Dennoch spürt man deutlich die Abgründe, die Sehnsüchte und Ängste der Personen. Das zerbrechen der Familie aber auch den Zusammenhalt der Mutter und der Kinder. Der Vater wird nicht als Monster geschildert. Teresa hat schöne und warme Erinnerungen, die sie ebenso beschreibt wie die dramatischen, traurigen, düsteren.
Ein Buch, welches einen denkenden Leser braucht, einen, der gerne nachspürt und eigene Rückschlüsse zieht, einen der sich einfangen lässt von einem kühlen und reduzierten Schreibstil, der Geschehnisse auf den Punkt bringt und die Anatomie einer Familie sehr kleinteilig und nahbar erzählt. Lesenswert.
Und ja, die Sommergefühle, die Cover und Titel versprechen, kann man durchaus in einigen Szenen spüren.