Von Müttern und Töchtern
Erzählt wird hier die Familiengeschichte dreier Frauen, in der Gegenwart und mittels Rückblenden auch in der Vergangenheit. Mary, die Großmutter leidet an Alzheimer und kehrt nach dem Tod ihres Lebensgefährten ...
Erzählt wird hier die Familiengeschichte dreier Frauen, in der Gegenwart und mittels Rückblenden auch in der Vergangenheit. Mary, die Großmutter leidet an Alzheimer und kehrt nach dem Tod ihres Lebensgefährten in den Schoß der Familie zurück. Dort erwartet sie die ablehnende Haltung ihrer Tochter Caroline und die eher aufgeschlossen, interessierte Enkeltochter Kathie. Während Caroline mit ihrer Mutter abgeschlossen hat, weil diese nie wirklich eine Mutterrolle für sie eingenommen hat, beginnt Kathie mit einem Tagebuch, welches der alten Frau ihre immer schneller schwindenden Erinnerungen zurückbringen und erhalten soll. Doch mit der Zeit müssen sich alle drei darüber klarwerden, wer sie sind, wer sie sein wollen und wer sie waren.
Auf diesen Roman und seine Geschichte habe ich mich sehr gefreut und ihn sofort nach Erscheinen auf meine Wunschliste gesetzt, weil mir sowohl die Thematik Alzheimer als auch dramatische Familiengeschichten immer große Freude bereiten und absolut in mein Beuteschema fallen. Doch so ganz hat er meine Vorstellungen nicht erfüllt, er war einfach anders als erwartet.
Meine Kritikpunkte beziehen sich zum einen auf die entworfene Nebenhandlung, die sich mit Kathies sexueller Orientierung auseinandersetzt und die 17-Jährige als ein sehr unerfahrenes, unentschlossenes Mädchen darstellt, die ihre Position im Leben und in der Liebe erst noch herausfinden muss und zum anderen auf die Vernachlässigung der Erkrankung Alzheimer, die hier nur oberflächlich als Aufhänger der Geschichte dient. Diese beiden Aspekte haben dazu geführt, dass ich für das Buch doch eine Weile gebraucht habe, weil sie den Lesefluss unterbrochen haben.
Die Pluspunkte des Romans überwiegen dennoch. Ein leichter, erzählerischer Schreibstil mit gut gewählten Schauplätzen und abwechslungsreichen Szenen bereitet generell Lesefreude. Auch die zentrale Aussage des Buches gefällt mir sehr, denn es geht in erster Linie darum, wie man es als Mutter schafft, den Balanceakt zwischen der persönlichen Freiheit und einem zuverlässigen Zuhause für die Kinder herzustellen. Welche Abstriche muss man machen? Wo sollte man sich vielleicht zurücknehmen? Und wer sagt eigentlich, was eine gute Mutter ausmacht?
Diesbezüglich erörtert der Roman sehr intensiv, gibt Denkanstöße und erhebt niemals den Zeigefinger, denn der Grundtenor geht in die Richtung: Jeder macht Fehler, niemand ist perfekt und doch kann man trotz persönlicher Schwächen ein liebenswerter Mensch sein, der um seiner selbst willen angenommen und geliebt werden sollte. Jenny Downham widmet sich ausführlich dem Verzeihen, dem Mut über den eigenen Schatten zu springen und der bestehenden Möglichkeit, auch spät im Leben eine Kehrtwende einzuschlagen.
Fazit: Ein lesenswertes Buch, welches ich dem Genre Jugendbuch viel lieber zuordnen würde, weil es die Belange und Gedanken einer Jugendlichen fokussiert und eher für junge Leser zugeschnitten ist. Eine Erzählung, die sich am Leben selbst orientiert und eigene Interpretationen zulässt. Ich vergebe eine Leseempfehlung für alle, die Familiengeschichten mögen und ein Buch für Zwischendurch suchen, denn an Nachklang fehlt es der Erzählung etwas.