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Ein bewegender Roman über Anderssein, Familie und Gerechtigkeit
Jodi Picoult ist bekannt für ihre tiefgründigen Romane, die ethisch und emotional herausfordernde Themen in den Mittelpunkt stellen. Mit ...
Ein bewegender Roman über Anderssein, Familie und Gerechtigkeit
Jodi Picoult ist bekannt für ihre tiefgründigen Romane, die ethisch und emotional herausfordernde Themen in den Mittelpunkt stellen. Mit "In den Augen der anderen" gelingt ihr ein weiterer großer Wurf: Ein Roman, der nicht nur unter die Haut geht, sondern auch zum Nachdenken anregt.
Im Zentrum der Geschichte steht Jacob Hunt, ein junger Mann mit Asperger-Syndrom. Er liebt Struktur, sagt immer die Wahrheit – und hat eine obsessive Leidenschaft für Kriminalfälle. Als er selbst des Mordes verdächtigt wird, gerät nicht nur sein eigenes Leben aus den Fugen, sondern auch das seiner Familie.
Eine beeindruckende Darstellung des Asperger-Syndroms
Was diesen Roman besonders auszeichnet, ist die authentische und respektvolle Darstellung des Asperger-Syndroms. Picoult hat offensichtlich intensiv recherchiert und schafft es, Jacobs Perspektive nachvollziehbar zu machen. Als Leser taucht man tief in seine Gedankenwelt ein – voller Logik, aber auch Unsicherheit im sozialen Miteinander. Es ist faszinierend und zugleich berührend, wie konsequent Picoult sich auf Jacobs Sichtweise einlässt, ohne ihn zu romantisieren oder zu stereotypisieren.
Durch Jacob lernt man nicht nur über das Syndrom, sondern auch, wie belastend der Alltag für Menschen mit Asperger – und ihre Angehörigen – sein kann. Besonders seine Mutter Emma ist eine bemerkenswerte Figur: Ihre bedingungslose Liebe, aber auch ihre Erschöpfung und Zweifel werden eindrucksvoll beschrieben.
Ein spannender und emotionaler Plot
Neben der psychologischen Tiefe bietet der Roman auch eine spannende Krimihandlung. Die Frage nach Schuld und Unschuld bleibt lange offen und wird durch die Besonderheit von Jacobs Verhalten zusätzlich erschwert. Seine Schwierigkeiten, Gefühle anderer zu lesen oder sich angemessen auszudrücken, führen zu Missverständnissen, die ihn in ernsthafte Schwierigkeiten bringen. Dabei wirft Picoult ganz nebenbei auch Fragen nach Gerechtigkeit, gesellschaftlicher Akzeptanz und dem Umgang mit Menschen außerhalb der "Norm" auf.
Stilistisch abwechslungsreich
Der Roman wechselt zwischen verschiedenen Erzählperspektiven – unter anderem Jacob, seine Mutter und der Anwalt –, was zusätzliche Tiefe schafft und unterschiedliche Sichtweisen auf die Geschehnisse ermöglicht. Picoults Stil ist flüssig, emotional, aber nie kitschig. Ihre Sprache schafft Nähe zu den Figuren, lässt Raum für Zwischentöne und bleibt auch in dramatischen Momenten glaubwürdig.
Fazit
"In den Augen der anderen" ist ein kluger, einfühlsamer und hochspannender Roman. Besonders gelungen ist die Darstellung des Asperger-Syndroms, die nicht belehrend wirkt, aber den Horizont erweitert. Wer sich für zwischenmenschliche Dynamiken, psychologische Tiefe und moralisch komplexe Geschichten interessiert, wird dieses Buch kaum aus der Hand legen wollen. Es berührt, klärt auf – und bleibt lange im Gedächtnis.
Bewertung: 5 von 5 Sternen