Der Lektüre von „Der Manndecker“ war ich von Anfang an nicht allzu euphorisch entgegengetreten; eine erste Leseprobe vom Romananfang hatte mich kaum für sich einnehmen können, aber da mein Bruder (wie diverse weitere Anverwandte) ein großer BVB-Fan ist, hatte ich darauf spekuliert, hiermit einen Buchtipp für ihn (und eben diverse Angehörige mehr) aufgetan zu haben. Selbst war ich dann allerdings wegen des scheinbaren westfälischen Lokalkolorits auch auf das Buch gespannt, da Westfalen für mich ein großes Stück Heimat bedeutet. Letztlich werde ich allerdings definitiv davon absehen, dieses Buch weiterzuempfehlen geschweige denn mein Exemplar an meinen Bruder weiterzureichen, der ohnehin nicht die größte Leseratte ist und dem dieses Buch vermutlich eher nochmals veranschaulichen würde, wieso er eher selten liest.
Ich könnte nun nichtmals sagen, was hier Dreh- und Angelpunkt der Geschichte sein soll. Klar, der Achim, eine reichlich verkrachte Existenz: mit Ende 40 kann seine Schauspielkarriere getrost als gescheitert betrachtet werden, seine Ehe besteht auch nur noch pro forma, zu seinem Sohn aus einer vorherigen Partnerschaft hat Achims Frau eine engere Bindung als er (was allerdings wenig überraschend ist, da er als Vater ebenso wie als Ehemann vornehmlich durch Abwesenheit glänzt) und Achim tingelt mit seiner Einmannshow als „Der Manndecker“ über das Land und tritt dort in jeder noch so kleinen Dorfkneipe auf, verdient im Grunde genommen nix, denn das, was er verdient, versäuft er zumeist direkt vor Ort gleich wieder. Seine Show, in der er einen alternden Ex-Fußballer mimt, ist an Trostlosigkeit kaum zu überbieten; viele Szenen aus seinem Programm werden hier im Buch geschildert und für mich hatte das gemeinhin nur einen „Ist das Kunst oder kann das weg?“-Anstrich; für mich bleibt es auch unerklärlich, wieso man für eine derartige Darbietung Eintritt bezahlen wollen sollte: Mir scheint es da weitaus unterhaltsamer zu sein, sich an einem Donnerstagabend mal neben einen typischen Stammtisch in der kleinen (Dorf)Kneipe nebenan zu setzen und die dortige Gesprächsrunde still zu verfolgen. In diesem Sinne: gut, dass im Klappentext bereits erwähnt wurde, dass Achim später für ein BVB-Fest engagiert werden sollte, denn ohne diesen Hinweis würde ich den Roman wahrscheinlich nicht zu Ende gelesen haben, aber so war für mich die spannendste Frage die, wieso zum Geier irgendein Verantwortlicher beim BVB diesem belanglosen „Manndecker“-Geblabbel genug Showpotential für das vereinsinterne Saisonabschlussfest zugestehen würde: Verlöre so jemand in der hinterletzten Kaschemme eine Runde Skat gegen Achim und der gewänne so einen Auftritt; gäbe es beim BVB eventuell eine Art Wettstreit, wer den miesesten Künstler anschleppen kann…? Den „Manndecker“ würde doch wohl niemand als echten Hit für das Fest sehen?! (Mein Bruder hat mich übrigens vor vielen, vielen Jahren einmal zur Saisoneröffnung beim BVB mitgeschleppt, die mit einem großen öffentlichen Fest gefeiert wurde – und wenn ich überlege, was damals dort für ein Programm für Jedermann aufgefahren wurde: Da müsste man den Verein schon echt hassen, wenn man für ein internes Betriebsfest dann wen wie den „Manndecker“ zur Unterhaltung buchen würde.)
Warum seine Frau, die Achim ohnehin auch ständig betrogen hat, noch mit ihm zusammen war und ihn nicht längst vor die Tür gesetzt hatte bzw. sich selbst abgesetzt hatte, blieb mir ebenso unerklärlich, wieso dann auch noch ganz vorsichtig eine Zufallsbekanntschaft näher mit ihm (und umgekehrt) anbändeln sollte, wobei es sich bei jener Dame um eine absolut gestandene, selbstbewusste und sehr resolute Frau handelte, von der ich eher erwartet hätte, dass sie Achim als armseligen Wicht betrachten würde, den man vielleicht mal für einen Helferjob anstellen könnte, wohlweislich bereits damit rechnend, dass er nach spätestens zwei Monaten eh hinschmeißt und auf Nimmerwiedersehen verschwindet.
Ich habe eigentlich damit gerechnet, dass der Roman letztlich abrupt damit enden würde, dass Achim irgendwo totgesoffen in einer Ecke liegt – und ein richtig tragisches Ende hätte ich auch weitaus glaubwürdiger gefunden, als den Schluss, der letztlich geboten wurde, wobei ich den allerdings auch als lediglich halbgar empfunden habe.
Für mich persönlich fand ich es halt allerdings ganz nett, dass diverse Käffer aus meiner Heimatgegend Erwähnung fanden, wobei ich den Lokalkolorit ansonsten aber eher schwach eingefärbt fand: Ohne diese „ha, den Ort kenn ich; und in dem bin ich auch schon gewesen; ha, da bin ich mal zur Schule gegangen…!“-Ortsnamen hätte ich vermutlich kaum mal das Gefühl gehabt, diese Geschichte müsse in Westfalen spielen. Irgendwie verströmte die Handlung mehr die Aura von Spielorten irgendwo in den hinterletzten Wäldern, in denen die Zeit vor 30 Jahren stehengeblieben zu sein scheint; das hätte nichtmals in Deutschland sein müssen. Wenn man neben den Ortsnamen diese BVB-Referenz außen vor lässt, hätte ich auch glauben können, „Der Manndecker“ spiele irgendwo in der abgelegensten Ecke der Karpaten. Damit kann der lokale Faktor des Romans allerdings auch weithin außer acht gelassen werden; der Fußballfaktor ist nun auch nicht so enorm; ich hatte da generell mehr Euphorie und Leidenschaft erwartet, weswegen ich den „Manndecker“ nun definitiv auch nicht als must read für Fußballfans ansehen würde. In meinen Augen war das insgesamt in erster Linie Larifarilangeweile und ohne mir wohlvertraute Ortsnamen könnte ich hier eigentlich nichts wirklich auf der Plusseite verbuchen. Außer vielleicht, dass sich das Ganze nicht ganz zäh lesen lies, obschon sich eigentlich ständig alles nur wiederholte.
[Ein Rezensionsexemplar war mir, via Vorablesen, unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden.]