Jeder mit Kindern zu Hause weiß, was "trödeln" heißt. Wir Erwachsene haben oft einen Zeitplan im Kopf, den wir unbedingt einhalten wollen. Kinder wissen davon nichts. Und vor allem interessiert sie es meistens nicht, weil gerade kleine Kinder noch gar kein Konzept von 'Zeit' haben. Sie meinen es nicht böse, sondern achten einfach viel mehr auf sich.
Mich stresst sowas. Ich bin jemand, die gerne pünktlich ist - am liebsten vor der vereinbarten Zeit. Doch seitdem ich Mama bin, gibt es (mindestens) 2 Menschen, die fertig sein müssen, wenn wir das Haus verlassen.
Anfangs habe ich mich davon runter ziehen lassen. Ich war nervös, entkräftet, manchmal auch schlecht gelaunt. Obwohl ich immer früh genug anfing, alles fertig zu machen, musste ich am Ende feststellen, dass wir die Wohnung erneut unter Stress verließen.
Irgendwann habe ich bei mir selbst den Stopp-Knopf gedrückt.
Ich bin in mich gegangen und habe mich ganz bewusst gefragt, was passiert, wenn wir nicht pünktlich sind. Ich habe geschaut, ob wir, wenn wir 5 oder 10 Minuten später raus gehen, wirklich verspätet ankommen. Und vor allem habe ich geschaut, wie es die Beziehung zwischen mir und meiner Tochter verändert, wenn ich sie nicht permanent herumkommandiere, bevor wir los wollen.
Unser Aufbruch ist nun viel entspannter. Wir sind beide gut gelaunt und keine weint. Wir kommen trotzdem noch immer pünktlich, denn mein Zeitpuffer ist großzügig bemessen. Und falls es mal 10 Minuten später werden sollte, sage ich eben kurz Bescheid und keiner ist sauer.
So ähnlich hatte ich mir auch "Trudi Trödelliese hat’s nie eilig" vorgestellt. Eben dass wir Erwachsene einen Spiegel vorgehalten bekommen und Kinder in ihrem Trödeln sowohl bestärkt werden, als auch dass aufgezeigt wird, wann man trotzdem vielleicht mal pünktlich aus dem Haus gehen muss. (Arzttermine oder Kinobesuche oder dergleichen) Eine Geschichte, aus der beide Parteien lernen können.
Doch das vorliegende Werk ist ein bisschen anders.
Alle Tiere des Waldes flitzen an Trudi vorbei, weil sie es eilig haben, ein Fest zu organisieren. Als die Schildkröte fragt, was es zu feiern gibt, kann dies niemand beantworten. Am Ende vergessen alle die Hektik und erfreuen sich an den wunderschönen Sachen drumherum und an der Gemeinschaft.
Ich finde, die Erzählung ist ein bisschen an der Zielgruppe vorbei geschrieben. Meine 5-Jährige kann sich damit kaum identifizieren. Ja, sie ist langsamer als ich, doch sie hat immer etwas zu tun. Ob das jetzt wichtig ist oder nicht, liegt nicht in meinem Ermessen. Für sie scheint es wichtig zu sein (noch schnell ein Bild zu malen oder sich die Haare zu machen), sonst würde sie es nicht tun.
Es liegt in meiner Verantwortung als Erwachsene, dass wir trotzdem pünktlich zu einem Arzttermin kommen. Oder ich lerne eben, mich auch mal zu entspannen, wenn es die Zeit zulässt.
Die Botschaft - dass wir manchmal nicht wissen, warum wir uns eigentlich so stressen -, verstehen die Kinder nicht. Sie ist eindeutig an Erwachsene gerichtet. Kinder stressen sich nicht.
Auch die Message, dass nicht alles perfekt sein muss, um toll zu sein, ist in unserer Familie ein längst gelebter Glaubenssatz. Wir sind zwar beide perfektionistisch, doch erinnern uns oft gegenseitig daran, dass der Weg zum Ergebnis (beim Basteln zum Beispiel) uns Freude bereitet hat. Daher genießen wir die Leistung am Ende umso mehr.
Die Illustrationen von Marlit Kraus sind wunderschön anzusehen und laden dazu ein, eine eigene kleine Geschichte zu erzählen. Doch so, wie sie niedergeschrieben steht, mag sie meine Tochter nach dem ersten Hören nicht mehr vorgelesen bekommen.
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