Ein charmantes, humorvolles Krimiabenteuer
Nachdem ich mit "Vergissmeinnicht" von Kerstin Gier zuletzt so viel Spaß hatte, habe ich beschlossen, wieder mehr von der Autorin zu lesen und endlich "Wolkenschloss" von meinem SuB zu erlösen. 460 Seiten ...
Nachdem ich mit "Vergissmeinnicht" von Kerstin Gier zuletzt so viel Spaß hatte, habe ich beschlossen, wieder mehr von der Autorin zu lesen und endlich "Wolkenschloss" von meinem SuB zu erlösen. 460 Seiten später kann ich bestätigen: auch bei "Wolkenschloss" handelt es sich um ein abwechslungsreiches, humorvolles YA-Abenteuer, mit dem ich trotz kleiner Kritikpunkte wahnsinnig viel Spaß hatte!
Schon die Gestaltung des Buches ist wahnsinnig toll. Ich habe leider nur das E-Book, aber das lavendelfarbene Cover, auf dem in großartigem Detailreichtum die Fassade des Wolkenschlosses inklusive der vorkommenden Gäste, Angestellten, der Alpendohlen und ganz in der Mitte natürlich auch Fanny und der verbotenen Katze zu sehen ist, ist auch in digitaler Form eine Augenweide! Auch die kleinen Dohlen an jedem Kapitelanfang und das ausführliche Glossar und Personenregister am Ende sind ein Plus der Gestaltung.
Erster Satz: “Mein erster Tag als Kindermädchen drohte, ein totaler Reinfall zu werden”.
Wir steigen mit einem Prolog in die Geschichte ein, in dem unsere Protagonistin Fanny in der Silvesternacht blutend, mit einem gestohlenen Diamanten und einem schlafenden Kleinkind im Arm durch den Schnee flüchtet. Wie es im abgelegenen Luxushotel in den verschlafenen Schweizer Alpen soweit kommen konnte, dass die Jahrespraktikantin in nicht nur einen, sondern gleich zwei gefährliche Kriminalfälle verwickelt wurde, wird in den darauffolgenden Kapiteln auf amüsante Art und Weise aufgedröselt. Dafür begleiten wir Fanny, die aus der Ich-Perspektive von ihrer Arbeit im Hotel erzählt, durch ihren Alltag und lernen alle Angestellten, Gäste und natürlich die Geheimnisse des Hauses kennen. Gerade zu Beginn braucht die Geschichte ein wenig, um in Gang zu kommen und zu hundert Prozent unvorhersehbar sind die Krimi-Elemente der Handlung auch nicht. Trotz des eher langsamen Erzähltempos und der mittelmäßigen Handlungsdichte wir der Spannungsbogen hier von Anfang bis Ende aufrechterhalten und ich bin geradezu durch die Seiten dieser winterlichen Wohlfühlgeschichte geflogen.
Einer der Hauptgründe, weshalb nichts, was die Autorin jemals schreiben könnte, langweilig sein könnte, ist ihr Schreibstil. Kerstin Gier schreibt einfach unverwechselbar lockerleicht, jugendlich und humorvoll, dass man auf jeder Seite großen Spaß hat. Egal ob kreative Wortneuschöpfungen, kuriose Eigenheiten der Figuren oder das charmante, aber unverständliche Schweizerdeutsch des alten Hausmeisters Stucky- ich habe beim Lesen durchgängig vor mich hin geschmunzelt und teilweise schallend gelacht. Klar, ihre Witze sind manchmal ein wenig auf die Spitze getrieben und es werden auch viele Klischees verarbeitet, unterm Strich bleibt jedoch wieder ein sehr positiver Eindruck von ihrem Schreibstil zurück. Kerstin Gier schreibt jedoch nicht nur lustig, sondern auch generell herrlich bildhaft und lebendig, sodass ich nach den Beschreibungen des alten, verschnörkelten Chateaus mit all seinen Geheimgängen, Kristalllüstern, Samtvorhängen und der Kulisse der verschneiten Berge nicht nur sehr Lust auf einen Urlaub in den Alpen bekommen habe, sondern auch das Gefühl, das Wolkenschloss selbst einmal besucht zu haben. Die luxuriöse, altehrwürdige, heimelige und gleichzeitig geheimnisvolle Ausstrahlung des Hotels schlägt sich auch in der Atmosphäre der Geschichte wieder. Ergänzt wird das stimmungsvolle Setting durch leichte Fantasy-Anspielungen zum alterslosen Concierge Monsieur Rocher, einer allgegenwärtigen Katze und seltsamen Vorkommnissen im Haus, die nicht aufgeklärt werden, aber zu einer geheimnisvollen, magischen Stimmung beitragen, die super zum Setting und der Geschichte passen.
“Sie sagten, dass einem niemand das Zuhause nehmen kann, wenn man in sich selbst zu Hause ist. Und dass man alles in sich trägt, was man braucht, um überall glücklich zu sein.”
Die Stars der Geschichte sind allerdings die Haupt- und Nebenfiguren, die mal wieder total sympathisch, total greifbar und lebendig sind. Unsere Erzählerin Fanny Funke ist eine typische Kerstin-Gier-Figur: liebenswert, mutig, schlagfertig und das Herz am rechten Fleck. Ihre erfrischende, jugendliche Perspektive verleiht der Geschichte ganz viel Charisma! Auch die süße Liebesgeschichten, die zwischen Ihr und dem Hotelierssohn Ben Montfort sowie dem geheimnisvollen Tristan Brown erzählt wird, sind einfach hinreißend! Am aller beeindruckendsten fand ich aber, dass es der Autorin gelingt, uns hier über 70 Nebenfiguren (ich habe sie im Personenregister gezählt) vorzustellen, die alle so einen bleibenden Eindruck hinterlassen, dass ich mich an ihren Namen und ihre Rollen bis zum Ende der Geschichte erinnert habe. Von den ca. 30 vorgestellten Mitgliedern des Hotelpersonals waren natürlich Monsieur Rocher und Pavel meine absoluten Lieblinge! Von den ca. 50 Gästen sind mir besonders der kleine Teufelsbraten Don Burkhardt junior, Amy, Gracie und Madison Barnbrooke sowie das Ehepaar Ludwig ans Herz gewachsen! Auch wenn die Geschichte nach beinahe 500 Seiten absolut rund zu Ende erzählt ist, wäre ich also sehr gerne noch eine Weile im Wolkenschloss geblieben und hätte mehr über die Figuren gelesen! Wenn das mal kein gutes Zeichen ist...
Fazit:
"Wolkenschloss" ist ein charmantes, humorvolles Krimiabenteuer mit einem spritzigen Schreibstil, einem atmosphärischen Setting und lebendigen Figuren! Trotz leichter Schwächen wie den recht vorhersehbaren Krimielementen und dem langsamen Einstieg hatte ich großen Spaß mit der Geschichte und wäre am liebsten noch länger im Wolkenschloss geblieben!