Der Moby Dick der Nordsee
Es ist Sommer und was für einer! Ein Grund für halb Fredenbüll Urlaub oder Praktikum auf Amrum zu machen. Kriminalkommissarin Nicole lässt ihren kleinen Sohn Finn unter der Aufsicht von Antje, von „De ...
Es ist Sommer und was für einer! Ein Grund für halb Fredenbüll Urlaub oder Praktikum auf Amrum zu machen. Kriminalkommissarin Nicole lässt ihren kleinen Sohn Finn unter der Aufsicht von Antje, von „De Hidden Kist“ am Strand Sandburgen mit seinen neuen Urlaubsfreunden bauen. Doch ist bei den Kids die Aufregung groß, als sie plötzlich einen abgetrennten Damenfuß mit lackierten Fußnägeln ausbuddeln. Beherzt sichert Antje das Beweisstück in ihrer Kühltasche mit Kirschenaufdruck! Als dann noch ein sensationell großer weißer Heilbutt vor der Küste gesichtet wird, überschlagen sich die Schlagzeilen vom „Mörder-Heilbutt von Amrum“. Doch Nicole Stappenbek hat keine Lust sich den Urlaub mit Ermittlungen zu versauen, immerhin weilt auch der Vater ihres Sohnes auf der Insel, was Polizeihauptmeister Thies Detlefsen mit Argusaugen beäugt. Seine Tochter Tadje macht ein Praktikum in der Tourismuszentrale und will unbedingt einen erfolgreichen Amrumblog starten. Immerhin ist gerade auch eine erfolgreiche Influencerin auf der Insel unterwegs, das Kinderheim, in dem Finns Freunde leben ist das begehrte Ziel von Spekulanten und ein geheimnisvoller dänischer Koch sorgt mit seinem neuen Lokal für Furore, während die Tierschützer von „Dorsche am Dienstag“ für mächtig Ärger sorgen, einer ganz besonders.... Geschmückt wird das Potpurri an Verwirrung von jeder Menge Kühltaschen, die Antje mit ihrer beherzten Aktion in Mode brachte. Doch auch sonst setzt die Fredenbüller-Truppe der Insel ihren Stempel auf!
Diese Krimireihe ist nicht nur nordisch by nature, sondern wunderbar unterhaltsam und voller Wortwitz und scharfzüngiger Beobachtungen. Kein Wunder, dass die Reihe so erfolgreich ist, dass nach Bjarne Mädel und Hinnerk Schönemann inzwischen der dritte Sprecher erfolgreich etabliert ist, nämlich der Autor selbst! Oft bin ich ja von so einem Wechsel nicht begeistert, wenn dann aus Not am Mann der Autor selbst liest. Hier ist das anders. Die ersten zwei Sprecher habe ich nicht gehört, kann ich mir jedoch gut vorstellen, doch Krischan Koch kann es ganz unbestreitbar auch. Allerdings ist er auch nicht einfach Autor, der an seinem Schreibtisch sitzt und Drehbücher und Krimis schreibt, nein, er tritt im Sommer auf Amrum auch als Kabarettist auf. Er klingt absolut nordisch, lakonisch, bisweilen trocken das es staubt und nicht aus der Ruhe zu bringen, ohne dass es eintönig wird. So tiefenentspannt der Autor und Sprecher bisweilen auch klingen mag, beim Showdown ist er es dann nicht mehr, trotz wahrscheinlich mehrmaligen Kartoffelschäl- und Langeweile-Seminar bei Birte. Dieses Fredenbüller Original bietet in diesem Jahrhundertsommer seine neuesten Entspannungs- und Entschleunigungstrends nun auch in Amrum an und ist stets ausgebucht. Auch wenn sie die kreative Wirkung von Langeweile predigt, hält Krischan Koch sich selbst nicht daran. Seine Figuren sind echte Typen, wie sie das Leben schrieb und wie kleine eingeschworene Gemeinschaften sie zu schätzen und zu lieben weiß. Ohne viel Getöse springen sie dort ein, wo gerade Not am Mann ist, egal ob Bounty die musikalische Kneipenunterhaltung übernimmt, Antje beherzt Beweisstücke in ihrer Kühltasche schützt, Nicole und Thies den Tatort sichern, der Schimmelreiter im Hotel die Auslegware verlegt, Piet mit Antje Finn hütet, oder Tadje und Tetje ihre Ausbildung voranbringen, stets mit Tadjes Freund Lasse im Schlepptau. Ohne Fredenbüller dreht sich die Welt wohl nicht im Norden!
Allerdings sind diese Charaktere das Salz in der Suppe, aber nicht die Substanz. So beschaulich Amrum auch sein mag, so sehr braut sich hier was zusammen. An der Nordseeküste werden langsam Landstücke zur touristischen Entwicklung rar und so kommen die Investoren sogar aus Dänemark und Bauunternehmer aus Sylt, um die beschaulich Familieninsel nach tauglichen Entwicklungsmöglichkeiten für den Massentourismus zu überprüfen. Außerdem ist ein Kochwettbewerb angekündigt, bei dem sich der Chef des angesagten neuen nordischen Restaurants Hoffnungen macht, auch wenn sich alle fragen, wo der denn so plötzlich herkommt. Die Umweltschützer von „Dienstag für Dorsche“ beunruhigen nicht nur Einheimische, sondern auch die Tourismusbranche mit ihren z.T. spontanen Aktionen und Bibi Baracuda und Tadje geben Einblick in aufstrebende Social Media Sterne. Bibi im klassisch platten Marketing mit viel Haut und wenig Message, Tadje mit echten Orignalen und frischen Krabben! Daher verrät Antje im Innern des Klappcovers auch ihre geheimen Rezepte für Krabbencocktail, Ceviche vom Kabeljau mit Rhabarber und Meersalz vom Amrumer Fischkutter, sowie Gebratene Schollen mit Kartoffelsalat. Da ich nichts esse, was aus dem Wasser kommt, kann ich Euch leider nicht verraten, wie es schmeckt, nur, dass es einer gewissen Kocherfahrung bedarf, um sie nach zu kochen. Antje kocht mit Erfahrung, Herz und Bauch, da gibt es nicht so genaue Angaben mit TL und Gramm, das muss schon aus dem Gefühl kommen. Für geübte Köche kein Problem, für Anfänger Panik pur. Leider gibt es aber keinen Bestelllink für Antjes Kühltaschen mit fruchtigem Kirschendruck, die zum absoluten Must-have der Insel werden und sicherlich auch die Herzen der Hörerinnen höherschlagen lassen. Krischan Koch lässt sich immer kleine Slapstick-Einlagen und running-gags einfallen, die haften bleiben und auch noch lange nach dem Hören zum Schmunzeln bringen. Diese Taschen kann man auf jeden Fall nicht überhören.
Die Küstenkrimis sind herrliche Unterhaltung, doch finde ich den Fall diesmal kniffeliger und ich habe lange gerätselt, was es mit den abgetrennten, lackierten Damenfüße so auf sich hat (ob die Damen wohl überlebt hätten, wären ihre Füße weniger gepflegt?). Herrlich wie die Masse bei solchen brutalen Mordfällen sich bisweilen an nichtigen Details festbeißt, dennoch mag sich da manch einer beim Hören ertappt fühlen.
Spritzig und trocken zugleich, als Wein sicher ein Hit, mag ich diese Reihe immer lieber und höre sie bewusst, statt sie zu lesen. So genau würde ich es beim selbst Lesen, nie auf den Punkt bringen, wie der Autor selbst!