Warnung: Wer mit diesem Roman zu lesen beginnt, sollte wissen, dass er die nächsten Stunden und Tage kaum mehr aus der Welt von Vianne und Isabelle auftauchen wird! Zu packend ist diese Geschichte um zwei Schwestern und ihr Leben, dass man das Buch nicht wieder aus der Hand legen möchte...
Die Romane, die ich bereits von der Autorin gelesen habe, haben mich alle sehr bewegt und emotional berührt. Es gab zwar auch den einen oder anderen, den ich nur mittelmäßig fand, aber im Großen und Ganzen sind Kristina Hannah's Bücher wirklich sehr gut. Üblicher Weise sind ihre Geschichten in der Gegenwart angesiedelt, während "Die Nachtigall" von zwei Schwestern erzählt, die während des Zweiten Weltkrieges versuchen zu überleben - jede auf ihre Weise. Zwei Schwestern, die unterschiedlicher nicht sein könnten, die jedoch ihr Lebensumstand zwingt, sich so zu verhalten, wie sie es schlussendlich tun. Und jeder Leser, der meinen Blog verfolgt, weiß auch, dass ich Geschichten aus der Zeit der Weltkriege verschlinge. So war dieses Buch natürlich ein absolutes MUST-HAVE....
Der Prolog führt den Leser allerdings zuerst in die Gegenwart und in die USA, wo eine ältere und schwerkranke Frau ihre Habseligkeiten zusammenpackt. Ihr Haus steht zum Verkauf und sie wird die kommenden Tage in eine Seniorenresidenz umziehen. Doch ein alter Koffer voller Erinnerungen und eine Einladung nach Paris bringen sie noch einnmal zurück in die Vergangenheit des Jahres 1939.
Die beiden Schwestern Vianne und Isabelle sind schon sehr früh auf sich alleine gestellt und erfahren, was der Krieg anrichten kann. Der Vater kam völlig verändert aus dem ersten Weltkrieg zurück und als die Mutter viel zu früh stirbt, fühlt er sich nicht stark genug, um für seine Töchter zu sorgen. Er gibt sie einfach ab.......
Trotzalledem kämpfen die beiden Frauen ihr ganzes Leben lang um seine Liebe und um Anerkennung. Während Vianne früh heiratet und eine Familie gründet, rebelliert Isabelle. Sie flieht immer wieder aus den Internaten, in die sie gesteckt wird und lehnt sich auf.
Als der Krieg ausbricht wird auch Viannes Mann Antoine eingezogen und sie bleibt mit der kleinen Tochter Sophie zurück. Gemeinsam mit Rachel, ihrer besten Freundin, und ihren Kindern, versuchen sie ihr Leben ohne ihre Männer weiterzuleben. Doch viel zu früh sind die deutschen Soldaten auch in ihrem kleinen Dorf angekommen. Frankreich wird geteilt und Vianne lebt nun in der besetzten Zone. Nahrungsmittel werden knapp und in ihrem Haus wird ein deutscher Hauptmann einquartiert. Als ihre Freundin Rachel mitsamt ihren Kindern abtransportiert wird, muss sich Vianne der Realität stellen. Aus der anfangs eher schüchternen und naiven jungen Mutter, wird eine stille Kämpferin, die nicht nur ihre Tochter beschützen will, sondern beginnt sich auch für andere Kinder einzusetzen....
Die ungestüme Isabelle hingegen hasst die Deutschen und geht in den Untergrund. Sie schließt sich der Résistance an und überbringt geheime Nachrichten. Das ist ihr aber bald nicht mehr genug und sie nimmt einen neuen gefährlichen Auftrag an. Sie bringt abgeschossene Piloten der Allierten über die Pyrenäen nach Spanien. Unter dem Decknamen "Die Nachtigall" wird Isabelle zu einem der meistgesuchten Feinde der Deutschen.
Gefallen hat mir, dass dieses Buch einmal aus der Sicht der Frauen während des Krieges erzählt wird. Romane über heldenhafte Soldaten oder verfolgte Juden gibt es jede Menge, doch selten wird über die Frauen berichtet, die zuhause versuchen müssen ihre Kinder, Haus und Hof zu schützen und vorallem genug Essen auf den Tisch zu bringen. Man erlebt hautnah mit, wie sie zuerst um den Ehemann oder Liebsten bangen, bald aber schon die Sorge ums eigene Überleben an erster Stelle tritt. Man liest von Hunger und Kälte und wie die Menschen alles verheizen, was ihnen in die Hände fällt. Bald bekam man für eine Lebensmittelmarke nicht einmal mehr Mehl oder Kartoffel, während die Deutschen Fleisch horteten.
„In der Liebe finden wir heraus, wer wir sein wollen; im Krieg finden wir heraus, wer wir sind.“
Kristin Hannah beschreibt, wie sich die Menschen während des Krieges verändern. Man taucht in die tiefsten Abgründe der menschlichen Seele. Manche gehen den geringsten Widerstand und werden zu Verräter, andere kämpfen ums nackte Überleben und wieder andere werden stärker und finden den Mut etwas zu bewegen. Bis man sich nicht selbst in so einer Situation befindet, weiß man meist selbst nicht, wie man tatsächlich reagieren würde, auch wenn natürlich jeder von uns annimt, dass er zu den Gutmenschen gehören wird.
Ein Roman, der mich sehr beeindruckt hat und der herausragt aus den Geschichten rund um den Zweiten Weltkrieg. Nur wenige Bücher kann ich nennen, die mich zu diesem Thema ebenso sehr berührt haben wie "Die Nachtigall".
Charaktere:
Die Charaktere wurden sehr authentisch dargestellt. Die Gefühlswelt der einzelnen Personen wurde hervorragend ausgearbeitet. Jede im Roman dargestellte Figur konnte ich mir bildlich vorstellen. War mir Vianne anfangs zu untätig und naiv, entdeckt sie im Laufe des Krieges ihre eigene Stärke und setzt diese gekonnt ein. Isabelle bewunderte ich zuerst für ihren Mut und Einsatz, doch dabei ist sie viel zu unüberlegt und bringt andere in Gefahr oder setzt ohne Nachzudenken ihr Leben aufs Spiel. Ihre Schönheit ist ihr dabei eine große Hilfe, doch die Gefahren, denen sie sich aussetzt, werden immer gewagter. Isabelle ist eine Art Adrenalinjunkie und die Risiken, die sie manchmal ohne Nachzudenken eingeht, ließen mich dann doch öfters den Kopf schütteln. Im Inneren sucht sie jedoch Anerkennung und Liebe, die ihr als Kind immer verwehrt blieb.
Schreibstil:
Den Schreibstil der Autorin fand ich schon in ihren anderen Romanen fesselnd und unglaublich emotional. Kristin Hannah lässt die Schwestern abwechselnd aus ihrer Sicht erzählen. Man durchlebt so die Ängste, die Wut und die Verzweiflung aus nächster Nähe und fühlt mit Vianne und Isabelle mit. Die fikitve Geschichte rund um Vianne und Isabelle, die stellvertretend für das Schicksal vieler Frauen während des Zweiten Weltkrieges steht, wird gekonnt mit den historischen Fakten verflochten.
Fazit :
Ein Buch, das mich beeindruckt hat und heraussticht aus den Romanen zu diesem Thema. Nur wenige Bücher kann ich in einem Atemzug gemeinsam mit "Die Nachtigall" nennen, die mich ebenso emotional berührt haben und die auf meiner Liste der TOP Bücher zum Thema Zweiter Weltkrieg aufscheinen. "Die Nachtigall" darf sich nun dazu einreihen und von mir gibt es eine ganz klare Leseempfehlung!