Packend, erschütternd, einfühlsam - ein tolles Debüt!
Als ich das erste Mal von „You are (not) safe here“ hörte, stand für mich einfach sofort fest: Das Buch muss ich lesen! Allein schon der Klappentext bereitete ich mir eine leichte Gänsehaut. Tausende ...
Als ich das erste Mal von „You are (not) safe here“ hörte, stand für mich einfach sofort fest: Das Buch muss ich lesen! Allein schon der Klappentext bereitete ich mir eine leichte Gänsehaut. Tausende Krähen, die eine Stadt belagern und sich immer weiter vermehren? Also ich finde, das klingt mega unheimlich. Da ich Bücher mit einem mystischen Touch super gerne lese und auch Geschichten, die ernste und schwere Themen behandeln, absolut in mein Beuteschema fallen, packte ich „You are (not) safe here“ schnurstracks auf meine Wunschliste.
Auburn, Pennsylvania: Tausende Krähen belagern die Kleinstadt und bedrohen deren Einwohner. Sie sind überall und werden immer. Die 17-jährige Leighton und ihre beiden jüngeren Schwestern haben allerdings vor etwas ganz anderem viel mehr Angst. Die größte Bedrohung lebt in ihrem Haus: Ihr Vater, der immer wieder seine Aggressionen an der Mutter auslebt und sogar zur Gewalt bereit ist. Die Mutter aber schweigt und unternimmt nichts dagegen. Leighton sieht es als ihre Aufgabe an, ihre Schwestern zu beschützen. Wie gerne würde sie Auburn für immer verlassen, nur kann sie ihre Schwestern einfach nicht zurücklassen. Sie ist sich sicher: Nicht mehr lange und die Situation bei ihnen zu Hause wird eskalieren.
Ich muss gestehen, dass ich hier nicht ganz das zu lesen bekommen habe, was ich erwartet habe. Ehe ihr jetzt aber denkt, dass mir das Buch nicht so gut gefallen hat: Doch, hat es, sehr sogar! Mich hat nur einfach etwas überrascht, wie die Autorin das Thema häusliche Gewalt behandelt. Aufgrund des Klappentextes hatte ich irgendwie mit mehr körperlicher Gewalt gerechnet. Von dieser bekommen wir Leser allerdings gar nicht groß was mit. Dafür aber müssen wir miterleben, wie sehr Leighton und ihre beiden jüngeren Schwestern psychischer Gewalt vonseiten ihres Vaters ausgesetzt sind. Die große Angst und Panik, die sie immerzu haben, dieses Unwohlsein, ihre Hilfslosigkeit, Unsicherheit und Wut – ich habe entsetzlich mit den drei Mädchen mitgelitten und fand es erschütternd zu sehen, was für Zustände bei ihnen zu Hause herrschen. Echt schlimm, was in vielen Haushalten so abgeht, ohne das irgendjemand von außen etwas davon mitbekommt oder - falls man es doch tut - einfach wegschaut. In meinen Augen hat Kyrie McCauley dieses immens wichtige Thema großartig behandelt. Ich muss zwar ganz ehrlich sagen, dass ich insgesamt dann doch mit einer etwas heftigeren Story gerechnet habe, aber schockiert und aufgewühlt hat mich das Ganze natürlich dennoch sehr.
Da wir alles aus der Sicht von Leighton in der Ich-Perspektive erfahren, erhalten wir als Leser einen erstklassigen Einblick in ihre Gefühls- und Gedankenwelt und erleben hautnah mit, wie sehr sie die Zustände in ihrem Zuhause belasten. Schon der Beginn des Buches macht deutlich, dass Leighton und ihre Schwestern ihren Vater fast schon als eine Art Monster ansehen. Sehr oft wird der Vater sogar gar nicht erst beim Namen genannt, sondern es wird nur von IHM und ER gesprochen.
Dank der einfühlsamen, bildhaften und authentischen Erzählweise ist es mir vom ersten Moment an spielend leicht gelungen, mich in Leighton hineinzuversetzen. Mit ihr ist Kyrie McCauley eine fabelhafte Protagonistin gelungen. Mir war Leighton auf Anhieb sympathisch. Sie ist eine so tolle große Schwester und denkt immer zuerst an andere und dann erst an sich selbst. So würde sie zum Beispiel nichts lieber tun als endlich ihrer verhassten Heimatstadt Auburn den Rücken zu kehren, scheut aber davor zurück, weil sie ihre Schwestern nicht alleine lassen möchte. Alleine bei IHM. Die Mutter ist zwar auch noch da, nur schweigt sie stets und nimmt das schlimme, aggressive Verhalten ihres Ehemannes einfach so hin und setzt sich kaum zu wehr.
Neben Leighton haben mir auch die weiteren Charaktere unglaublich gut gefallen. Allesamt wurden sie hervorragend und sehr vielschichtig ausgearbeitet und tragen mit ihren einzigartigen Eigenschaften dazu bei, dass man eine unvergessliche Lesezeit mit dem Buch verbringt.
Wer ganz klar zu meinen persönlichen Lieblingen gehörte, ist Liam, ein Mitschüler von Leighton. Liam mit seiner ruhigen, charmanten und humorvollen Art konnte mein Herz im Sturm erobern. Und nicht nur meines. ;)
Leighton und Liam werden sich ineinander verlieben und immer mehr Zeit miteinander verbringen. Das Buch beinhaltet also auch eine Liebesgeschichte, was mir wahnsinnig gut gefallen hat. Meinem Empfinden nach fügt sie sich perfekt ins Geschehen ein und wird absolut echt und einfach nur wunderschön und gefühlvoll beschrieben. Sehr gelungen fand ich auch, dass durch die romantischen Szenen und die gemeinsamen Momente zwischen Leighton und Liam die beklemmende Handlung so schön aufgelockert wird und uns Leser sogar den ein oder anderen Schmunzler entlockt.
Was mich dafür etwas zwiegespalten zurückgelassen hat, ist die Sache mit den Krähen. Da weiß ich einfach nicht, ob ich diesen Handlungsstrang nun brillant oder komisch und verwirrend finde. Hm, ist wohl irgendwie ein Mix aus beidem. :D
Genial fand ich aber, dass diese Krähenstory dem Buch etwas Magisches und Übernatürliches verleiht. Ich weiß ja nicht, wie ihr das seht, aber ich finde die Vorstellung, dass tausende von Krähen eine Stadt bevölkern, gänsehautmäßig gruselig. Zum Ende des Buches sind es sogar fast 100.000 Krähen! Krass, oder? Total cool ist auch, dass das Buch in mehrere Teile gegliedert ist und zu Beginn eines jeden Abschnitts der aktuelle Krähenbestand aufgeführt wird. Als Leser kann man also sehr gut mitverfolgen, wie drastisch schnell sich die Krähen vermehren.
Ob noch geklärt werden wird, was genau es mit den Krähen auf sich hat und ob sie am Ende wieder verschwinden werden – nun, das werde ich hier nicht verraten. Da müsst ihr das Buch schon selber lesen. Was ihr unbedingt tun solltet!
Auch wenn sich „You are (not) safe“ nun nicht zu dem von mir erhofften Highlight entwickelt hat, bin ich dennoch hellauf begeistert von dem Buch. Es ist unfassbar gut geschrieben und reißt einen von den ersten Seiten so richtig mit. Dank dem flüssigen Schreibstil, der packenden Handlung und den herrlich kurzen Kapiteln kann man gar nicht anders, als das Buch zu inhalieren. Bei mir zumindest war es so. In meinen Augen ist Kyrie McCauley mit „You are (not) safe“ ein tolles Debüt gelungen und ich freue mich schon sehr auf ihre weiteren Werke, die hoffentlich noch folgen werden.
Fazit: Aufwühlend, einfühlsam, absolut fesselnd – ein beeindruckender und zutiefst bewegender Jugendroman, der noch lange in einem nachklingt! Mir hat Kyrie McCauley mit ihrem Debüt ein wunderbares Leseerlebnis beschert. Das Buch regt sehr zum Nachdenken an und geht richtig unter die Haut. Es schockiert, rüttelt auf und beschert einem dank diesem geheimnisvoll magischen Touch, der durch die Krähen zustande kommt, immerzu Gänsehaut. Ich kann „You are (not) safe“ wärmstens empfehlen und vergebe sehr gute 4 von 5 Sternen!