MEINE MEINUNG:
Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht so richtig wo ich anfangen soll. Im Mittelpunkt der ganzen Geschichte steht Micah. Puh, im Großen und Ganzen muss ich sagen, dass sie mir nicht allzu sympathisch war. Zum einen wäre da die Tatsache, dass sie in meinen Augen sehr verzogen ist. Ich meine, sie beschwert sich in einer Tour über ihre herzlosen Eltern, lebt aber trotzdem auf ihre Kosten, lässt sich von ihnen eine Wohnung kaufen und hat keine Skrupel davor, die Kreditkarten zum glühen zu bringen. Obwohl sie stinksauer auf ihre Eltern ist? Aha okay.
Ich kann nicht genau begründen, weshalb ich das Gefühl hatte, sie würde sich aufführen, als wäre sie der Nabel der Welt. Vielleicht ist meine Einstellung hier etwas übertrieben und rührt daher, dass Micah mir allgemein nicht zu sehr sympathisch ist. Aber es gab einfach Kleinigkeiten, die sich gehäuft haben und die mich genervt haben. Da wäre zum Beispiel ihre Ansicht, Cassie und Auri würden unbedingt zusammengehören, weshalb sie für die beiden ein Date arrangiert. Oder ihr Verhalten gegenüber Julian, das ich an manchen Stellen als aufdringlich und sehr überempfindlich empfand. Er hat ein großes Geheimnis und weil er es nicht sofort preisgibt, macht Micah ein Drama daraus. Auch ihr etwas vorlauter Charakter hat ihr nicht unbedingt Sympathiepunkte bei mir eingespielt. Manchmal äußert sie sich sehr zweideutig, was ich zwar als sehr amüsant empfand, im echten Leben wäre sowas aber einfach nur respektlos und das Gegenüber würde solche Kommentare beschämt überhören…
Und ein großes Thema war meinem Empfinden nach, Micahs ewiges und nicht enden wollendes Genörgel. Studium scheiße, Bruder scheiße, Eltern sowieso scheiße. Ja okay, kann ja mal vorkommen, aber wieso ändert sie nichts? Manche werden an dieser Stelle wohl sagen: Aber sie ändert doch was. Das mag so stimmen, aber für mich kam das einfach zu spät. Das Buch ist über 500 Seiten dick und 400 Seiten davon sind gefühlt nur Gemecker.
Ich merke schon, das klingt hier alles sehr negativ, was so nicht unbedingt rüberkommen soll. Micah hatte auch tolle Seiten, das sollte auch noch erwähnt werden. Sie verfügt über eine ausgeprägte Empathie, ist sehr tolerant und eine tolle Freundin. Sie ist auch wirklich witzig und nicht auf den Mund gefallen, ich hatte durchaus auch Spaß mit ihr. Trotzdem war sie sicher nicht mein Lieblingscharakter, welcher mir deshalb leider auch zu kurz kam.
Mein eigentlicher Held ist nämlich Julian. Er ist ein Charakter mit tollen Eigenschaften, er ist hilfsbereit, verfolgt seine Ziele ehrgeizig und er ist eine Kämpfernatur. Das hat mich wirklich beeindruckt, zumal er ein Geheimnis mit sich rumschleppt, das ihn schwer zu belasten scheint. Seine Geschichte war mir aber einfach zu wenig. Die Auflösung kommt erst sehr spät und ich hätte ihn gerne ein wenig mehr auf seinem Weg begleitet.
Eine große Rolle nimmt auch Micahs Bruder Adrian ein. Welche Rolle er spielt wird sehr schnell klar, meiner Meinung nach verhält er sich aber unmöglich. Mit dieser Meinung stehe ich wohl ziemlich alleine da, aber ich konnte nicht so ganz nachvollziehen, weshalb Micah die Fehler ihrer Eltern ausbaden sollte.
Auch die Freunde von Micah spielen eine große Rolle. Da wären Lilly, Aliza, Cassie und Auri. Aber auch hier wurden sie mir ein wenig zu oberflächlich dargestellt. Ich möchte mich an dieser Stelle ein wenig kurzfassen, da Micahs Freunde nicht unbedingt ausschlaggebend für meine Meinung sind. Sie waren alle ganz nett, für mich etwas zu unscheinbar (das Buch hat echt genug Seiten um ihnen eine etwas größere Rolle zukommen zu lassen…) und ich mochte sie alle ganz gerne.
Und dann wären da noch Micahs Eltern. Die engstirnigen, bornierten, reichen Unmenschen. Zwar nennt Micah auch nette Eigenschaften, ihr Verhalten macht sie allerdings zu durch und durch fiesen Charakteren. Und das war auch gut so, schließlich müssen die Konflikte ja irgendwo herkommen. Was mir aber ein klitzekleines bisschen gefehlt hat, waren die Begründungen. Micah nennt sie und erklärt sie. Aber die Eltern kommen kaum zu Wort. Eine nette Auseinandersetzung hätte das ganze für mich noch ein wenig explosiver gemacht.
So jetzt aber genug Hate, kommen wir zu einem Aspekt, den ich mal wieder sehr schön fand und zwar Laura Kneidls Schreibstil. Ich finde, sie hat eine ganz besondere Art Geschichten zu erzählen, weshalb ich mir mit Sicherheit auch den nächsten Roman kaufen werde. Vor allem die erotischen Szenen waren sehr gut umgesetzt, es ist niemals zu viel, bleibt aber auch nicht gänzlich auf der Strecke. Auch sonst wird jede Szene sehr detailliert beschrieben, was dem Leser ein hervorragendes Kopfkino beschert, sodass ich das Geschehen immer vor Augen hatte. Die Charaktere und die ganzen Settings konnte ich mir wunderbar vorstellen, was mich tatsächlich auch an die Geschichte gefesselt hat. Alles war sehr real geschildert. Vor allem die Dialoge haben es mir angetan, man lacht, schmunzelt und fiebert mit den Charakteren mit.
Und jetzt noch ein paar Worte zum Kernstück des Buches – die gesamte Story. Es werden viele Themen präsentiert und angeschnitten, wobei die Betonung hier wohl auf angeschnitten liegt. Es sind viele wichtige Themen dabei, zu denen ich nicht zu viel sagen möchte, um nicht zu spoilern. Allerdings hat mir hier ein klarer Fokus leider gefehlt. Natürlich steht Julians Geheimnis im Mittelpunkt, nur leider bleibt dieses Geheimnis sehr lange ein Geheimnis. Ich habe ständig auf den großen Knall gewartet, der leider erst gegen Ende kommt und dem ganzen somit an Raum nimmt. Oft hatte ich das Gefühl, dass viele Szenen wieder und wieder und wieder genauso stattfinden, wie zuvor. Und dann wird das Ganze nochmal wiederholt. Kurz gesagt, ich fand die ganze „Vorgeschichte“ eindeutig zu langatmig und mit der Zeit wurde ich der Geschichte überdrüssig. Eine Auseinandersetzung mit der schwierigen Thematik hätte ich mir einfach gewünscht, gerade weil es doch ein „so wichtiges Thema“ ist. Micah reagiert selbstverständlich toll auf Julians Geheimnis, aber ist das so realistisch? Ohne jetzt intolerant klingen zu wollen, aber auf solch eine Enthüllung so zu reagieren wie Micah es tut, ohne auch nur darüber nachzudenken. Klar wünschenswert, aber realistisch?
Die Message, die dieses Buch vermitteln soll, ist die Wichtigkeit von Toleranz. Das kommt auch gut rüber, auch wenn mir die ganze Problematik einfach zu kurz kam, wie schon erwähnt. Hätte es schon früher den „großen Knall“ gegeben, hätte man sich früher damit auseinandergesetzt und das Thema tiefer behandelt, ja dann wäre dieses Buch sicherlich eins meiner Jahreshighlights geworden.
FAZIT:
Ich glaube meine ganze Rezension klingt durchweg negativ, was sie eigentlich gar nicht werden sollte. Woran lag es? Vielleicht an den hohen Erwartungen. Dennoch muss ich sagen, dass ich Someone New keinesfalls als schlechtes Buch bezeichnen würde. Laura Kneidls Schreibstil ist wie immer super und auch hat die Geschichte mir viel Spaß gemacht, vor allem gegen Ende. Trotzdem empfand ich vielerlei auch als überflüssig, was die Geschichte für mich extrem langatmig gemacht hat. Ja, ich verstehe die Aussagen „Es ist soo wichtig“. Die Thematik ja, ganz sicher. Aber in diesem Buch war mir das ganze zu wenig präsent, gerade weil es erst sehr spät zu der Enthüllung kommt. Die Handlung dümpelte irgendwie vor sich hin. Das Buch ist lesenswert. Es ist durchaus mal was ganz anderes. Ich mochte es. Aber in der Umsetzung war mir einiges einfach zu unstimmig, weshalb ich es nur mittelmäßig bewerten kann, selbst wenn ich damit eine von wenigen bleibe.
(P.S.: Dieses Cover ist so unfassbar schön, zumindest hier bekommt es von mir die Höchstbewertung plus einen Extra-Stern obendrauf!)