Ein atmosphärischer Thriller
Inhalt: Bath, Mitte des 19. Jahrhunderts. Seitdem die Fotographie auf dem Vormarsch ist, sinkt die Nachfrage nach Scherenschnitten drastisch. Auch der Scherenschnitt-Künstlerin Agnes gelingt es kaum noch, ...
Inhalt: Bath, Mitte des 19. Jahrhunderts. Seitdem die Fotographie auf dem Vormarsch ist, sinkt die Nachfrage nach Scherenschnitten drastisch. Auch der Scherenschnitt-Künstlerin Agnes gelingt es kaum noch, sich selbst, ihre Mutter und ihren Neffen über Wasser zu halten. Die ohnehin schon maue Auftragslage wird noch weiter verschärft, als die Polizei plötzlich vor Agnes‘ Haustür steht: Ein Mann, von dem Agnes vor Kurzem noch einen Scherenschnitt gefertigt hatte, wurde ermordet. Als sich dies wiederholt, scheint klar zu sein, dass der Mörder es auch auf Agnes‘ Geschäft abgesehen hat. Da die Polizei mit ihren Ermittlungen ins Stocken gerät, wendet sich Agnes an Pearl, die als Geistermedium arbeitet. Gemeinsam versuchen die beiden, Kontakt mit den Geistern der ermordeten Kunden aufzunehmen – und so dem Mörder auf die Schliche zu kommen.
Persönliche Meinung: „Der Schattenriss“ ist ein Thriller von Laura Purcell, der im viktorianischen England spielt. Erzählt wird der Roman im Wechsel aus zwei (personalen) Perspektiven. Die erste Perspektive ist Agnes‘, die sich auf die Suche nach dem Mörder ihrer Kunden begibt. Daher finden sich in diesem Handlungsstrang auch verstärkt Krimielemente. Pearl, das junge Geistermedium, ist die zweite Perspektive des Thrillers. Im Mittelpunkt dieses Handlungsstrangs steht (zunächst) besonders das Leben Pearls als Medium, das stark von ihrer älteren Schwester bestimmt wird. Da in diesem Strang mehrfach Séancen abgehalten werden, finden sich hier vermehrt Mystery-Elemente. Die Handlung des Thrillers entfaltet sich eher langsam: Man lernt die Figuren kennen, erfährt mehr und mehr über ihre Beziehungen (hierbei gibt es übrigens einige wirklich überraschende Aufdeckungen) und in gewissen Abständen geschieht ein neuer Mord. Nach dem eher tempoarmen Beginn gewinnt die Handlung aber immer mehr an Spannung und Rätselhaftigkeit und endet letztlich mit einem kaum zu erahnenden Twist, der für den eher langsamen Einstieg entschädigt (zu dem Twist würde ich gerne mehr schreiben, aber das geht ohne zu spoilern natürlich nicht. Daher nur: Er ist wirklich toll gemacht – sowohl in Bezug auf Agnes als auch auf Pearl). Eine große Stärke des Thrillers ist seine Atmosphäre: Die Handlungsorte (das schäbig-düstere Bath, das ehemals stolze, jetzt aber abgelebte Haus von Agnes und das zerfallene Haus, in dem Pearl lebt) werden dicht beschrieben, besonders in der zweiten Hälfte des Romans kommt immer mal wieder eine leicht schaurige Stimmung auf und in Bezug auf die Mystery-Elemente weiß man bis zur Auflösung nie genau, ob sie „real“ sind oder doch nur in den Vorstellungen der Figuren existieren. Der Schreibstil von Laura Purcell ist detailliert (mit einem Hang zum Verschnörkelten), anschaulich und lässt sich flüssig lesen. Insgesamt ist „Der Schattenriss“ ein atmosphärischer Thriller, dessen Spannung bis zum fulminanten Ende stetig steigt.