Beschreibung
1866. Elsie ist überglücklich mit Rupert Bainbridge eine gute Partie gemacht zu haben, der sie auf der gesellschaftlichen Treppe höher bringt. Nur wenige Wochen nach ihrer Hochzeit ist Rupert jedoch tot und Elsie zieht mit einem Kind unter dem Herzen und einer anverwandten Cousine in das alte Landgut ihres verstorbenen Gatten. In ihrem neuen Zuhause vernimmt sie des Nachts eigentümliche Geräusche, die aus einem verschlossenen Raum dringen. Eines Tages öffnet sich dessen Tür und offenbart ein zweihundert Jahre altes Tagebuch sowie eine lebendig wirkende Holzfigur und schon bald tragen sich merkwürdige Dinge im Anwesen ›The Bridge‹ zu…
Meine Meinung
Die herausragende Optik des Schauerromans »Die stillen Gefährten« von Laura Purcell kann sich sehen lassen. Das Hardcover in Lederoptik ist mit dem schwarzen Hintergrund und einem glänzenden Goldschnitt ein wahres Schmuckstück für jedes Bücherregal und passt perfekt zur Geschichte, die sich im viktorianischen England zuträgt.
Der Roman ist genau, wie im Untertitel versprochen, eine viktorianische Geistergeschichte, deren Atmosphäre sich sanft entblättert und durch wechselnde Abschnitte Schicht um Schicht der Komposition erkennen lässt. Zum einen erlebt man eine von den Ereignissen verstummte Elsie, die sich in einer Nervenheilanstalt befindet und zu der Vergangenheit befragt wird, da sie nicht sprechen kann, schreibt sie ihre Geschichte auf und als schließlich die Handlung bei einem zweihundert Jahre alten Tagebuch ankommt, erfährt man von den Schrecken, die sich durch das Wirken einer Bainbridge Vorfahrin in dem Landgut eingenistet haben.
Elsie zählt zu jenen Hauptprotagonistinnen, die einem nicht unbedingt mit ihrem Schicksal mitfiebern lässt, da sie keine Sympathiepunkte für sich gewinnen kann. Ihre Situation als starke Frau im 19. Jahrhundert kann man jedoch nachfühlen und daraus Schlüsse über ihre Eitelkeit und Hochmut gegenüber niedrigeren gesellschaftlichen Ständen ziehen. Das restliche Personal der Geschichte wird nur schwach umrissen, denn das Augenmerk der Story liegt definitiv bei den mysteriösen Todesfällen und Erscheinungen in ›The Bridge‹.
Wie üblich für einen Schauerroman zieht sich die Spannung aus einer subtilen Ahnung der Zusammenhänge, die sich lediglich erahnen lassen und zum Miträtseln einladen. Laura Purcell ist dieser Kniff sehr gut gelungen, da sich immer mehr Fragen ergeben und man alleine deshalb gespannt die Seiten umblättert. Der Gruselfaktor hält sich jedoch in Grenzen, da zu wenig auf die titelgebenden hölzernen Figuren eingegangen wird und sich der Effekt des gespenstischen Auftauchens der stillen Gefährten ziemlich schnell abnutzt.
Meine hohen Erwartungen konnten trotz guter Ansätze nicht ganz erfüllt werden, da Laura Purcell das Potenzial ihrer Geschichte nicht optimal ausgeschöpft hat. Obwohl sich die Ereignisse am Ende immer besser ineinanderfügen, habe ich zu lange einen roten Faden vermisst, der dem Gebilde den nötigen Halt und Struktur gibt. Außerdem bleiben noch einige fragwürdige Details offen, sodass kein runder Abschluss zustande kommt.
Fazit
Eine klassische Schauergeschichte, gewürzt mit einem eingängigen Setting und ausgeklügelten Charakteren, dem Gesamtkonzept fehlt es allerdings noch am Feinschliff.
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© Bellas Wonderworld; Rezension vom 07.12.2021