*Wein*
Ich hatte das Buch angefordert, weil mir das Cover gefiel und ich die Idee eines Kosmetik-Unternehmens interessant fand. Letztlich hat das Buch sämtliche Erwartungen enttäuscht - es gibt weder eine interessante ...
Ich hatte das Buch angefordert, weil mir das Cover gefiel und ich die Idee eines Kosmetik-Unternehmens interessant fand. Letztlich hat das Buch sämtliche Erwartungen enttäuscht - es gibt weder eine interessante Handlung, noch einen guten Erzähl- oder Schreibstil. Dazu eine Hauptfigur, die ständig an "das Eine" denkt. Anders formuliert: Ich dachte, dass das Genre in all den Jahren kreativer geworden ist oder sich die Rollenbilder ein bisschen der Realität angenähert haben - dieses Buch tritt das mit Füßen. Wenn ich mir von den 10 EUR im Second-Hand-Laden ein paar schöne Klamotten kaufe, hab ich mehr Spaß damit.
Info am Anfang: Es handelt sich um den vierten Band der Reihe. Man versteht die Handlung problemlos, ohne die anderen Bücher zu kennen. Allerdings verliert man am Ende, als jede Figur nochmal ihren Auftritt hat, die Übersicht.
Rezi enthält Spoiler.
Worum geht es?
Um Kosmetik? Wenig. Um Düfte? Ein bisschen. Um Lilien? Sehr wenig. Um die Klage aus dem Klappentext? Drei Seiten lang - von 211 (bei mir). Das Buch handelt von einem Anwalt, der die Töchter seiner toten Schwester aufnimmt und die Chefin einer Kosmetikfirma und deren große Familie.
Und ein paar tiefe Gespräche über Überlastung in der Gesellschaft gibt es.
Charaktere
Valentina ist eine eher unauffällige Protagonistin. Sie mag ihre Familie und sie steht auf Düfte - das taucht sogar als Motiv manchmal auf. Wenn es notwendig wird, d.h. sich die Handlung erschöpft hat, bekommt sie ein paar Probleme. Nachdem sie von ihrem vorherigen Partner betrogen wurde bzw. er Exklusivität aufgekündigt hat, ohne ihr davon zu erzählen, traut sie sich als Teil einer Beziehung zu wenig zu. Sie denkt, dass ihre Erwartungen zu hoch sind und später, dass sie zuviel Raum in der Beziehung mit Anwalt Carter einnimmt. Für mich sind das reale Probleme, die es wert sind, dass man über sie spricht. Sie werden im Roman aber zu kurz ausgeführt bzw. sind nur Mittel zum Zweck. Das war traurig. Umweltbewusstsein scheint ihr nicht zu liegen, weil sie Carters Töchter dazu verführt, viele Klamotten zu kaufen. Ohnehin scheint es im Buch sehr einfach, als Ersatzmutter für zwei Töchter zu dienen, wenn man einen guten Geschmack für Kleidung hat.
Carter ist das Herzstück des Romans. Er ist das Alpha-Männchen, das sich mindestens fünfmal in Valentina "versenken" oder anders korpulieren möchte. Selbst tiefsinnige Gespräche werden untermalt von körperlichen Feuerwerken, meistens, nachdem der Konflikt kurz angesprochen und schnellstmöglich abgeharkt wurde. Er möchte die Gefühle der Frau steuern und vermeldet auf S. 175, übrigens inmitten eines Aktes, "Du darfst niemals an meinen Gefühlen für dich zweifeln. Versprichst du mir, dass du das nicht mehr tust?" - er stuft sie damit auf das Niveau eines kleinen Kinders herab. Wenn sie zweifelt, ist es seine Aufgabe als Partner, sie dabei zu unterstützen, damit sie damit besser umgehen kann. Auch Carters eigene Auffassung von Männlichkeit ist einfach. Als er denkt, dass Valerie ihn verlässt, weil sie kommentarlos ihre Klamotten aus der Wohnung holt, und beide das später geklärt haben, notiert er "Ein schwacher Moment. Wird nicht wieder vorkommen." - ich weiß nicht, ob das ein Witz war, aber es ist nicht schwach Angst zu haben, egal, welchem Gender man sich zuordnet. Jeder darf schwach sein, solange er anderen damit keinen Schaden zufügt. Ansonsten mag Carter seine Töchter und hat ein gutes Verhältnis zu ihnen.
Die anderen Familienmitglieder nehmen Raum ein - manche mehr, manche weniger. Aber es fiel mir schwer, ein Gefühl für sie zu bekommen. Aber sie lenken gut von all den körperlichen Szenen ab und sorgten für eine lockere, witzige Stimmung. Und ein paar Nebenschauplätze.
Die Erotik
Die Akte finden in den ersten zwei Dritteln überwiegend digital und mündlich statt, im letzten Drittel gibt es auch ausführliche Penetrationen. Ich weiß nicht, ob das geplant war, damit sie sich steigern, ich fand's langweilig. Meist geht die Initiative vom Mann aus, wenn es die Frau tut, wirkt das eher plump und als würde der Erzähler schnell zu Bekanntem zurück kehren wollen. Die Szenen sind nicht kreativ, weder was Orte noch Techniken noch Atmosphäre betrifft. Immerhin verschont uns die Autorin mit einem Schluss-Akt.
Erzählstil
Was mich im Buch genervt hat ist, dass Figuren und Handlungen nur auftauchen, wenn es notwendig wird. Z.B. die Sandwich-Lieferantin auf S. 81, die den Raum betritt und vorgestellt wird, aber eigentlich öfters Sandwiches bringt.
Die Handlung wird aprupt gerafft, Szenenübergänge sind oft wenig vorhanden. Für mich fehlt hier das Gefühl für Erzähltempo und Ausfaden.
Auch bei der Klage wusste ich nicht, wie wichtig sie wirklich für das Unternehmen ist - im Klappentext und den ersten Seiten wirkte sie essentiell, weil das Produkt innovativ ist und sie jahrelang darauf hin gearbeitet haben. Später erfahren wir aber, dass das Unternehmen gut läuft und noch andere Produkte hat, die sie gut verkaufen; dass es eher die Schadenersatzforderungen sind, die Schwierigkeiten machen. Businessmagazine haben im Buch das Niveau von Käseblättern, die nicht recherchieren können. Das untergräbt den Wert von qualitativem Journalismus.
Schreibstil
Selten sind mir einem Verlagsbuch so viele Wortwiederholungen aufgefallen, oft binnen einer Seite. Ich weiß nicht, ob es an der Autorin liegt oder der Übersetzung. Aber anhand meiner Stichproben denke ich: die Übersetzung. Das zweimalige "ins Schlafzimmer schaffen" auf S. 118/119 wird im Original einmal mit "make it upstairs" (bis nach oben schaffen) beschrieben. Bei "My sisters were shoe lovers, but scarves were my kryptonite.", was mit "Meine Schwestern waren beide mehr Schuhliebhaberinnen, aber ich konnte nicht genug Tücher haben." übersetzt wird, geht der Humor komplett verloren. Ich würde im Zweifel zum Original greifen, weil sich das Genre generell leicht lesen lässt.
Grundsätzlich ist der Text stolperfrei und lässt sich flüssig lesen. Ich fand's aber nicht angenehm.
Auffällig ist übrigens, dass kaum Markennamen genannt werden, aber "Sephora", eine mittelpreisige Kosmetikmarke, die in Deutschland überwiegend in Parfümerien und Kaufhäusern erhältlich ist, fünfmal genannt wird. Weil sie das höchste Ziel ist, das Valentina erreichen kann. Ich fand das trotzdem komisch.
Fazit
Wem das Genre gefällt, wer die Klischees und Schemata mag, die abgearbeitet werden, und wer sich nicht daran stört, dass Konflikte als gelöst gelten, wenn sie mit einem Akt enden, möge das Buch lesen. Dann aber immerhin das Original.