Cover-Bild Vor einem großen Walde
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25,00
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  • Verlag: Claassen
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 464
  • Ersterscheinung: 27.03.2024
  • ISBN: 9783546100946
Leo Vardiashvili

Vor einem großen Walde

Roman | Eine aufwühlende georgische Familiengeschichte zwischen Vertreibung, Hoffnung und Versöhnung
Wibke Kuhn (Übersetzer)

Vom intensiven Leben in einer gefährlichen Welt

Georgien, 2010. Auf der Flucht vor dem Bürgerkrieg bleibt Sabas Mutter zurück. Erst Jahre später hat sein Vater genug Geld, um nach ihr zu suchen. Doch in Tbilissi verschwindet der Vater, und auch der ihm folgende ältere Bruder. Nun ist es an Saba in das ihm unbekannte Land aufzubrechen. Begleitet von den Stimmen seiner georgischen Familie folgt Saba den Hinweisen, die sein Bruder ihm hinterlassen hat. Graffiti, versteckte Notizen, ein Manuskript. Und eine Warnung: Kehre um! Wie im Märchen wird es lebensgefährlich für Saba. Er muss in das von Russland besetzte Südossetien reisen, durch einen großen Wald, der eine Grenze ist: zwischen Ländern, zwischen Wahn und Wirklichkeit, zwischen Leben und Tod.

Ein kraftvolles Leseerlebnis, eine Geschichte mit einem alles überstrahlenden Glauben an verbleibende Inseln von Menschlichkeit.

»Ein überwältigender Roman. Voller Witz und tiefster Menschlichkeit.« Khaled Hosseini, Autor von Drachenläufer

»Romane wie dieser leuchten einem den Weg.« The Guardian

»Ein betörender Roman« The Sunday Times

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.07.2024

Bildgewaltig und fesselnd!

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Bürgerkrieg in Georgien, Irakli flieht mit seinen Söhnen Saba und Sandro nach London, die Mutter, aufgrund mangelndes Geldes für Pässe und Flucht, bleibt zurück. Irakli versucht jahrelang sie nach London ...

Bürgerkrieg in Georgien, Irakli flieht mit seinen Söhnen Saba und Sandro nach London, die Mutter, aufgrund mangelndes Geldes für Pässe und Flucht, bleibt zurück. Irakli versucht jahrelang sie nach London zu holen, doch es scheitert, die Mutter stirbt. Irakli kehrt später nach Georgien zurück und verschwindet und ist auf der Flucht. Die besorgten Söhne sind folgen seiner Spur. Eine abenteuerliche Reise beginnt. Brotkrume für Brotkrume wird entschlüsselt, die Suche führt durch das ganze Land Georgien.

Saba, der Protagonist, erinnert sich an das damalige Georgien und wird mit dem heutigen konfrontiert, Stimmen von erinnerten Verwandten begleiten ihn, spornen ihn an, flüstern ihm zu. Ein farbiges Bild Georgiens entsteht. Georgien nach dem Bürgerkrieg mit eigenen Regeln und Gefahren. 1991 hat sich Georgien von der Sowjetunion losgesagt, die Wirtschaft ist zusammengebrochen, es herrscht große Armut. Leo Vardiashvili lässt eine Geschichte entstehen, die einen ungebrochenen Überlebenskampf, Hoffnung und große menschliche Begegnungen verspricht. Eine Odyssee auf der Suche nach dem Vater mit schönen, schrecklichen, aufwühlenden und überraschenden Momenten, man lebt als Leser intensiv mit und erleidet mit die Armut, Korruption, Verrat, aber auch Liebe, Zuversicht und Vertrauen. Der Roman nimmt Fahrt auf; die vielen geschichtlichen Einblicke runden das Bild ab. Für mich war der Höhepunkt in der Mitte des Romans und von da an ging es rasant weiter, bleibt durchgängig spannend. Der Roman ist sehr dicht und sehr überzeugend geschrieben. Zuerst fiel es mir nicht leicht, mich mit Sprache und Kultur anzufreunden, doch der erwirkte Eindruck der Bilder ist sehr gelungen, fast nicht zu glauben, fast märchenhaft! So ist auch die Anlehnung des Buchtitels „Vor einem großen Walde“ an Hänsel und Gretel von den Gebrüdern Grimm (nicht nur in Bezug auf das entscheidende Schlussszenario) passend.
Aus Sicht einer unverdauten Kindheit, und auch mit den sensiblen Empfindungen eines Kindes, das eine zurückgelassene Heimat sucht und Trümmer und Wahrheiten findet. Zum Schluss ist die Heldenreise ganz anders als erwartet.
Märchen erzählen wundersame Begebenheiten. So auch hier: Der Held ist Saba, der sich mit guten und bösen Begegnungen auseinandersetzt bis die letzte Stimme verstummt.
Saba suchte seinen Ursprung, seine Heimat und trotz aller Widrigkeiten und Widersprüchlichkeiten innen und außen ist ihm dies auf dieser Reise wohl zu einem entscheidenden Teil gelungen.
Mit viel Humor und überraschenden Wendungen und Einblicken bekommt man hier beste Unterhaltung zum Mitfiebern und Mitleiden.

Leo Varashvili ist in Tbilissi aufgewachsen und immigrierte mit 12 Jahren nach England, wo er in London Literatur studierte.

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Veröffentlicht am 12.06.2024

Ein Autor, der aus dem Herzen schreibt

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Meine Meinung:
Diese Lektüre war für mich ein wundervolles und sehr bereicherndes Buch, vielleicht sogar eines der besten Bücher, die ich je gelesen habe. Doch warum hat mich dieses von außen doch recht ...

Meine Meinung:
Diese Lektüre war für mich ein wundervolles und sehr bereicherndes Buch, vielleicht sogar eines der besten Bücher, die ich je gelesen habe. Doch warum hat mich dieses von außen doch recht unscheinbare Buch so sehr begeistern können?

Zunächst einmal muss man sagen, dass sich der Autor mit seiner naturbezogenen, sehr einfachen, aber gerade in der daraus entstehenden Monumentalität seiner Worte absolut in mein Herz geschlichen hat. Er erschafft Bilder, die gerade in der Charakterentwicklung, aber vor allem in den Beschreibungen der Natur und historischen Geschehnisse zu brillieren wissen und ich selten eine solch ruhige, schön belassene, unaufgeregte und geerdete Sprache lesen durfte, wie sie der Autor zu Papier bringt. Und das obwohl das was der Autor niederschreibt, an Emotionalität und Härte manchmal kaum zu überbieten ist.

Dieses Buch lebt stark von der Interpretation der zeitlichen Geschehnisse und der Auslegung und des Hineinversetzens in diese Zeit. Eines ist aber klar, zentrale Themen der Geschichte, sind wir Menschen, unsere Entwicklung als Mensch. Ein Werk welches die Probleme im Krieg und die Trennung von Familie erzählt, eine Geschichte, die mir sehr an die Nieren ging und die ich so schnell nicht vergessen werde.

Veröffentlicht am 15.05.2024

Aufwühlende Suche nach der eigenen Identität

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Ich fand das Cover hat etwas absolut einnehmendes und ätherisches, sodass ich mich sofort dazu hingezogen gefühlt habe und das Buch unbedingt lesen wollte. Es war ein unerwartet ergreifendes, tragisches ...

Ich fand das Cover hat etwas absolut einnehmendes und ätherisches, sodass ich mich sofort dazu hingezogen gefühlt habe und das Buch unbedingt lesen wollte. Es war ein unerwartet ergreifendes, tragisches und besonderes Leseerlebnis, das nachhaltig beeindruckt. Eine grandiose Suche nach Heimat, dem Sinn des Lebens und der eigenen Identität.

Zum Inhalt: 2010 flüchtet Sabas Vater mit den zwei Söhnen vor dem Bürgerkrieg in Georgien nach England. Die Mutter bleibt zurück. Ihr Leben ihr fortan gezeichnet von der stetigen Arbeit des Vaters, dem Geld das nie genug ist und der Ungewissheit über das Schicksal der Mutter. Als der Vater nach Jahren in ihre alte Heimat aufbricht, verschwindet er spurlos. Ihm sollen seine Söhne folgen, wandelnd auf den Spuren ihrer eigenen Geschichte.

In dieser Erzählung verknüpft sich Vergangeneht mit Gegenwart, Saba Erinnerungen verschwimmen mit seiner Realität, Menschen, dir er einst kannte begleiten ihn in geisterhafter Gestalt bei seiner Reise durch ein Land das Heimat, aber fremd geworden ist. Saba findet sich schnell einem System aus Korruption und Gewalt geprägt ist, trifft aber auch auf besondere Weggefährten und letzte Bastionen reiner Menschlichkeit.

Die als skurille Schnitzeljagd angelegte Suche nach dem verschollenen Bruder, dem Schicksal des Vaters und auf den Spuren der Mutter war auf jeden Fall mal was anderes und sehr interessant zu verfolgen. Die Hinweise bestehend aus Zitaten, Erinnerungen und einem an das eigene Leben angelehnten Theaterstück beleuchten die familiären Beziehungen. Der Schreibstil ist einnehmend, bildhaft und flüssig zu lesen und obwohl das Thema selbst keine leichte Kost ist, so bekommt es doch eine lockere, spielerische Note.

Ich habe dieses Buch wirklich genossen. Es ist kein Buch, das man einfach so wegliest und bestimmte Szenen muss man auch einfach auf sich wirken lassen. Aber es ist eine Geschichte mit Witz und Herz, die mich wirklich getroffen hat. Klare Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 12.05.2024

Lesehighlight

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Ich hatte es nach der Leseprobe schon im Gespür, dass da eine richtig gute Geschichte auf mich waren könnte. Das Cover und der Buchtitel stimmten auf etwas Großes ein.

Saba verlässt als Kind mit Vater ...

Ich hatte es nach der Leseprobe schon im Gespür, dass da eine richtig gute Geschichte auf mich waren könnte. Das Cover und der Buchtitel stimmten auf etwas Großes ein.

Saba verlässt als Kind mit Vater und Bruder Georgien. Die Mutter bleibt zurück. In England angekommen versucht der Vater jahrelang seine Frau nachkommen zu lassen. Aber es bleibt ein sehnlicher Wunsch bis die Nachricht von ihrem Tod den Vater aus der Bahn wirft. Schließlich geht er zurück in sein Heimatland, wo bald seine Briefe versickern. Sabas Bruder reist dem Vater hinterher und auch seine Stimme verstummt. Beide bleiben verschwunden. Saba entschließt sich also zur gleichen Reise, wie seine Familie und hofft, dass seine Fragen beantwortet werden und er womöglich seinen Vater und seinen Bruder wiederfindet. Diese Suche wird auf sehr fazinierende Weise erzählt. Man lernt Saba ganz nah kennen und lieben. Man erfährt sehr viel über das Land und die Menschen, die trotz Armut und hartem Leben, so herzlich und optimistisch sind, dass einem beim Lesen das Herz aufgeht. Das Ende wird nicht verraten.

Fazit: Ein Lesehighlight, nicht zuletzt der Sprache wegen, mit der berauschend klar und temporeich erzählt wird. Aber auch das fremde Land und die Menschen haben mich berührt und gefesselt. Bitte mehr von diesem tollen Autor.

Veröffentlicht am 08.05.2024

Eine berührende Odyssee durch ein geschundenes Georgien

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Als der Erzähler Saba nach 18 Jahren als Flüchtling in England zurück in Georgiens Hauptstadt Tiflis ankommt, scheint er im Inneren genauso zersplittert und aufgewühlt zu sein wie sein Herkunftsland. Man ...

Als der Erzähler Saba nach 18 Jahren als Flüchtling in England zurück in Georgiens Hauptstadt Tiflis ankommt, scheint er im Inneren genauso zersplittert und aufgewühlt zu sein wie sein Herkunftsland. Man schreibt das Jahr 2010. Georgien hat gerade einen zerstörerischen Krieg und einen schwierigen Waffenstillstand hinter sich. (Kaukasuskrieg 2008 mit Russland und den von Russland unterstützten, international nicht anerkannten Republiken Südossetien und Abchasien auf der anderen Seite.) Dem Konflikt folgten Jahre des Bürgerkriegs, die das Land an den Rand der Katastrophe brachte.

Gerade zu Sabas Ankunft ist die Stadt nach einem Unwetter überflutet, dass gar die Tiere aus dem Zoo ausgebrochen sind. Was für eine düstere, fast makabere Ausgangslage. Eine Suchaktion voller Hindernisse startet, denn es stehen nicht nur ein Nilpferd im Weg, das die Straße blockiert, oder ein lauernder Tiger im Gebüsch, sondern auch eine korrupte Bürokratie und Beschattung durch die Polizei.

Über Saba schwebt sowieso schon seine eigene schicksalhafte Gewitterwolke. Als achtjähriges Kind entkam er mit seinem älteren Bruder Sandro und seinem Vater Irakli den Bürgerkriegswirren nach dem Zerfall der Sowjetunion nach England. Die Mutter der Kinder musste der Vater damals aus Mangel an Geld für ein Visum in dem nun unabhängigen Georgien zurücklassen. Mittlerweile ist Mutter Eka verstorben. Sabas Vater ist vor kurzem in die Heimat zurückgekehrt und gilt als verschollen. Schon lange hatte er davon fabuliert, sich von den Orten der Vergangenheit verabschieden zu wollen. Bruder Sandro folgte seinen Spuren und verschwand ebenfalls. Nun ist es an Saba, sie beide zu finden. Schon bei der Zwischenlandung in Kyjiw/ Ukraine warnt ein Unbekannter Sabo vor der Weiterreise. Auf georgischem Boden wird er gleich von der Polizei wegen seines Nachnamens kritisch beäugt. Sein Vater hätte einen Mord begangen, wird ihm erzählt und gleich sein Pass eingezogen. Das nennt man üble Startbedingungen.

Saba folgt nun einer Art von “Brotkrumen-Spur”, ein bildreiches Spiel in Anlehnung an das grimm’sche Märchen von Hänsel und Gretel, das Sandro und Saba in ihrer Kindheit gespielt haben. Die Spuren die Saba verfolgt, sind voller literarischer Verweise, z.B. auf Märchen, Shakespeare, Charles Bukowski. Allerdings agiert er hierbei nicht wie ein engagierter Detektiv, sondern wie ein desorientierter Fremder in einer ihm unkenntlich gewordenen Ursprungsheimat.

Gut, dass Saba nicht allein bleibt auf der Suche nach Sandros Graffitis und weiteren Hinweisen. Rasch steht ihm ein georgischer Taxifahrer, Nodar, zur Seite. Was für ein offenherziger, tapferer Schicksalsgefährte für den liebenswerten Saba in diesem bedrohlichen Umfeld!

Nodar trägt schwer an dem Schicksal seiner eigenen Familie. Seine siebenjährige Tochter Natja ist seit dem Krieg in Südossetien vermisst, als Nodar und seine Frau Ketino überstürzt fliehen mussten.
Trotz dieses Kummers hat der lebenserfahrene Nodar schnell einen humorigen Spruch auf den Lippen. Frei nach dem Dschungelbuch erklärt er Sabo zu Mogli und schreibt sich selber so die Rolle des bärigen Balu zu. Das passt, denn Nodar trägt eine ganz besondere Weisheit.

„Es heißt, so was bringt Unglück. […] Du musst sie bis zum Ende vorlesen, auch wenn dein Kind schon eingeschlafen ist.“ S. 117

Bald tummeln sich in Sabas Kopf die imaginären Stimmen der Menschen, die er längst verloren hat. Sie ziehen ihn für Momente aus der Gegenwart heraus, während sie ihm zusprechen, unterstützen, ermahnen oder an etwas erinnern. Ein Unterstützer ist sein betrunkener Nachbar aus der frühen Kindheit, der ihn beispielsweise vor georgischen Krankenhäusern warnt. Erinnern wird ihn immer wieder die Kindheitsfreundin Nino. Sie ist immer eine gefährliche Kommentatorin, denn sie trägt ihm etwas nach: Sabas kindlicher Versuch sie zu beschützen, hat sie damals das Leben gekostet.

So hangeln sich Saba und Nodar an Erinnerungsorten, an den hinterlassenen Graffitibotschaften des Bruders, und kryptischen Seiten eines väterlichen Theaterstückes entlang, die immer voller Magie, Literatur und mystischen Bildern sind. Nebenbei tauchen sie ein in die tragische Geschichte Georgiens, seine Kultur und Natur.

Doch irgendwann kommt der Moment, wo die „Brotkrumen“ enden, weil der Bruder selber zum Gejagten wird. Nun muss sich Saba selbstständig seinen schicksalhaften Weg bahnen. Das ist der Augenblick, wenn der Roman zu einem ganz großen Wurf anhebt.

Fazit
Schon der Titel des Romans ist voller märchenhafter Magie, denn er bezieht sich auf den finsteren, bedrohlichen Wald der Gebrüder Grimm, in den Hänsel und Gretel geführt werden, wo die Hexe lauert. Nodar beginnt dieses Märchen mit den Worten „Vor einem großen Walde…“ . Der dunkle, bedrohliche Wald zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch. Der Autor benutzt ihn als Metapher und als Realität. Es ist ein verlorener Ort, der mal Schutz, dann auch wieder Gewalt, Verrat und Tod birgt. Der Ursprung des Bildes der kindermordenden Baba Yaga (Hexe), des Bösen, wird zunehmend klarer und realer.

„Bruder, jeder Wald in Georgien hat seine Hexen, Süßigkeiten, die an Zweigen hängen und Baba-Jaga-Hütten, die auf Hühnerbeinen herumhüpfen." S. 358

Vardiashvilis Sprache ist ungemein poetisch, mit einem außerordentlichen Reichtum an Bildern und Magie. Dazwischen steht herrlich Nodar mit seinem augenzwinkernden, oft schwarzen Humor. Gleichzeitig berührt der Roman durch seine ganz klare Darstellung der bedrückenden Konsequenzen von Krieg, dem Konflikt durch die Aggression Russlands. Dem Autor gelingt es, dass wir das Leid spüren, das Blut fließen sehen.
Ganz speziell sind die Stimmen der Toten, die Saba unablässig begleiten und oft auch quälen.

Vollkommen eingenommen bin ich durch die authentischen Charaktere, die mir sofort ans Herz gewachsen sind. Sogar die imaginären Stimmen in Sabas Bewusstsein sind voll ausgestaltet.

Ich kann sofort Sabas Wunsch nachvollziehen, durch die Spurensuche seine Familie wieder zu komplettieren. Der Vorwärtsschub, der einen durch Tiflis, weitere Städte bis ins Hinterland Georgiens treibt, ist intensiv zu fühlen Finsternis und Verlust sind ständige Begleiter. Sowohl Saba als auch Nodar sind traumatisiert beim Versuch, die verlorenen Teile wieder zusammenzufügen.

Nodar wird ganz unerwartet ein sehr wichtiger Charakter im Handlungsverlauf. Mir gefällt vor allem sein Galgenhumor. Dieser ist sein Versuch, um mit der Tragik seiner Lage umzugehen, um den Mut nicht zu verlieren. Mir kommt es so vor, als könnte diese Art typisch georgisch sein.

Immer wieder scheint die Liebe zu Georgien hindurch. Man erlebt die schönen Seiten der georgischen Kultur (wie z.B. die große Gastfreundschaft trotz eigenem Hunger oder Not). Doch auch die negativen Seiten wie z.B. die Korruption werden offen dargestellt. Man nimmt etwas Wissen über die Geschichte Georgiens mit. Sogar die Überflutung des Zoos von Tiflis und der Ausbruch der Tiere sind tatsächlich passiert (im Jahr 2015).

Mir hat ganz besonders gefallen, dass der Autor Saba nach dem zweiten Drittel des Buches die Verfolgung der „Brotkrumen-Spur“ erlässt. Dadurch bekommt die Handlung noch einmal einen ganz eigenen, berührenden Charakter. Mitzuerleben, wie Saba in den Bergen des Kaukasus die schlimmeren Konsequenzen des Krieges erlebt und wie er emotional damit umgeht, ist herzzerreißend. Der Gegensatz von lustig zu grausam, wird hier immer härter und nimmt einem den Atem, treibt einem schließlich die Tränen in die Augen.

Für mich gehört dieser Roman schon jetzt zu meinen Lese-Highlights dieses Jahres.

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