REZENSION – Als „historischer Thriller“ über die Nachkriegszeit in Berlin angekündigt, durfte man auf das Krimi-Debüt „Pandora. Auf den Trümmern von Berlin“ des in Berlin lebenden Autoren-Duos Liv Amber und Alexander Berg gespannt sein, bieten doch gerade die Nachkriegsjahre vielerlei Ansatzpunkte für einen interessanten Roman um „alte Schuld und neue Sünden“. Doch „Pandora“ ist leider weder historisch interessant noch als Kriminalroman spannend genug. Stattdessen ist die Handlung um den aus dem britischen Exil in seine von Ost-West-Spaltung und sowjetische Blockade gebeutelte Heimatstadt heimgekehrten Hans-Joachim Stein, Kriminalkommissar in der neuen Westberliner Mordinspektion, allzu durchsichtig. Schon nach 100 der knapp 450 Seiten ist der Zusammenhang zweier Mordfälle zu durchschauen. Schnell wird deutlich, dass es um die mangelhafte Aufarbeitung von Euthanasie- und anderer Verbrechen geht, die in den Nachkriegsjahren bekanntermaßen, da viele Nazis in West-Berlin und in der jungen Bundesrepublik wieder in Justiz und Verwaltung eingesetzt waren, von alten NS-Seilschaften gezielt behindert wurde.
Gleich nach Dienstantritt in seinem neuen Job wird Stein die Aufklärung des Mordes an einem stadtbekannten früheren Schwarzmarkthändler und jetzigen Besitzer des Nachtclubs „Pandora“ übertragen. Zufällig findet er auch die Akte eines anderen Mordfalles auf seinem Tisch, bei dem wohl gleich nach Kriegsende fünf junge Frauen aus einer Klinik umgekommen sind. Dass sein Chef, Polizeirat Krüger, alles daran setzt, diese Akte unbedingt verschwinden zu lassen, weckt Steins Misstrauen, weshalb er sich gerade deshalb heimlich auch dieses Falles annimmt. Leider allzu frühzeitig wird dem Leser eine mögliche Verbindung beider Mordfälle offensichtlich.
Erwartet man von einer gebürtigen Schwedin und praktizierenden Anwältin wie Liv Amber als Autorin vielleicht die literarische Kraft eines skandinavischen Thrillers oder wenigstens einen spannenden Justizkrimi, wird der Leser bei „Pandora“ leider enttäuscht. Auch die Co-Autorenschaft des Psychiatrie-Professors und Sachbuch-Autors Alexander Berg hinterlässt in den handelnden Charakteren keine erkennbaren Spuren – im Gegenteil, die Figuren sind nur oberflächlich charakterisiert und verkörpern vielmehr bereits stark abgegriffene Klischees. Da ist natürlich der gute Deutsche in Person des Heimkehrers Hans-Joachim Stein, der „mit unbestechlichem Blick alte und neue Verstrickungen aufdeckt“ und bei seiner Suche nach Wahrheit gegen den „allgegenwärtigen Geist des Nationalsozialismus“ ankämpfen muss, wie es schon im Klappentext heißt. Dann lernen wir seinen Kollegen Max Wuttke kennen, der als typischer Mitläufer natürlich „niemals Nationalsozialist und nie in der Partei“ war, aber seinem Vorgesetzten Krüger in alter Kriegskameradschaft immer noch hörig ist. Und so setzen sich die altbekannten Klischees in anderen Romanfiguren fort. Auch in historischer Sicht bietet der Krimi nichts, was man in anderen Romanen nicht schon besser gelesen hätte.
Alles in allem enttäuscht also der Krimi „Pandora. Auf den Trümmern von Berlin“ – zumindest die älteren, schon erfahrenen Leser – durch die Oberflächlichkeit seiner Figuren, den wenig spannenden, da erwartbaren Handlungsablauf, die Verwendung allzu bekannter Klischees und den auch historisch wenig interessanten Handlungsrahmen. Anders mag das Urteil vielleicht bei jüngeren, in Nachkriegsromanen noch ungeübten Lesern ausfallen. „Pandora“ wurde als Auftakt zu einer historischen Thriller-Reihe angekündigt. Doch ein zweiter Band sollte nach diesem literarisch noch recht bescheidenen Debüt schon einiges mehr an Spannung, historischer Milieu-Beschreibung und Tiefenschärfe seiner Figuren bieten.