Cover-Bild Am Rand der Dächer
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22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: DuMont Buchverlag
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: Heranwachsen
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 272
  • Ersterscheinung: 21.07.2020
  • ISBN: 9783832181116
Lorenz Just

Am Rand der Dächer

Roman
Im großen Berliner Zimmer beginnt die Freundschaft von Andrej und Simon. Dort ritzen sie ihre Initialen ins Holz der Fensterbank und von dort aus begeben sie sich auf den langen Streifzug durch die Straßen ihres Viertels. Während Berlin-Mitte durch den Elan der herbeiströmenden Alteigentümer, Unternehmerinnen, DJs und DJanes, Kunst- und Abenteuerlustigen zu neuem Leben erwacht, gleiten die Kinder auf den Wegen ihrer Jugend an den Rand des Geschehens. Durch verwinkelte Hinterhöfe und den chaotischen Leerstand, in die Sackgasse der Kleinen Hamburger Straße, wo sie den Anfang und das Ende der Besetzung der Nummer 5 beobachten, bis auf die Dächer, auf denen sie fern der Welt ganze Nachmittage verbringen. Als die alten Häuser hinter neuen Fassaden und die Flachdächer unter den Dachterrassen der neuen Bewohner mehr und mehr zu verschwinden beginnen, geraten sie auf immer bedrohlichere Abwege.

In seinem Romandebüt verwebt Lorenz Just das Aufwachsen seiner Figuren mit der rasanten Veränderung, die aus dem Berlin-Mitte der Wende das Berlin-Mitte der Nullerjahre werden ließ. Fernab gefestigter Geschichtsbilder vom wilden Berlin und den Träumen der Selbstverwirklicher erzählt er von jener fragilen Freiheit, die in den Neunzigern eine ganze Generation geprägt hat.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.08.2020

Anarchischen Kindheit im Berlin der Nachwendezeit

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Meine Meinung

"Als wir die letzte Tür öffneten, an die eine kindliche Buntstiftzeichnung geklebt war, fanden wir uns in einem winzigen Zimmer wieder, und da war ein Erschrecken, ein plötzliches Zögern. ...

Meine Meinung

"Als wir die letzte Tür öffneten, an die eine kindliche Buntstiftzeichnung geklebt war, fanden wir uns in einem winzigen Zimmer wieder, und da war ein Erschrecken, ein plötzliches Zögern. Wir witterten das Kind, meinten, seine Träume zu spüren, seine ängstlichen Nachtgedanken, als es uns durch die Wohnung hatte tappen hören und es die Wärme des Bettes, die Nähe der Eltern, dieses vermeintlich sichere Zuhause vergaß, in das wir wie böse Schatten eingedrungen waren. " (ZITAT)

Das Buch beginnt sehr harmlos auf einem Spielplatz, mit Simon's Gipsarm und der dazugehörenden Geschichte über eine Boa. Andrej erinnert sich an seine Kindheit, erzählt von seinen Freunden, seiner Familie, von der Zeit, wie sie durch Berlin gezogen sind.

Während Berlin-Mitte durch den Elan der herbeiströmenden Alteigentümer, Unternehmerinnen, DJs und DJanes, Kunst- und Abenteuerlustigen zu neuem Leben erwacht, gleiten die Kinder auf den Wegen ihrer Jugend an den Rand des Geschehens. Durch verwinkelte Hinterhöfe und den chaotischen Leerstand, in die Sackgasse der Kleinen Ham­burger Straße, wo sie den Anfang und das Ende der Besetzung der Nr. 5 beobachten, bis auf die Dächer, auf denen sie fern der Welt ganze Nachmittage verbringen. Als die alten Häuser hinter neuen Fassaden und die Flachdächer unter den Dachterrassen der neuen Bewohner mehr und mehr zu verschwinden beginnen, geraten sie auf immer bedrohlichere Abwege.

"Die Dachpappe unter uns war beruhigend schwarz. Hätte mich jemand in diesem Augenblick gefragt, ich hätte schwören können, dass wir uns exakt auf Höhe des Meeresspiegels befanden. Die Welt wich von uns ab und hetzte allem und nichts hinterher, aber in meinem Kopf herrschte verheissungsvolle Klarheit." (ZITAT)

Mir hat das Buch, vor allem die Schilderung aus der Kinderperspektive, sehr gut gefallen. Just's Schreibstil war von Beginn an flüssig, ergreifend und authentisch.

Die Schilderungen an das Berlin der 90er sind anders und vielleicht konnte mich auch genau deshalb auch das Buch so faszinieren.

Das auffällige verspielte Cover gefällt mir sehr gut und passt absolut gut zur Story.

Lorenz Just, geboren 1983 in Halle an der Saale, zog 1988 mit seiner Familie nach Berlin und wuchs dort auf. Nach seinem Islamwissenschaftstudium in Halle und verschiedenen Auslandsaufenthalten studierte er von 2011 bis 2015 am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Er lebt in Berlin.

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Veröffentlicht am 22.07.2020

Lorenz Just - Am Rand der Dächer

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1990er Jahre in Berlin. Andrej wächst mit seinen beiden Brüdern und den Eltern in einer Ost-Berliner Altbauwohnung auf. Gemeinsam mit seinem Freund Simon streif der Junge durch das Viertel und beobachtet ...

1990er Jahre in Berlin. Andrej wächst mit seinen beiden Brüdern und den Eltern in einer Ost-Berliner Altbauwohnung auf. Gemeinsam mit seinem Freund Simon streif der Junge durch das Viertel und beobachtet die Veränderungen, die mit der Wende langsam auf bei ihnen ankommen. Häuser stehen leer, Menschen sind einfach gegangen und haben alles so stehen und liegen lassen, wie es gerade war. Dafür kommen jetzt Besetzer, die sich dort einrichten als sei dies das Natürlichste der Welt. Die Jungen werden älter und mutiger, die abendlichen und nächtlichen Streifzüge werden zu Einbrüchen, bei denen sie auch erfahren, dass das Leben in den heimischen vier Wänden ganz anders aussehen kann. Erste Liebe und große Träume. Amerika, das Sehnsuchtsland, aber weniger konkrete Vorstellungen denn mehr Phantasien, ein Land, das sie sich in ihren Gedanken erschaffen. Die Tage, Monate, Jahre fließen gleichförmig dahin und lassen sich bald schon nicht mehr unterscheiden.

Lorenz Just schildert in seinem Debütroman eine recht typische coming-of-age-Geschichte der 1990er Jahre. Die Eltern durch die großen Umwälzungen im Land selbst überfordert und mit sich beschäftigt, tauchen nur am Rande auf. Als die Kinder noch klein sind, gibt es noch die Angst, dass sie einfach verschwinden und in das andere Land gehen könnten, wie so viele andere, dann aber werden sie zunehmend unbedeutend für die Entwicklung. Die Freundschaften sind es, die Andrej und seinen Bruder Anton prägen, sowie der Traum von dem unbekannten Land, der sie immer weiter von den Eltern entfremdet, wie dies ohnehin in diesem Alter der Fall ist.

„Amerika blieb ein Phantom, das sich ewig entzog. Auf Breakdance und BMX folgte ein jämmerlicher Versuch, Graffiti zu sprühen. (...) Unser Amerika, dem wir mit Basketball, zu groß gekaufter Kleidung und Musik näher zu kommen versuchten, war eher der Modus, den wir uns erwählt hatten, um wir selbst zu bleiben.“

Ein Lebensgefühl von Freiheit einerseits, die jedoch auf die wenigen Straßen um die elterliche Wohnung begrenzt bleibt. Die Sehnsucht nach echter Freiheit, die sich in dem diffusen Traum von Amerika und der Hoffnung auf ein Austauschjahr dort scheinbar realisiert. So intensiv die Zeit erlebt wurde, so wenig ist jedoch von ihr hängengeblieben. Einzelne Episoden, darüber hinaus nur mehr ein nicht greifbares Gefühl, das jedoch immer geprägt war von einer großen Ich-Bezogenheit.

Rückblickend stellt der Erzähler fest, dass er quasi nichts von vielen Freunden wusste, obwohl sie Stunden täglich miteinander verbrachten; dass ihn die Magersucht der eigenen Freundin völlig überrascht hat, als wenn diese aus dem nichts auftauchen habe können; dass eine gespielte Coolness sie daran hinderte über das zu reden, was wichtig gewesen wäre. Ein recht resigniertes Fazit, das jedoch für mein Empfinden zu hart ist. Die Teenagerzeit ist nun einmal so, es ist nicht die Zeit, in der Jungs über Gefühle reden oder ihre Träume hinterfragen würden.

Genau hier liegt für mich die Stärke des Romans, er wirkt unglaublich authentisch und ist nah bei den Figuren. Trotz der rückblickenden Distanz des Erzählers urteilt er nicht über sie, sondern lässt sie genau das sein, was sie sind und das hat der Autor hervorragend eingefangen. Der Roman ist nicht urkomisch, wie es Wolfgang Herrndorfs „Tschick“ bisweilen ist, auch nicht so traurig wie Carmen Buttjers Roman „Levi“, der eine ähnliche Geschichte erzählt. Es ist die Geschichte eines Jungen, der in einer Blase lebt, einer Zeit, die es so nie mehr geben wird und die er auch nie mehr erleben kann, die intensiv war, aber von der vieles nur noch bruchstückhaft in Erinnerung geblieben ist – genauso ist es, das Leben. Aber immerhin kann man über literarische Leben nochmals in diese Zeit der Sorglosigkeit und des Glaubens an die eigenen unbegrenzten Möglichkeiten eintauchen und das ermöglicht einem Lorenz Just auf ganz eindrucksvolle Weise.

Veröffentlicht am 22.10.2020

Coming-of-Age zur Wendezeit

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Lorenz Just nimmt Leserinnen mit ins Berlin der Wendezeit bis hin zum neuen Jahrtausend. Man trifft auf drei Jungs, die Freunde Andrej, seinen Bruder Anton und seinen besten Freund Simon, die ihren Weg ...

Lorenz Just nimmt Leserinnen mit ins Berlin der Wendezeit bis hin zum neuen Jahrtausend. Man trifft auf drei Jungs, die Freunde Andrej, seinen Bruder Anton und seinen besten Freund Simon, die ihren Weg suchen in einer Zeit des Um- und Aufbruchs, aber auch des Abstieges. Zwei Freunde, die durch Dick und Dünn gehen, heranwachsen, auf Abwege geraten und dunkle Hinterhöfe, besondere Menschen, die Dächer Berlins und sich selber kennenlernen.

“Am Rand der Dächer” ist ein Coming-of-Age-Roman, Schauplatz der Geschichte ist das Berlin von der Wendezeit bis zum Jahrtausendwechsel. Die drei Jungs, die den Mittelpunkt des Romans bilden, Andrej und sein Bruder Anton, sowie Simon, erleben Leser
innen in ihrer Jugendzeit, das Heranwachsen, sich ausprobieren, Grenzen überschreiten und die Suche nach der eigenen Identität. Aus geordneten Verhältnissen stammend stromern sie hinaus die Welt, die sich um sie herum neu ordnet, eine Zeit des Um- und Aufbruchs, eine Zeit der Reise in eine neue, andere Zukunft, der Chancen und Möglichkeiten, positiv, wie negativ.
Ort und Zeit spielten für mich gefühlt eine eher untergeordnete Rolle, vordergründig befasste sich die Ich-Erzählung von Andrej, rückblickend auf seine Jugendzeit, mit der Freundschaft zu Simon und deren gemeinsamen Erlebnisse.

Die Sprache des Autors empfand ich teils als etwas unausgewogen, zwar poetisch und zwischenzeitlich auch märchenhaft, es gibt viele gelungene Metaphern und Vergleiche, u.a. zu Inhalten von Michael Endes Romanen, aber stellenweisen fabuliert der Autor für meine Begriffe zu ausufernd, nicht unbedingt störend, dennoch empfand ich Längen, welche meinen Lesefluss beeinträchtigten. Was ihm in meinen Augen gelungen ist, ist, dass er die Stimmung, melancholisch und dicht, durchgängig aufrecht hält und Andrej’s Erinnerung und Erzählung seiner Jugendzeit somit authentisch wirkt.

Ein Coming-of-Age-Roman, Kinder der 90’er in Berlin. Für Leser*innen, die explizit eine Schilderung einer Jugend während der Wendezeit als Mittelpunkt wünschen nicht geeignet, wer jedoch eine Erzählung über das Heranwachsen dreier Jungs mit interessanter, eigener, teils poetischer Sprache sucht , dem ist dieses Buch zu empfehlen.

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Veröffentlicht am 19.09.2020

Zwischenzeit

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Andrej, sein Bruder Anton und sein Freund Simon wachsen in der Zeit dazwischen im Berlin dazwischen auf. Was bedeutet: Zwischen Wende und einer Festigung Deutschlands nach der Vereinigung und zwar in Berlin ...

Andrej, sein Bruder Anton und sein Freund Simon wachsen in der Zeit dazwischen im Berlin dazwischen auf. Was bedeutet: Zwischen Wende und einer Festigung Deutschlands nach der Vereinigung und zwar in Berlin Ost, aber doch direkt hinter der ehemaligen Grenze - dort, wo es jetzt wirr ist, wo Neues entsteht, wieder verschwindet und offenbar niemand sich selber findet.

Ich war sehr neugierig auf dieses Buch - ich war in diesen frühen Jahren der Wiedervereinigung häufig in Berlin und habe die Aufbruchstimmung gespürt. Und manchmal genossen. Obwohl deutlich älter und auch gesetzter als die Jungs hatte ich gelegentlich das Gefühl, alles sei möglich. Auch für mich, die ich nur als Gast aus dem Westen dort war.

Ich habe darauf gehofft, diese Stimmung, der nicht nur ich damals erlag, wiederzufinden während der Lektüre dieses Buches, aber ich fand mich in einem Chaos wieder, das mich kaum bis gar nicht berührte. Die Jungs treiben ziellos durch die Stadt, durchstreifen Bauschutt, erproben sich als Schützen mit polnischen Waffen - naja, das war für mich nur mäßig spannend. Ein sehr vager Roman, in dem - zumindest aus meiner Sicht - so gar keine Atmosphäre transportiert wurde. Zu schade - ich hätte mich in dieser so spannenden Zeit so gern wiedergefunden!