Ein Buch, das definitiv zum Nachdenken anregt
Inhalt:
Emma liebt es, wenn ihr alle sagen, wie hübsch sie ist und wenn sie mal nicht im Mittelpunkt steht, dann drängt sie sich irgendwie hinein. So auch auf Seans Party, als sie mit Paul rummacht und ...
Inhalt:
Emma liebt es, wenn ihr alle sagen, wie hübsch sie ist und wenn sie mal nicht im Mittelpunkt steht, dann drängt sie sich irgendwie hinein. So auch auf Seans Party, als sie mit Paul rummacht und sich Pillen einwirft.
Doch was dann passiert, bringt Emma eine Aufmerksamkeit, die sie sicher nicht gewollt hat. Plötzlich tauchen auf Facebook nämlich Fotos von ihr auf und sie soll auf der Party nicht nur mit Paul, sondern mit mehreren Jungs gleichzeitig im Schlafzimmer verschwunden sein. Doch wieso kann die junge Frau sich nicht mehr daran erinnern und ist sie nicht selbst schuld an allem, was da passiert ist?
Meine Meinung:
Das Buch beginnt ein paar Tage vor der Party und man lernt Emma kennen, aus deren Sicht das Buch geschrieben ist. Sehr spannend finde ich dabei, dass die Autorin Louise O’Neill hier kein Mädchen erschafft, das von Grund auf gut ist und sich alle Sympathien sichert. Im Gegenteil, ich muss sagen, ich mochte Emma eigentlich überhaupt nicht. Sie drängt sich ständig in den Mittelpunkt und macht ihre Freundinnen schlecht, um selbst besser dazustehen. Dabei möchte sie immerzu hören, wie hübsch sie ist. Ehrlich gesagt fand ich sie ziemlich arrogant und kein bisschen sympathisch. Vielleicht ist das aber genau so von der Autorin gewollt, denn trotz aller Fehler die Emma hat: NIEMAND, absolut NIEMAND hat es verdient so behandelt zu werden, wie es der jungen Frau passiert.
Ich war vollkommen entsetzt, was dem Mädchen wiederfährt und obwohl ich die Protagonistin nicht wirklich mochte, habe ich zu keinem Zeitpunkt gedacht, dass sie selbst schuld ist oder es ihr zurecht passiert ist. Doch genau so denken ihre Klassenkameraden, viele Leute aus ihrer Ortschaft und sogar so manche Freundin. Da fragt man sich wirklich, was Emma noch alles durchmachen muss. Die Autorin Louise O’Neill nimmt dabei kein Blatt vor den Mund, sondern schildert authentisch und schonungslos, dass die Vergewaltigung erst der Anfang des ganzen Martyriums ist. Gerade bei diesem Thema finde ich es wichtig, nichts zu beschönigen und deshalb habe ich großen Respekt vor der Leistung der Autorin.
Ebenfalls sehr authentisch schildert Louise O’Neill, wie die Familie und Freunde von Emma auf das reagieren, was ihr passiert. Von Schuldzuweisungen, über Hilflosigkeit bis hin zu Hilfsangeboten ist alles dabei. Natürlich hatte ich Mitleid mit Emma und wünschte mir, dass sie Gerechtigkeit erfährt, aber genauso viel Mitgefühl hatte ich mit den Leuten, die es gut mit Emma meinten und doch immer wieder weggestoßen wurden. Man darf nicht vergessen, dass auch die Angehörigen von Emma unter der Situation leiden. Nicht nur das Leben der Protagonistin ändert sich, sondern auch deren Leben. Nicht jede Reaktion kann man verstehen und nachvollziehen, aber ich denke, das muss man auch nicht. Es geht meiner Meinung nach eher darum aufzuzeigen, was alles passieren KÖNNTE, wie die Umwelt auf so eine Tat reagiert. Dabei zeigt die Autorin meiner Meinung nach auch deutlich die Missstände auf, die immer noch in unserer Gesellschaft herrschen. Opfer werden plötzlich zu Tätern, sind schlimmstem Mobbing ausgesetzt, müssen mit Ausgrenzung und Beschimpfung kämpfen und häufig wird ihnen einfach nicht geglaubt. Ich finde es sehr wichtig, dass Louise O’Neill dieses Thema anspricht, denn genau diese Umstände sind es doch, die dazu führen, dass nur eine sehr geringe Anzahl der Taten wirklich zur Anzeige und später zur Verhandlung kommen. Es muss endlich ein Umdenken geben, das die Opfer schützt und unterstützt, was sicher eine der wichtigsten Aussagen dieses Buches ist.
Das Ende hätte ich mir persönlich anders gewünscht, aber es passt perfekt zu Emma und ihrer Geschichte und die Erklärung der Autorin im Nachwort macht es noch einmal deutlicher, wieso das Buch nur so enden konnte. Sicher gibt es viele Leser, die mit dem Ende gar nicht zurecht kommen und auch ich selbst musste lange darüber nachdenken, doch leider ist es sehr authentisch und oftmals die harte Realität, deswegen ist es meiner Meinung nach richtig gewählt. Ich denke, dieses Buch ist nicht dazu gemacht, Opfern solcher Taten Mut zu machen, sondern eher dafür, dass die Menschen nachdenken, reflektieren, dass Missstände aufgezeigt und Diskussionen angeregt werden. Mich hat es jedenfalls sehr beschäftigt und dafür möchte ich der Autorin danken.
Etwas Schwierigkeiten hatte ich anfangs jedoch mit dem Schreibstil. Ich fand ihn ehrlich gesagt etwas chaotisch. Manche Szenen enden plötzlich, ohne, dass das optisch ersichtlich wäre. Oder man findet sich in der Vergangenheit wieder, taucht in Emmas Erinnerungen ein und ist dann auch sofort wieder in der Gegenwart, ohne, jegliche Vorwarnung. Gedanken der Protagonistin werden in Klammern geschrieben und mitten in den Text geworfen. Ich brauchte eine zeitlang, bis ich den Schreibstil für mich sortiert hatte und mich darauf einlassen konnte. Nach einigen Kapiteln hatte ich mich jedoch daran gewöhnt und konnte besser in die Geschichte eintauchen.
Fazit:
„Du wolltest es doch“ ist keine leichte Kost, aber es gehört sicher zu den Büchern, die einen nicht mehr los lassen. Mich hat es nach dem Lesen noch lange beschäftigt und ja, auch aufgewühlt. Emmas Geschichte zeigt, dass sich in unserer Gesellschaft dringend etwas ändern muss. Die Opfer werden plötzlich zu Tätern und erleben auch nach der Vergewaltigung noch ein nicht enden wollendes Martyrium. Und doch wünsche ich mir, dass mehr den Mut aufbringen, sich ihren Peinigern entgegenzustellen und dass sie Gerechtigkeit erfahren, ohne sich dafür schämen zu müssen. Denn wenn sich jemand schämen muss, dann die Täter! Louise O’Neill macht mit ihrem Buch einen Schritt in diese Richtung und hat dafür die volle Punktzahl verdient.
Von mir bekommt das Buch 5 Punkte von 5.