"Jeder Tag bedeutet vierundzwanzig neue Stunden. Jeder Tag bedeutet, dass alles möglich ist. Man lebt sein Leben einen Tag nach dem anderen. [...] Und man versucht immer, auf die Sonnenseite zu gelangen. Ins Licht."
[S. 363]
Erster Satz:
Meine Mutter glaubt, dass ich tot bin.
Inhalt:
Day und June. Ein Junge, ein Mädchen, getrennt durch ihre Ansicht auf die Republik.
Während June hinter dem System ihres Landes steht und nichts sehnlicher anstrebt, als für eben dieses ausgebildet zu werden, lässt Day, welcher auf der Straße lebt, keine Gelegenheit offen, der Republik zu schaden. Er will Rache, für jenes, was sie ihm angetan haben: Deshalb sabotiert und klaut er, immer darauf bemüht im Verborgenen zu bleiben, denn seine Taten machen ihn zum meistgesuchten Verbrecher des Landes.
Bisher hat es niemand geschafft ihn zu schnappen, seine Fährte zu finden und ihn den erachteten Strafen zu unterziehen.
Doch eine schicksalhafte Nacht, soll sein Leben und jenes von June, miteinander verstricken. Denn nun sollen beide vereint werden, durch ein Gefühl: Rache. Als einer junger Soldat, der Bruder von June, bei einem Vorfall ums Leben kommt und alle Indizien auf Day als Täter hinweisen, macht sich June auf die Suche: Sie will Vergeltung, sie will dem Jungen in die Augen blicken, der ihr alles nahm.
Doch ist wirklich alles so, wie es scheint? Oder verlaufen sich die Straßen der Hauptsatdt zu einem Schachbrett, auf dessen glatten Oberfläche auch June, nur eine Spielfigur ist?
Idee/ Umsetzung:
Legend - In welchem sich jeder Buchstabe zur Legende formt und Unsterblichkeit erlangt. Manche Bücher eillen ihrem eigentlichen Inhalt voraus, so auch dieses Werk. Schon ehe ich den schlichten, aber doch ansprechenden Buchdeckel im Buchladen erstöberte, erfüllte lautes Getuschel mein Ohr. Die Rede war von einem neuen Werk, welches viele Leserherzen erstürmen konnte. Direkt war meine Neugierde geweckt. Ich suchte, las mich durch verschiedene Seiten, sowie Rezensionen und blieb am Ende doch, wider jeder Erwartung, relativ ernüchtert zurück. Ich fragte mich: Kann "Legend" sich einen Platz der Unsterblichkeit sichern, in einem Meer aus Dystopien, die alle kläglich versuchen, in den sicheren Hafen zu treiben? Die Antwort erwartete mich schon nach den ersten Seiten: Und ob es jenes kann!
Marie Lu hat hier ein ganz überzeugendes Werk geschaffen, welches auch, neben kleinen Schwächen, durchaus standhaft bleiben kann. Starke Charakter, eine gelungene und tückische Idee, voller Geheimnisse und Überraschungen, sowie ein spannungsgeladener Schreibstil, katapultieren die Leser dieser Lektüre in ein Land, geprägt durch äußerst fragwürdige Regierungsformen.
Was de Idee dabei so besonders macht, ist gerade die Tatsache, dass diese Dystopie gar nicht so fern und unrealistisch erscheint. Gerade durch eine gewisse bodenständigkeit, hält Marie Lu, den Schrecken ihrer Leser aufrecht und sorgt so, für Nervenkitzel pur!
Schreibstil:
Rückblickend kann ich mich nicht daran erinnern, durch den Schreibstil ins Stolpern geraten zu sein. Marie Lu schreibt angenehm, flüssig und hat diese Magie in ihren Worten, die nicht jeder Autor in seine Geschichte zaubern kann: Nämlich einen Strudel aus Spannung, Irrungen, Wirrungen und Schockierungen zu erschaffen. So formt sich dieser fallende Himmel, ganz schnell zu einem regelrechten Sog, welcher Zeit verschluckt, die realen Umgebungen ins schwarze Licht taucht und Müdigkeit vertreibt. Kurz und knapp: Definitiv kein besonders poetischer, aber dafür umso mitreißender Schreibstil, welcher vermag, Leserherzen einzufangen.
Charaktere:
June, wie auch Day sind besonders starke Figuren. Gerade jenes hat mir unglaublich gut an Beiden gefallen. Sie scheinen auf der gleichen Ebene zu stehen und dann auch irgendwie wieder nicht.
Beide sind sehr intelligent, einfühlsam, haben Persönlichkeit und zeichnen sich durch ihren Glauben an das Leben und ihre Hoffnung für die Zukunft aus. Auch wenn sie zunächst durch ganz andere Motive angetrieben werden und man als Leser, durch den Perspektivwechsel von June und Day, schnell einen Sinn für Richtig und Falsch bekommt, kann man gar nicht anders, als das leicht naive, aber sehr warmherzige Mädchen und den misstrauischen, wie auch mutigen Jungen, direkt ins Herz zu schließen.
June und Day stellen einen angenehmen Kontrast zu vielen anderen Buchpaaren dar, die gerade durch ein gewisses Ungleichgewicht ihrer Charakter ausgeprägt sind. Deshalb ist es in "Legend" sehr erfrischend, dass sich hier ebenbürtige Figuren begegnen, die ein sehr harmonisches Paar bilden und dieses Werk auf gewisse Weise abrunden.
Aber auch die Nebenfiguren passen gut in das Gesamtbild der Lektüre und verleihen der Handlung ihre zusätzliche Spannung - Denn nichts ist, wie es scheint und ALLES ist möglich.
Cover/ Innengestaltung:
Das Cover der deutschen Ausgabe gefällt mir sehr gut. Es ist schlicht, aber doch irgendwie besonders, spiegelt einen Teil des Inhaltes wieder, jedoch auch nicht zu viel.
Angetan hat es mir aber dieser schneeweiße Umhang, welcher mich an eine Szene aus der Geschichte erinnert. Ob es nun gewollt war oder nicht, weiß ich nicht. Aber im Buch steht Weiß, als Farbe für Trauer. Anders als bei uns, trägt man zur Bekundund seines Schmerzes nicht Schwarz, sondern Weiß. Deshalb steht gerade diese Farbe, in meinen Augen, für das ganze Werk.
Die Innengestaltung passt sich der schlichten Verpackung an: Die Namen der beiden Protagonisten, leiten im Wechsel, die einzelnen Abschnitte ein.
Fazit:
Legenden fallen nicht vom Himmel. Legenden kommen nicht als solche zur Welt. Legenden sind nicht immer, gleich als solche erkennbar. Doch manchmal fällt mit ihrer Erkennung der Himmel, erschüttert die Welt, stellt alles auf den Kopf und sorgt für eine neue Zeit: Den Aufbruch.
Legend ist ein solcher Aufbruch und stellt lediglich das erste Puzzleteil einer neuen Trilogie, die noch sehr viel Potential in sich hat, selbst zur Legende zu werden. Um auf meine Ausgangsfrage zurückzukehren: Es stimmt, was sich die Leute leise zuflüstern, wenn sie denken, dass niemand sie hört - Dieses Buch ist außergewöhnlich und nimmt seine Leser bei der Hand, zieht sie mit in die Gassen der Republik, zeigt ihnen das Leid der Armen, die Häuser der Reichen, stößt sie mit der Nase auf Konflikte und reißt in einen Spannungsstrom der Extraklasse! Dabei verliert diese Lektüre nie seine Bodenständigkeit, welches die Buchkulisse als mögliche Realität, auch unserer Welt, erscheinen lässt.
Langsam aber sicher entwickelt sich die Handlung zum Pulverfass, welches nur darauf wartet, in den Folgebänden, den hoffentlich, nötigen Funken zu erlangen, erneut zu schockieren, fesseln und letzlich zu explodieren.