Es gibt Bücher, bei denen ich nur den Buchdeckel betrachten muss, um zu erkennen, ob der Inhalt nach meinem Geschmack ist. Bei „Der lange Weg zu dir“ von Emilia Dziubak und Martin Widmark war es genauso. Zugegeben: Ich bin ein großer Fan der Illustratorin, jedoch war es dieses Mal nicht ihre Zeichnung allein, die mich für das Buch eingenommen hat. Vielmehr war es die Situation, die das Cover ziert und das Thema der Geschichte umschreibt: Ein zotteliger Hund und ein Junge liegen dicht beisammen auf einer Wiese. Die Stimmung, die diese Zeichnung zum Betrachter transportiert ist jedoch keine fröhliche. Vielmehr sehen beide durch ihre Haltung und ihre Mimik traurig, ja sogar leidend aus. Beide sind sich nah und dennoch sieht es nach Abschied aus. Trotz des Schmerzes, den diese Illustration vermittelt, herrscht gleichzeitig eine Ruhe zwischen beiden Figuren – diese Situation bedarf keiner Worte und beide brauchen sie auch nicht. Ich musste unbedingt erfahren, was es mit dem Jungen und dem Hund auf sich hat, und nahm das Buch zur Hand.
Eine Reise ins Ungewisse
Vom Buchdeckel eingestimmt, wurde ich zu Beginn dann auch an die umschriebene Situation herangeführt. Adam lebt zusammen mit seinem besten Freund Rufus, der schon sehr alt ist. Eines Tages stirbt sein bester Freund und Adam versinkt in einer tief greifenden Trauer. Auf der anderen Seite des Meeres lebt Sonia mit Katze Mietzi kein leichtes Leben. Während Hund Rufus seinen letzten Atemzug tätigt, läuft Katze Mietzi los, als hätte sie es gespürt. Im Schlepptau hat sie ihre beste Freundin Sonia, die ihr blind folgt. Ihre Reise ins Ungewisse verlangt beiden einiges ab und sie durchleben Höhen und Tiefen. Währenddessen ist Adam so in seiner Trauer versunken, dass er nichts mehr essen mag. Er wird schwächer und schwächer.
Dass Katze Mietzi sich auf den Weg zu dem trauernden Adam macht, ahnt der Leser nach relativ kurzer Zeit. Dennoch ist die Reise zu ihm sehr eindrucksvoll und interessant. Denn Sonia und Mietzi treffen dort auf viele abenteuerliche Hindernisse und erleben nicht immer nur schöne Momente. Doch eines wird sehr deutlich- sie haben einander und nur das zählt. Zwischenzeitlich gibt es immer kurze Sequenzen, in denen beschrieben wird, wie die Trauer an Adam nagt und man hofft, dass Mietzi und Sonia rechtzeitig ihren Weg zu ihm finden.
Manchmal muss man einen guten Freund gehen lassen
Einen geliebten Freund zu verlieren ist für keinen leicht. Das mussten wir vor über einem Jahr schmerzlich erfahren. Als Eltern macht man sich schon viele Gedanken, wie man ein Kind in die Trauer mit einbezieht. Eines haben wir daraus gelernt – das ein Kind von knapp 3 Jahren mehr durchblickt, als man sich denkt. Heute sind wir froh, dass wir unseren Sohn sanft an dieses Thema herangeführt haben und zugelassen haben, dass er auf seine Weise trauert. Viele Eltern sind jedoch unsicher und umso wichtiger sind Bücher wie „Der lange Weg zu dir“. Denn diese Geschichte nähert sich dem Thema Trauer auf behutsame Weise und macht deutlich, dass man Zeit braucht, um einen Freund gehen zu lassen.
Ein Ende kann auch ein Neubeginn sein
Jedoch wird in diesem Bilderbuch nicht nur über das Thema Trauer und die Sehnsucht nach einem verlorenen Freund berichtet. Deutlich im Mittelpunkt stehen die Freundschaft zwischen Mensch und Tier und zwischenmenschliche Beziehungen. Das Schöne an den Geschichten von Emilia Dziubak und Martin Widmark ist, dass sie kleine Momente oder kleine Ereignisse in die Handlung einbauen, die wieder etwas Licht und Glück zurückzubringen. Auch das Ende dieser Geschichte bietet die hoffnungsvolle Aussicht auf einen Neubeginn.
Wer bisher noch nicht überzeugt ist, sollte sich die kunstvollen Illustrationen von Emilia Dzuibak ansehen. In ihren imposanten und sehr atmosphärischen Zeichnungen, mit gewählt kraftvollen Farben, verliert man sich buchstäblich.
„Der lange Weg zu dir“ von Emilia Dziubak und Martin Widmark ist ein bezaubernd schönes und eindrucksvolles Bilderbuch und eine wunderbare Möglichkeit Kindern das Thema Trauer ein wenig näher zu bringen.
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