1943 Frankreich. Mitten im Zweiten Weltkrieg entscheidet sich die aus dem amerikanischen Oregon stammende Quäkerin Grace Tonquin, sich als Fluchthelferin zu engagieren, um mit Hilfe von Roland möglichst viele jüdische Kinder von Frankreich nach Spanien zu bringen und vor den Nazis zu retten. Während dieser Zeit und all der Gefahren verlieben sich Grace und Roland und gründen später mit den geretteten Geschwistern Marguerite und Elias in Oregon eine Familie, die sich nach dem Krieg einigen Herausforderungen stellen muss…
2003 Oregon. 60 Jahre später sucht die schwangere Addie Holt verzweifelt einen Knochenmarkspender für ihren schwerkranken Pflegevater Charlie. Die Suche nach Verwandten gestaltet sich schwierig, weil Charlie dabei keine große Hilfe ist. Aber nach und nach glückt es Addie, die geheimnisvolle Familiengeschichte Charlies aufzudecken und deren Spuren zu finden…
Melanie Dobson hat mit „Wo die Winterrose blüht“ einen gefühlvollen Roman vorgelegt, der gut zu unterhalten weiß. Der flüssige, farbenfrohe und empathische Schreibstil der Autorin lässt den Leser über wechselnde Zeitebenen in eine komplexe Familiengeschichte eintauchen, die sich erst nach und nach wie ein Puzzle entfaltet und sein ganzes Bild preisgibt. Während die eine Zeitebene die Vergangenheit von Grace im Jahr 1943 präsentiert, erlebt der Leser in der anderen die Suche von Addie im Jahr 2003. Grace‘ mutiger Einsatz während des Krieges zeigt einmal mehr auf die vielen helfenden und mitfühlenden Hände, die im Verborgenen so viel bewirkt und Leben gerettet haben. Sie ist tief verwurzelt in ihrem Glauben und schöpft daraus die Kraft für die Sicherung der Kinder. Auch Addie ist tief in ihrem Glauben verankert und gibt die Hoffnung nicht auf, ihren Pflegevater irgendwie retten zu können. Ihre verbissene Recherche bringt Erkenntnisse zum Vorschein, die auch für Addie eine große Überraschung sind und sie Charlie so von einer ganz neuen Seite kennenlernt. Die Zeitenwechsel greifen gut ineinander und tragen zur Steigerung der Spannung bei. Allerdings hat die Geschichte auch einige Längen, dazu erscheinen manche Dinge einfach nicht plausibel oder wurden völlig unnötig in die Handlung eingebracht, um dann für die eigentliche Geschichte keinen Nutzen zu bringen. Der christliche Aspekt wurde jedoch sehr gut eingewebt, geht es doch um Schuld und Vergebung, Gottvertrauen und Hoffnung.
Die Charaktere wurden mit menschlichen Eigenschaften ausgestattet und lebendig in Szene gesetzt, jedoch kommen sie dem Leser trotz aller Emotionalität der Geschichte nicht nah genug. So muss sich dieser als Zaungast begnügen, der die Szenerie beobachtet. Grace ist eine Frau, die aus ihrem Glauben Kraft und Mut schöpft. Sie hat ein großes Herz, ist mitfühlend, hilfsbereit und liebevoll. Charlie lässt sich schon lange von seiner Schuld beherrschen, die ihn nicht nur verzweifeln, sondern auch aufgeben lässt. Addie ist wie ein Pitbull, sie verbeißt sich in ihr Vorhaben, lässt sich von Niederschlägen nicht aufhalten und kämpft sich wie eine Löwin immer weiter. Zusätzlich spielen auch Roland, Marguerite, Lois und Grace‘ Mutter Ruby wichtige Rollen in dieser komplexen Geschichte.
„Wo die Winterrose blüht“ ist ein unterhaltsamer Roman über zwei Zeitebenen und überzeugt durch seine Mischung aus Familiengeschichte, historischem Hintergrund, Geheimnissen und Verwicklungen, deren Emotionalität den Leser ein ums andere Mal trifft. Verdiente Leseempfehlung mit einigen Abstrichen!