Eine herzliche Leseempfehlung für dieses zarte Buch
Schreibstil und Handlung:
Diese leise und zart erzählte Parabel über das Leben und die Liebe stimmt melancholisch und lädt zum Reflektieren über das eigene Selbst ein. Wie die Pflanzen im Garten blühen ...
Schreibstil und Handlung:
Diese leise und zart erzählte Parabel über das Leben und die Liebe stimmt melancholisch und lädt zum Reflektieren über das eigene Selbst ein. Wie die Pflanzen im Garten blühen und wieder welken, ist es auch im Leben und der Liebe der Fall und so erstaunt es nicht, dass ausgerechnet beim Gärtner eines grossen Anwesens alle Fäden des täglichen Lebens der Angestellten und der schönen jungen Besitzer Rosamaria und Francesc zusammenlaufen.
Der Gärtner, ein aufmerksam beobachtender Ich-Erzähler, ist es nämlich, der jedes Ereignis - wenn auch aus der Ferne und sich nicht immer genau erinnernd - betrachtet, in sich aufnimmt und ein Stück mit sich mitträgt. Er versteht vieles und rätselt um die Deutung dessen, was Fragen aufwirft und er begegnet der Natur und den Menschen um sich herum mit einer Ehrfurcht und einem Respekt, die sehr für seinen liebenswerten, angenehmen Charakter sprechen. Diese einfühlsame Art ist es, welche die Menschen dazu bringt, ihn in ihre Geheimnisse einzuweihen und gerade deshalb weiss er fast immer, was im Hause vor sich geht und erkennt aus seiner Perspektive schnell die ersten Risse und Unregelmässigkeiten in der Fassade von Schönheit und Reichtum. Fast stoisch, aber auf jeden Fall sehr duldsam, pflegt er den Garten des Anwesens und verzweifelt auch dann nicht, wenn die Herrschaften die Beete wieder einmal in einer wilden Partynacht zerstört haben. Er pflanzt neu, pflegt, schneidet und bindet Blumensträusse und nicht nur der Garten gedeiht und vergeht, auch das Meer trägt die Geheimnisse, Sorgen, Nöte und den Schmerz der Menschen mit sich und wenn es am Abend dunkel wird, ist es die Brandung, schwarz wie die Nacht, welche jedes Geräusch schluckt, aber unter der Oberfläche stets weiderbrodelt.
Meine Meinung:
Selten hat mich ein Buch so sehr in eine andere Gefühlslage versetzt und mich noch lange in dieser verweilen lassen, wie "Der Garten über dem Meer". Es hat mich begeistert, wie ruhig die Erzählung dahingeplätschert ist und dass ich auf ein wenig mehr als zweihundert Seiten die Ereignisse aus sechs Sommern und so vielen Leben erfahren durfte. Immer wieder tauchen neue Gerüchte, Personen oder Fügungen auf, welche dem Gärtner zugetragen werden oder begegnen und welche tief einblicken lassen in den Schmerz, das Leid, die Trauer und das fragile Glück der Protagonisten, die wie die Figuren des viel bespielten Schachbretts im Schatten der Zypressen hin und her geschoben werden oder sogar ganz verschwinden und Monate später wieder auftauchen.
Rodoreda ist mit diesem Buch eine zarte Gesellschaftsstudie voller feinsinniger Beobachtungen gelungen, die mit bunten, lebensnahen Beschreibungen und ganz viel Liebe zum Erzählen und den Menschen begeistern kann. Der Gärtner ist es, der von Anfang an da ist, er ist es, der die Spuren der anderen beseitigt und er ist es, welche die Pflanzen am Blühen hält. Wie schön es doch ist, dieser spannenden Figur über die Schultern zu schauen und sich dabei in den sanft dahinfliessenden Gedanken, Formen und Farben zu verlieren...
Meine Empfehlung:
Für dieses feinsinnige und zarte Buch mit dem liebenswerten Ich-Erzähler gibt es eine sehr herzliche Leseempfehlung von mir.