Cover-Bild Ein einfaches Leben
24,00
inkl. MwSt
  • Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: Generationenroman
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 552
  • Ersterscheinung: 21.09.2018
  • ISBN: 9783423289726
Min Jin Lee

Ein einfaches Leben

Roman
Susanne Höbel (Übersetzer)

Sunja und ihre Söhne leben als koreanische Einwanderer in Japan wie Menschen zweiter Klasse. Während Sunja versucht, sich abzufinden, fordern Noa und Mozasu ihr Schicksal heraus. Der eine schafft es an die besten Universitäten des Landes, den anderen zieht es in die Spielhallen der kriminellen Unterwelt der Yakuza.

Ein opulentes Familienepos über Loyalität und die Suche nach der eigenen Identität

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.12.2018

Zainichi

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Korea in den 1930er-Jahren: Mit ihrer Mutter Yangjin betreibt Sunja, die Tochter eines inzwischen verstorbenen Fischers, ein Logierhaus. Sie leben in sehr einfachen Verhältnissen, aber kommen dank ihres ...

Korea in den 1930er-Jahren: Mit ihrer Mutter Yangjin betreibt Sunja, die Tochter eines inzwischen verstorbenen Fischers, ein Logierhaus. Sie leben in sehr einfachen Verhältnissen, aber kommen dank ihres Fleißes zurecht. Doch dann wird die junge Frau genau im falschen Moment schwach: bei einem verheirateten Mann, dem Fischgroßhändler Hansu, der sie nicht ehelichen kann. Um keine Schande über ihre Familie zu bringen, verlässt die schwangere Sunja ihre Heimat Korea. Sie bringt ihre Söhne Noa und Mozasu in Japan zur Welt. Koreanische Einwanderer, die „Zainichi“, werden dort wie Menschen zweiter Klasse behandelt. Sunja versucht, sich mit ihrer Situation abzufinden. Ihre Söhne jedoch fordern ihr Schicksal heraus: Noa studiert an den besten Universitäten, Mozasu zieht es in die Pachinko-Spielhallen der kriminellen Unterwelt der Yakuza.

„Ein einfaches Leben“ ist ein vielschichtiges Familienepos der Autorin Min Jin Lee.

Meine Meinung:
Der Roman besteht aus drei Teilen: Der erste betrifft die Jahre 1910 bis 1933, der zweite 1939 bis 1962 und der dritte den Zeitabschnitt 1962 bis 1989. Die Teile sind wiederum in mehrere Kapitel mit einer angenehmen Länge untergliedert. Die Handlung spielt an unterschiedlichen Orten in Korea und Japan. Dieser Aufbau funktioniert gut.

Der Schreibstil ist recht schnörkellos und wirkt zunächst ziemlich nüchtern. Aber er ist zugleich eindringlich, einfühlsam und fesselnd. Die Geschichte nimmt nur langsam Fahrt auf. Sie konnte mich jedoch zunehmend in ihren Bann ziehen und entfaltete trotz der hohen Seitenzahl bis zum Schluss eine Sogwirkung auf mich.

Der Einstieg in die Geschichte fiel mir nicht sehr leicht, was aber vorwiegend an der Vielzahl von fremden Namen und Ausdrücken lag. Nach den ersten Kapiteln sind die Personen und ihre Zusammenhänge deutlich und nachvollziehbar. Sunja und ihre Mutter hatten schnell mein Mitgefühl. Ihre Stärke, aber auch ihre menschlichen Schwächen machen sie zu authentischen, liebenswerten Charakteren. Auch die übrigen Personen erscheinen mir realitätsnah. Ihre Entwicklungen werden sehr gut deutlich.

Sehr interessant finde ich das große Thema des Romans: die Situation von koreanischen Migranten in Japan. Eindrucksvoll schildert das Buch, dass diese Einwanderer wie Menschen zweiter Klasse behandelt werden. Durch das Aufgreifen dieser Problematik wird der Roman nicht nur besonders, sondern auch lehrreich. Durch die Lektüre erfährt der Leser viel über die koreanische und japanische Kultur und Geschichte. Die gesellschaftlichen und politischen Hintergründe werden dabei auf unterhaltsame Weise transportiert. Ein Pluspunkt ist das Glossar, das wichtige Begriffe und Namen erläutert.

Schonungslos werden Brutalitäten und traurige Schicksale dargestellt. Krieg, sonstige Gewalt, Erniedrigungen, Ablehnung und Selbstmord sind nur einige Aspekte, die eine Rolle spielen. Dabei verzichtet das Buch bewusst auf Effekthascherei, konnte mich aber in mehrfacher Hinsicht tief berühren und nachdenklich machen.

Das reduzierte Cover passt nicht nur gut zum Inhalt, sondern gefällt mir auch optisch sehr. Der deutsche Titel weicht leider stark vom amerikanischen Original („Panchiko“) ab, das ich treffender finde.

Mein Fazit:
„Ein einfaches Leben“ von Min Jin Lee ist ein außergewöhnlicher Roman, der mich mit leisen Tönen bewegen konnte und noch eine Weile nachklingen wird. Eine empfehlenswerte Lektüre, die sowohl unterhaltsam als auch lehrreich ist.

Veröffentlicht am 23.11.2018

Der Titel ist eine Lüge. Meisterwek!

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Worum es geht:

Sunja wächst behütet in einem kleinen Dorf nahe Busan als Tochter einer Pensionsinhaberin auf. Anfang der dreiziger Jahre als Teenager verliebt sie sich zu ihrem Fehler in einen verheirateten ...

Worum es geht:

Sunja wächst behütet in einem kleinen Dorf nahe Busan als Tochter einer Pensionsinhaberin auf. Anfang der dreiziger Jahre als Teenager verliebt sie sich zu ihrem Fehler in einen verheirateten Mann und wird schwanger. Ihre einzige Hoffnung ist der Junge Pastor Isak Beak, ebenfalls Koreaner, auf dem Weg nach Osaka. Er bietet ihr die Ehe und damit Sicherheit und einen Namen für ihr ungeborenes Kind an. Dafür soll sie mit nach Japan, ein ihr unbekanntes Land, und ebenfalls einen ihr unbekannten Gott glauben. Während Japan Korea weiterhin unterdrückt und Sunja in Osaka nur Fremdenhass wiederfährt, versucht sie das Beste aus ihrer Situation und für ihre Familie zu machen um zu überleben und vielleicht ein wenig Glück zu finden. Aber wie Yangjin ja schon meinte: Die Aufgabe der Frauen ist es zu leiden...

"Für jedes Schiff voller Idioten, die nach Korea zurückwollen, kommen hier zwei Schiffe mit Flüchtlingen an, weil es da nichts zu essen gibt. Die Lage der Leute, die direkt aus Korea kommen, ist noch verzweifelter als Ihre hier. Sie arbeiten für hartes Brot. Frauen prostituieren sich nach zwei Tagen Hunger oder schon nach einem, wenn sie Kinder zu ernähren haben. Sie träumen von einer Heimat die es nicht mehr gibt."

Meine Meinung:

Pachinko, wie das Buch auf English heisst und das japanische Wort für Glücksspielautomaten ist, hat in der englischen Version schon für sehr viel Aufmerksamkeit gesorgt. Nominiert für den Nation Book Award hat das Epos Jin Lee's ebenfalls den "Goodsreads Best Fiction 2017" Preis gewonnen.

Bereits 1989 hatte die Autorin die erste Idee zu Pachinko, eine Geschichte die sich auf fast 100 Jahre erstrecken sollte. Beginnen wir mit der Reise Sunja's, die 1920 ungewollt Schwanger wird und von Südkorea nach Osaka zieht, in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Bis 1989 begleitet der Leser Sunjas Geschichte, mal mehr mals weniger, bis zu ihrem Enkel Solomon. Krieg, Unterdrückung, Armut, Rassismus... Während Sunjas Familie immer nur das eine versucht, dazuzugehören, wird doch immer deutlich, dass sie als Zainichi ungewollte Bürger zweiter Klasse sind. Als nicht Japaner gehört man einfach nicht dazu, egal die wievielte Generation man ist, die in dem Land geboren und aufgewachsen ist. Ab dem 14. Geburtstag muss jeder Zainichi alle 3 Jahre eine neue Aufenthaltsgenehmigung beantragen. Ein Leben mit der ständigen Angst deportiert zu werden. Eine Angst die in jedem Kapitel, jeder Handlung zur Geltung kommt. So wie bei den Pachinkomaschinen rumgetrickst wird, wird auch immer im Leben der Koreaner rumgetrickst, um sicherzustellen, dass man einfach nicht gewinnen kann.

"Es stimmte zwar, dass die meisten Menschen in dem Lokal hofften, an den Maschinen kleine Summen zu gewinnen, aber die Spieler kamen auch, um der unheimlichen Stille auf den Strassen zu entkommen, wo kaum jemand grüsste, oder um dem lieblosen Zuhause fernzubleiben, wo Mütter bei den Kindern schliefen statt mit ihrem Mann, oder um die überheizten Pendlerzüge zu vermeiden, wo es gebilligt wurde, dass Wildfremde einander anrempeln, nicht aber, dass sie ein Gespräch miteinander anfingen."

Was das Buch so reich macht, sind ausserdem die springenden Persektiven innerhalb der Familie. Sowie eine Figur an Bedeutung gewinnt oder eingeführt wird, bekommt der Leser exklusive Einblicke in dessen Leben. Begonnen mit Sunja, durch und durch Koreanerin die nie ein anderes Land oder Sprache gekannt hat. Ihre angeheiratete Familie, die sich ein Leben in Osaka aufgebaut haben. Übergang auf die Kinder, welche nur noch gebrochen koreanisch können, dafür fliessend Japanisch und sich trotz Mobbing in der Schule einordnen wollen. Vor allem Noa, Sunja's Sohn tut sich schwer mit der Ausgrenzung. Selbst mit der Verleumdung seiner Herkunft und Gründung einer Familie schafft er es nie sein Glück zu finden. Schlussendlich Solomon, Sunja's Enkel. Geboren und Aufgewachsen in Japan, Schüler an den besten und teuersten Schule, erlebt bis zum Ende den Rassismus, wobei jemand kaum mehr integriert sein könnte.
Neben dem Druck von Aussen müssen die Protagonisten allerdings auch mit Scham und Schuld leben. Meistens ist es der Stolz, der sie daran hindert ihr Leben zu verbessern, festgefahren in ihrer Kultur und einer bestimmten Art zu denken. Statt Hilfe anzunehmen, wird sich lieber fast zu Tode gehungert, weil der Mann ja nicht als Unfähig dastehen darf. Die grosse Angst vor "Was werden die Leute sagen" lebt in jeder Figur und hat mich so manches Mal aufgeregt. Hier wird man in eine Kultur und dessen Gebräuche eingeführt, die so ganz anders sind, als das was man kennt, dass Verständnis manchmal schwer fällt.

Ich wage mich vor und behaupte, dass "Ein einfaches Leben" ( Der Titel ist eine Lüge! ) das beste Buch ist, das ich dieses Jahr gelesen habe. Für mich wurde hier wirklich alles vereint. Familiendrama, Japan, Geschichte, tolle Figuren. Man leidet mit. Einziger kleiner Kritikpunkt meinerseits: Mir hat mal wieder das Knistern gefehlt. Mehrere Liebesgeschichten und es las sich teilweise recht faktisch und wird meistens nur oberflächlich gestreift... Einzig Kim mit seiner Liebe zu Kyunghee hat mich für sich gewonnen. Dennoch ist "Ein einfaches Leben" ein Page Turner par excellence!

"Jeden Morgen manipulierten Mozasu und seine Angestellten die Maschinen, um die Ausschüttungen zu reduzieren - wenige Gewinner und viele Verlierer, das war die Regel. Etsuko hatte in einem wesentlichen Punkt versagt - sie hatte ihren Kindern nicht beigebracht, zu hoffen und an die vielleicht absurde Möglichkeit zu glauben, dass sie gewinnen könnten. Pachinko war ein dummes Spiel, das Leben aber nicht."

Veröffentlicht am 26.11.2018

Eine koreanische Familie in Japan - informativ und aufschlussreich

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Im Roman „Ein einfaches Leben“ erzählt Min Jin Lee von der Koreanerin Sunja und ihren beiden Söhnen. Die Erzählung ist fiktiv und beginnt im Jahr 1911 als eine Ehevermittlerin die Heirat von Sunjas Eltern ...

Im Roman „Ein einfaches Leben“ erzählt Min Jin Lee von der Koreanerin Sunja und ihren beiden Söhnen. Die Erzählung ist fiktiv und beginnt im Jahr 1911 als eine Ehevermittlerin die Heirat von Sunjas Eltern Hoodie und Yangjin vereinbart und endet im Jahr 1989. Es ist ein schlichtes, arbeitsames Leben das Sunja führt, mit vielen Höhen und Tiefen. Die Covergestaltung passt sich dem Titel an und gibt eine schöne Inspiration für die Verbildlichung der Protagonisten.

Sunja ist die Enkelin eines Fischers und seiner Frau, die für einen Nebenverdienst ihre spärlichen Räumlichkeiten zimmerweise vermieten. Hoodie, als einzig überlebendes Kind der beiden, ist ebenfalls Fischer geworden und hat erst spät geheiratet. Schon drei Jahre nach der Hochzeit verlor er seine Eltern und führte die Zimmervermietung weiter. Auch Hoodies Tochter Sunja ist der einzige Nachwuchs. Nach dem frühen Tod ihres Vaters leben Mutter und Tochter allein von der Miete. Als junges unbedarftes Mädchen verliebt sie sich in einen Mann von dem sich herausstellt, dass er in Japan verheiratet ist. Doch da ist sie schon schwanger von ihm. Ein junger koreanischer Pastor auf der Durchreise nach Osaka nimmt sie dennoch zur Frau. Noa nennt sie ihren Sohn und mit Mozasu bekommen die beiden einige Jahre später ein gemeinsames Kind. In Japan wird aber auch diese Generation nie den Status der koreanischen Einwanderer gänzlich abstreifen können.

Min Jin Lee hat einen schicksalhaften Roman geschrieben, der vor allem die Stigmatisierung der Koreaner durch die Japaner zum Thema hat. Sie gelten als schmutzig, faul und aggressiv. Es ist verstörend zu erkennen, dass es keinem Familienmitglied gelingt, sich durch Arbeit und persönlicher Ausstrahlung von dieser Ansicht zu lösen. Die Autorin schafft es ebenfalls, die Zerrissenheit des Landes Korea in Nord und Süd darzustellen. Gerade die ärmere Bevölkerung ist ein Spielball der Mächtigen und deren politischer Entscheidungen. „Pachinko“, ist der Originaltitel des Romans und ein populäres Glücksspiel in Japan, das für Sunjas Familie zentrale Bedeutung erlangt und in Anbetracht der gegebenen Umstände mich dazu brachte, darüber nachzudenken, dass das Leben manchmal einer Lotterie bei der Geburt gleich kommt.

Interessant war es immer wieder über die Rituale, Werte und Gepflogenheiten der Koreaner und Japaner zu lesen, begonnen im Verhältnis von Eltern zu Kindern, Männern zu Frauen, im Miteinander, im Berufsleben wie auch im Alltag. Treue, Respekt und Verantwortung bestimmen die täglichen Verrichtungen und sorgen für ein Leben, bei dem ein Ausweichen aus der Pflicht für den Einzelnen zwar möglich aber schwierig ist. Min Jin Lee zeigt mit ihren Charakteren unterschiedliche Möglichkeiten auf, dem vorgezeichneten Weg zu entgehen. Im Zeitablauf erhält die Geschichte immer mehr Figuren, denen Bedeutung zukommt. Diese Entwicklung ist notwendig, um zusätzliche Aspekte der zentralen Themen zu verdeutlichen. Dennoch empfand ich die Untermauerung der Begründung des Abgangs eines der Protagonisten zum Schluss als schwach. Die Autorin wechselt von Kapitel zu Kapitel von Mitgliedern der Familie zu anderen, zur Orientierung sind die jeweiligen Wechsel mit Ort und Zeitangaben versehen.

„Ein einfaches Leben“ ist ein faszinierendes Buch über das Leben einer koreanischen Familie in Japan im letzten Jahrhundert. Bisher habe ich über die besondere politische Situation und den Auswirkungen auf den Alltag noch nichts gelesen, so dass der Roman, dessen Realitätsbezug zum Inhalt ich nicht in Zweifel ziehe, informativ und aufschlussreich für mich war. Ein lesenswertes Buch, das ich gerne weiterempfehle.