Eine Geschichte vergessener Schicksale
“Großmutter wachte über die Vergangenheit wie über einen glänzenden, trügerischen Schatz. […] Sie schien die Verkörperung der Unerschütterlichkeit, betrachtete das Leben und den Tod mit der verstohlenen, ...
“Großmutter wachte über die Vergangenheit wie über einen glänzenden, trügerischen Schatz. […] Sie schien die Verkörperung der Unerschütterlichkeit, betrachtete das Leben und den Tod mit der verstohlenen, kaum merklichen Zärtlichkeit derer, die wissen, dass sie im Schatten leben und dass keine ihrer Taten und keines ihrer Worte jemals ein Echo finden wird.” (S.157)
Es scheint das Schicksal aller drei Frauen zu sein, dass die Geschichte ohne sie geschrieben wird. Dass sie in die Form gepresst werden, die ihre Rolle als Frau im Spanien des 20. Jahrhunderts beschreibt. Dass sie von Männern dominiert werden, ihre Wünsche und Träume wegsperren.
Mutter, Tochter und Enkelin, alle drei mit dem gleichen Namen - Mundeta, alle drei geboren in einer anderen Lebensrealität, einem anderen Spanien, einem anderen Barcelona - dem Barcelona zur Zeit der spanischen Monarchie, dem Barcelona des Bürgerkriegs, dem Barcelona der Studierendenaufstände. Einem Barcelona, dass ihnen doch allen gleichermaßen die Freiheit verspricht und so gewaltvoll wieder nimmt, dass sie lieben lässt und ihnen gleichzeitig die Luft nimmt - so wie die Männer in ihrem Leben.
Szenisch umreißt Montserrat Roig die Stadt, ihren Wandel gleichermaßen wie die einzelnen Schicksale der drei Frauen. Sie zeigt die bittere Wahrheit auf, was es hieß im Spanien des 20. Jahrhunderts eine Frau zu sein, und erlaubt auf hoffnungsvolle Weise jeder der drei Frauen dennoch ihre eigenen kleinen Freiheiten zu erkämpfen.
“Vielleicht, so dachte sie jetzt, beugt sich das Schilf nicht unter der heftigen Windbö, sondern unter dem beharrlichen Streicheln der sanften Brise” (S.178)
Zu Anfang mag die Erzählweise nicht ganz leicht sein, durch die drei Perspektiven der drei gleichnamigen Frauen, die zum Teil schwer zu trennen sind. Aber für mich hat es sich sehr gelohnt weiterzulesen, Montserrat Roigs Erzählrhythmus zu finden, ihre Worte widerhallen zu lassen. Viele Szenen haben mich in ihrer Intensität sprachlos zurückgelassen, mich zum Stift greifen lassen, ganze Passagen unterstreichend.
Ich bin wahnsinnig dankbar für die Wiederentdeckung und Übersetzung dieses Romans und freue mich schon auf die weiteren Teile der Barcelona-Trilogie.