Davor und Danach ist ein Endzeitroman, der ein hochaktuelles und uns alle betreffendes Thema anspricht: Den Klimawandel und die Konsequenzen, die dieser mit sich zieht. Erzählt wird hier die Geschichte eines Mädchens und eines kleinen Junges, die eigentlich viel zu jung sind, um schon auf sich allein gestellt, um ihr Leben kämpfen zu müssen. Und doch haben sie keine Wahl als weiterzulaufen, um vor dem Hunger, dem Durst und vor allem der Hitze zu fliehen.
Erzählt wird aus der Sicht der 14-jährigen Mhairi. Eigentlich kommt sie aus dem nördlich gelegenen Schottland, welches noch nicht von der erdrückenden Hitze unbewohnbar geworden ist. Doch da ihre Eltern beruflich im Sudan zu tun hatten, befindet sie sich nun doch in den betroffenen Gebieten. Auf sich allein gestellt macht sie sich also auf dem Weg zurück nach Schottland und muss dabei jeden Tag um ihr Überleben kämpfen. Als sie dann auf den kleinen Jungen trifft, muss sie sich entscheiden: Geht sie das Risiko ein und erschwert ihre Reise, indem sie ihm hilft? Oder lässt sie ihn zurück, um ihr eigenes Überleben zu sichern?
Mhairi musste in ihren jungen Jahren bereits viel durchmachen. Das merkt man ihr auch an, denn sie wirkt für ihr Alter ziemlich reif und erwachsen. Gleichzeitig gibt es jedoch auch Momente, in denen sie wieder jung und verletzlich erscheint. In ihren Gedanken spricht sie immer wieder mit ihrem Vater, so dass dem Leser bewusst wird, dass sie mit ihren 14 Jahren eigentlich noch fast ein Kind ist. Und trotzdem gibt sie nicht auf. Ich konnte nicht anders, als Mhairi für ihre Entschlossenheit und ihre positive Sicht auf die Welt zu bewundern. Denn trotz all der schlimmen Momente, die sie durchleben musste, hat sie nie verlernt, das Schöne in den Dingen zu sehen.
Auch wenn sie dem Jungen gegenüber manchmal sehr harsch wirkt, war doch immer deutlich, dass sie ein gutes Herz hat und ihm auf diese Weise nur helfen will, zu überleben.
Denn wenn man in dieser neuen Welt überleben will, darf man keine Schwäche zeigen.
Der Junge wirkte auf mich gar nicht wie das kleine Kind, das er doch eigentlich war. Die Welt, in der er lebt, hat ihn gezwungen, viel zu schnell groß zu werden und kindliche Verhaltensweisen abzulegen. Trotzdem gab es immer wieder Momente, in denen mir sein wahres Alter nur allzu bewusst wurde. Da er stumm ist und somit nicht spricht, war es für mich sehr schwer, ihn einzuschätzen. Trotzdem hat die Autorin mit ihm gezeigt, dass Taten und Handlungen manchmal viel mehr aussagen als Worte.
Obwohl die eigentliche Geschichte von dem Überlebenskampf der beiden Kinder handelt, spricht die Autorin unterschwellig mehrere wichtige politische Themen an. Dabei werden verschiedene Blickwinkel dargestellt, die mich zum Nachdenken anregen konnten. So geht es neben dem Klimawandel unter anderem auch um das Themen Flüchtlinge und Überbevölkerung. Wer bestimmt, wer leben darf und wer sterben muss? Ist es gerecht, den vor dem Klimawandel Flüchtenden die Einreise zu verwehren, nur weil sie nicht das Glück hatten, im Norden geboren zu sein?
Nicky Singer schafft es, diese politischen Gedanken gut und verständlich zu präsentieren. Dabei beleuchtet sie beide Seiten, so dass ich alle Positionen verstehen und nachvollziehen und mir dabei gleichzeitig eine eigene Meinung bilden konnte.
Dennoch hätte ich mir gewünscht, etwas mehr zum Klimawandel zu lesen. Dieser ist nämlich in der Geschichte der Grund für dem Überlebenskampf und die Flüchtenden, Hintergründe werden aber nicht weiter erörtert oder erklärt.
Die Autorin setzt in ihrer Geschichte auf Emotionen und Gefühle. Die Geschichte von Mhairi konnte mich fesseln und hat mich bis zum Ende nicht mehr losgelassen. Trotzdem hätte ich mir gewünscht, dass Nicky Singer auch auf der sachlichen Ebene etwas ausführlicher geworden wäre. Das Schicksal der Protagonisten konnte mich emotional absolut packen, aber oftmals hat es sich die Autorin mit Erklärungen zu einfach gemacht und sich zu sehr auf die Emotionen und Gefühle verlassen.
Den Schreibstil mochte ich wirklich gerne. Er hat einfach perfekt zu Mhairi und ihrer Art gepasst. Der einfache, abgehackte Satzbau, in dem sich die Autorin auf das Wichtigste beschränkt ohne auszuschmücken passt zu dem Überlebenskampf, den die Protagonisten tagtäglich führen müssen. Denn in dem Chaos ihrer Welt ist kein Platz, um mit den Gedanken abzuschweifen. Dort muss man immer fokussiert bleiben und darf sich nicht in Details verlieren.
Fazit:
Davor und Danach erzählt die emotionale Geschichte zweier Kinder, die viel zu schnell erwachsen werden mussten. Wichtige und aktuelle Themen, welche die Autorin im Verlauf der Geschichte anspricht, regen zum Nachdenken an. Jedoch hätte ich mir hier ein paar mehr Informationen und Erklärungen gewünscht.