Wunderbare Charaktere verwebt in einem einzigartigen Schreibstil
Diese Geschichte ist keine leichte und einfache Kost, denn es geht um größere und schwere Schicksalsschläge, denen sich die Protagonisten des Buches stellen müssen; Vergewaltigung, eine angeborene Krankheit, ...
Diese Geschichte ist keine leichte und einfache Kost, denn es geht um größere und schwere Schicksalsschläge, denen sich die Protagonisten des Buches stellen müssen; Vergewaltigung, eine angeborene Krankheit, eine Tochter, die bald sterben wird, eine schreckliche Erfahrung, bei der ein Arzt ein herzkrankes Kind nicht retten konnte.
Und über all dem hängen noch all die Vorurteile und Beleidigungen, die sich das (von Florence so benannte) Dreigestirn gegenüber Martin, Claire, Zoé, Harald und allen voran Florence hält. Das Dreigestirn besteht aus engstirnigen Damen, die aus Neid und Vorurteilen handeln - wir kennen solche Menschen ja alle.
Dabei sind die Charaktere im Vordergrund des Romans besondere Personen, die das Wort Nächstenliebe von der Bibel abheben und zeigen, was es heißt, tagtäglich anderen Menschen Glück zu schenken, während das eigene Schicksal das Privatleben überschattet.
Florence, eine Musicaldarstellerin, liebt das Tanzen über alles. Sie tanzt, wo auch immer sich ihr die Möglichkeit bietet. Doch sie ist schwanger - von jemandem, der sie in ihrer Vergangenheit am Theater vergewaltigt hat. Den Rückhalt ihrer Mutter hat sie dabei nicht. Dennoch kümmert sie sich rührend um Kinder, tanzt und lacht mit ihnen, als wäre in ihrem Inneren alles gut.
"Gelegentlich [...] lachte Florence ihrem Schmerz einfach ins Gesicht - oder tanzte ihn weg."
~S.79
Zoé, auf die die Tänzerin aufpasst, leidet unter Trisomie 21, dem Down-Syndrom. Dennoch tanzt auch sie gemeinsam mit Florence durchs Leben und hört auf die bissigen Worte des Dreigestirns kein Stück:
"Ich bin perfekt"
~S.45
Zoé muss man einfach lieben. Mit den verschiedensten Zitaten aus Büchern und Filmen, die sie geschickt in Gespräche einfließen lässt, bringt sie die Leser immer wieder zum Staunen. (In ihrem Vorwort merkt die Autorin aber auch an, dass sie mit den Zitaten vielleicht manchmal "zu hochgegriffen" (S.6) habe.) Sie ist ein sonniges Kind.
"Glück in seiner reinsten Form, hervorgerufen durch ein Lachen. Tränen kullerten über ihre Wangen, die Zoé voll Hingabe mit dem Zeigefinger wegstupste."
~S.38
Martin war vor seiner Zeit im kleinen Dorf in der Schweiz ein karriereorientierter Kardiologe. Doch als ein Junge bei einem seiner Eingriffe stirbt, beschließt er, in das abgelegene Dorf zu ziehen und dort als Kinderarzt mit Smiley auf dem T-Shirt die Kinder von ihren Wehwehchen zu befreien. Ebenfalls von ihren Wehwehchen befreien will Martin Florence, nachdem er von ihrer Vergangenheit erfährt. Er lässt nicht locker und versucht immer und immer wieder, Florence für sich zu gewinnen. Doch er kann sie ja nicht einmal berühren, da sie sich jeder seiner Berührungen sträubt. Martin jedoch geht das mit massenhaft Feingefühl und Durchhaltevermögen an - beeindruckend.
Bei dieser Aufgabe, der sich Martin stellt, hilft ihm auch der ansonsten so stille Einsiedler, dessen Vertrauen Florence schnell gefasst hat. Er ist ein älterer Herr voller Weisheiten und der alten Schule.
"Wir Menschen sind wie die Schneekristalle [...] Oberflächlich betrachtet sehen wir alle gleich aus, werden geboren, schweben durch unser Leben, manchmal von heftigen Böen geschüttelt, werden ganz woanders hingetrieben, als wir uns das eigentlich vorgestellt hatten, und schließlich sterben wir. Bei näherer Betrachtung sieht man jedoch die filigrane Einzigartigkeit. Bei jeder Schneeflocke, bei jedem Menschen."
~S.159
Zuletzt bliebe noch Claire, die für ihre Töchter Lysann und Zoé alles tun würde, gleichzeitig aber auch ihren Mann und den Traum des eigenen Hotels verloren hat.
Lysann ist gerade erst 16 und fährt Ski mit ganzem Herzen. Aufgrund ihres Traums vom Skifahren ist sie meist nicht zuhause, sondern an einer Sportschule. Indes wird sie krank. Martin vermutet gleich mehr als lediglich eine Erkältung dahinter. Lysann aber ist eine Kämpfernatur und lässt sich von der Krankheit nicht unterkriegen. Stattdessen schenkt sie jedem ein breites Lächeln und sorgt sich rührend um ihre jüngere Schwester.
Und all diese besonderen Person verwebt Walker in einem imposanten, bemerkenswerten und berührenden Schreibstil miteinander, sodass ich das Buch nicht mehr weglegen konnte. Man muss nicht nur weinen, sondern auch lachen. Ein Roman zum Mitfühlen vor atemberaubender Kulisse:
"Die in verschiedenen Blaunuancen getauchten Berghänge verrieten deutlich, wohin die Sonnenstrahlen nicht gelangten. Diesen Flächen blieb es verwehrt, von Licht und Wärme liebkost zu werden. Auf dem zugefrorenen See glitzerten Abermillionen silbriger Sterne, als habe der Himmel sie über Nacht herabgeworfen."
~S.43
Das Fazit
Einzigartige Charakter, bis ins kleinste Detail liebevoll beschrieben mit viel charakterlicher Tiefe - verwebt in einen sehr besonderen und poetischen Schreibstil. Ein Meisterwerk.