Die Pokornys können es nicht lassen...
Nachdem ich den größtenteils in Bad Vöslau im Wiener Speckgürtel angesiedelten Kriminalroman endlich gelesen hatte – es wollte einfach nicht vorangehen -, war ich doch zumindest sicher, mich recht gut ...
Nachdem ich den größtenteils in Bad Vöslau im Wiener Speckgürtel angesiedelten Kriminalroman endlich gelesen hatte – es wollte einfach nicht vorangehen -, war ich doch zumindest sicher, mich recht gut in dem Kurort, respektive in seiner vielfältigen Gastronomie, auszukennen! In der Tat widmet der Autor den kulinarischen Genüssen beinahe mehr Zeit als dem zähen, wirklich nicht spannenden Fall, wenn man einmal die letzten 50 von beinahe 400 Seiten ausnimmt. Aber natürlich ist es weitaus interessanter, die beiden Protagonisten und Hobbydetektive Willi und Toni, nebst Hündin Maxime agieren zu lassen, was bedeutet, sie ständig in ihre Stamm- und auch andere Lokale zu begleiten – da gibt es feste Gewohnheiten, wann und wo und was gegessen wird! -, als sich mit dem ätzenden, dreckigen, betrügerischen, geldgeilen Immobiliengeschäft zu befassen, dessen hiesiger Verband derzeit ein Vorstandsmitglied nach dem anderen durch den Tod verliert. Unfälle, so heißt es, aber so richtig daran glauben kann Mochacek, Obmann des Verbandes, nicht. Was also liegt näher, als privat Ermittlungen anstellen zu lassen? Von eben jenen Pokornys, die als Privatschnüffler anscheinend eine Art Berühmtheit erlangt haben – was man vermutlich im Vorgängerband, der gleichzeitig der erste Band der Reihe ist, lesen kann.
Nun, eigentlich gegen ihren Willen sagen die beiden so gegensätzlichen, aber dessen ungeachtet wunderbar miteinander harmonierenden Eheleute Pokorny zu, zumal der arbeitslose Willi und die halbtagsbeschäftigte Toni ohnehin jede Menge freie Zeit haben. Das wenigstens sollte man meinen, doch unterschätzt man dabei den breiten Raum, den die Nahrungsaufnahme einnimmt, besonders bei dem nicht gerade schlanken Willi. Tatsächlich hat man den Eindruck, dass er den Großteil seiner freien Zeit dem Verzehr seiner zahlreichen, durchweg kalorien- und cholesterinreichen Lieblingsspeisen in seinen bevorzugten Gaststätten und Restaurants, auch Kantinen fallen darunter, widmet. So recht klargeworden ist mir freilich nicht, wie die beiden sich das ewige Auswärtsessen leisten können, obschon sie, worauf aber nicht näher eingegangen wird, eine Erbschaft gemacht haben. Was ist überhaupt der Beruf des konservativen, den technischen Errungenschaften gegenüber skeptisch, um nicht zu sagen ablehnend eingestellten Gewohnheitsmenschen Willi Pokorny, der in der Schule, auch das wird nebenbei erwähnt, immer der Klassenbeste war? Und – wenn er schon so gerne Detektiv spielt – warum gründet er nicht ganz offiziell eine Detektei? Schon um den ständigen Reibereien mit der allseits ungeliebten, aggressiv-cholerischen Chefinspektorin Ottilia Wehli aus dem Weg zu gehen, die es partout nicht leiden kann – verständlicherweise -, wenn die Pokornys ihre neugierigen Nasen in Dinge stecken, die sie nun wirklich nichts angehen! Und die zu allem Überfluss auch noch von Willis Schulfreund, dem Gruppeninspektor Sprengnagl, mit internen Ermittlungsinformationen gefüttert werden. Obgleich die Chefinspektorin als unsympathisch dargestellt wird, ihr zudem auch noch der Hauch der Unfähigkeit anhaftet, fühle ich mit ihr, denn solche Wichtigtuer wie die Pokornys (stimmt schon, es will mir nicht recht gelingen, sie so toll zu finden wie sie sich selbst und gegenseitig und wie das offensichtlich auch vom Autor gewollt ist) können anstrengend sein und man wird ihrer, als Leser sowie als jemand, dem sie immerzu munter ins Handwerk pfuschen, alsbald überdrüssig.
Wie dem auch sei, um den Krimi zu mögen, sollte man auch den Pokornys positiv gegenüberstehen und nicht genervt auf den nächsten Schlamassel warten, in den sie so gerne hineingeraten und von denen einer absurder und klamaukhafter gerät als der nächste. Überhaupt – Klamauk! Dieses Wort wird großgeschrieben in dem langatmigen Krimi, ein wenig zu groß. Das nutzt sich ab, wird langweilig, bringt mich zum Augenrollen.
So langweilig wie die ganze verwerfliche Immobilienbranche (die wie ich finde, keine gute Themenwahl für einen Krimi ist), in der ein ruchloser Mörder umgeht, ist leider auch die gesamte verschlungen-verworrene Geschichte, wenn man die Slapsticks mal überliest. Und dass die beiden ersten Toten von jemandem im Hintergrund, der, wie es scheint, einen gewaltigen Hass auf die Branche und seine moralfreien Vertreter hat, ins Jenseits befördert wurden, wird spätestens dann klar und von der behäbigen Polizei als untersuchenswert eingestuft, als noch weitere Immobilienmakler das Zeitliche segnen. Und diesmal eindeutig weder durch Unfall noch aufgrund natürlicher Umstände. Die Ermittlungen sind mühsam, ziehen sich in die Länge, immer wieder aufgelockert durch die Scharmützel, die sich Inspektorin Wehli mit den Pokornys liefert, die ihr stets mehrere Schritte voraus sind. Was Wunder, haben sie doch in der schrulligen, wider Willen witzigen, vor allem aber stets bestens informierten Liesl Katzinger, ihres Zeichens Kettenraucherin, Nervensäge vom Dienst und Ortszeitung, eine nicht zu unterschätzende Verbündete! Eine Geheimwaffe sozusagen, die der Wehli abgeht, auch weil letztere sich durch ihre schroffe Art einfach keine Freunde machen kann. So sind die Szenen, in denen die gewitzte alte Dame, immer in den abenteuerlichsten Bekleidungen, und die Pokornys miteinander agieren, die besten des gesamten langen, oft aberwitzigen Romans mit Krimielementen. Ohne die, wiewohl anstrengende und zänkische, dabei fürchterlich empfindliche Liesl wäre die Geschichte ganz und gar ihrer Seele beraubt.
Aber suchen wir weiter nach den positiv zu Buche schlagenden Elementen! Die Auflösung des Falles ist gut, ist überraschend, wertet den Roman auf, mit dem Österreicher vermutlich besser zurechtkommen als Deutsche, hat er doch ein ganz bestimmtes, ganz eigenes Flair, das man bei deutschen Regionalkrimis nicht kennt, daher nicht gewohnt ist und vielleicht auch nicht zu schätzen weiß. Überraschend viele Ausdrücke waren mir nicht geläufig, was ich aber nicht als nachteilig empfinde, denn da ich Sprache ebenso sehr mag wie der Willi Pokorny, habe ich gerne dazugelernt. Und nein, ich hatte den leicht durchgeknallten Übeltäter nicht im Visier, hätte aber auf ihn kommen müssen, denn allzu viele Verdächtige waren dann bald ja nicht mehr übrig.
Doch die positiven Aspekte ändern nicht viel an meinem Gesamteindruck, der mich den Krimi bestenfalls als mittelmäßig einstufen lässt. Aber Bücher sind halt Geschmackssache, wie so vieles im Leben. Sie müssen nur die geeigneten Leser finden, die sie zu schätzen wissen. Und liest man vorhandene Kritiken und Rezensionen durch, so gibt es genügend Leser, die genau das tun. Gut so!