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Veröffentlicht am 11.11.2019

Wein und Magie

Der Oktobermann
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Bei gefühlt jedem zweiten Gespräch über Bücher fällt der Name Ben Aarnovitch und dann wird von seinen zauberhaft-magischen Geschichten geschwärmt.

Da kam mir die Neuerscheinung „Der Oktobermann“ grade ...

Bei gefühlt jedem zweiten Gespräch über Bücher fällt der Name Ben Aarnovitch und dann wird von seinen zauberhaft-magischen Geschichten geschwärmt.

Da kam mir die Neuerscheinung „Der Oktobermann“ grade recht um den Autor endlich kennenzulernen. Sein neues Buch spielt dieses Mal in Trier und ich lerne einen Beamten einer ganz besonderen Abteilung des BKA kennen: Tobi Winter ist von der „Abteilung für komplexe und diffuse Angelegenheiten“. Zusammen mit der örtlichen, ganz normalen, Polizistin Vanessa Sommer soll er einen geheimnisvollen Todesfall aufklären. Ein Mann liegt am Moselufer, gestorben an einer ganz besonders aggressiven Pilzart, die ansonsten für die gewünschte Edelfäule im Weinberg sorgt. Aber Tobi spürt bei der Untersuchung kein ausgesprochenes „Vestigium“ aber etwas Magisches kann er erahnen.

Die Ermittlungen führen zu interessanten Begegnungen mit der Flussgöttin Kelly und ihrem kleinen Schützling, eine Moselgöttin im Kindergartenalter. Übrigens auch eine ganz besonders gelungene Figur im Buch. Aber auch Vanessa und Tobi sind sympathisch dargestellt, vielleicht ein wenig flach gezeichnet.

Der nicht sehr umfangreiche Band liest sich wirklich amüsant und unterhaltsam. Als Neueinsteigerin habe ich natürlich keine Vergleichsmöglichkeiten zu den berühmten London-Büchern, aber das schadet nicht. Der Autor hat mich gleich in seine Welt der Magie und unerklärlichen Vorkommnisse mitgenommen, die sich aber – und das hat mich überrascht – völlig realistisch anfühlen. Wenn die kleine Flussgöttin gern mit anderen Kindern spielt, muss man halt nur aufpassen, dass sie mit ihnen nicht alleine bleibt und sie zum Spielen an Fluss mitnimmt, aber das erklärt sich ja von allein.

Die Sprache ist recht eingängig und ich kann mir das Buch auch sehr gut für Jugendliche vorstellen. Dass sich ein englischer Autor für ein neues Buch ein deutsches Setting auswählt und beschreibt, ist eigentlich ungewöhnlich, aber hat durchaus Charme. Ich fand den Lokalkolorit und das Weinbau-Geschehen ganz gut eingefügt.

Vielleicht hatte ich mir mehr vorgestellt, die Erwartungen waren wahrscheinlich durch die vielen Vorschusslorbeeren sehr hoch, aber eine unterhaltsame Lesezeit hatte ich allemal.

Veröffentlicht am 10.11.2019

In der Mitte des Lebens

Der Platz im Leben
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Nora Nolan sollte zufrieden sein. Sie und ihr Mann Charlie gehören zur New Yorker Upper Middle Class, nennen ein schönes Haus in einer prestigeträchtigen Ecke Manhattans ihr Eigen. Die Kinder sind wohlgeraten ...

Nora Nolan sollte zufrieden sein. Sie und ihr Mann Charlie gehören zur New Yorker Upper Middle Class, nennen ein schönes Haus in einer prestigeträchtigen Ecke Manhattans ihr Eigen. Die Kinder sind wohlgeraten und studieren an teuren Unis und beruflich sieht es für Nora ebenfalls sehr gut aus. Als Fundraiserin hat sie sich einen guten Ruf erworben und als sie die Leitung eines neuen Museums übernimmt, geht es noch eine Stufe aufwärts. Aber Charlie sieht es ein wenig anders aus, seine Laufbahn als Investmentbanker stagniert, jüngere, bissigere Leute sind an ihm vorbei gezogen. Noras Erfolg macht ihn neidisch.
Dann erschüttert ein Vorfall die wohlsituierte Nachbarschaft. Jack Fisk ist mit einem Golfschläger auf den hispanischen Handwerker losgegangen, der seit Jahr und Tag sich um die Kleinreparaturen in der Nachbarschaft kümmert. Nun reißen plötzlich Gräben auf.
Um es gleich vorweg zu sagen: der Roman hat mir außerordentlich gut gefallen. Er zeichnet ein präzises Gesellschaftsbild, jeder Satz sitzt und legt die Befindlichkeiten der Protagonisten bloß. Wenn zum Beispiel Charlie es als Ritterschlag ansieht, dass er nun einen Parkplatz auf einer begehrten Brachfläche bekommt, merkt man rasch um die Hohlheit seines Daseins. Als er seinen Nachbarn Fisk nach dem tätlichen Angriff noch verteidigt und den Vorfall als Versehen abtut, kommen Nora immer deutlicher Zweifel an Charlies Charakter.
Ihre Ehe ist nicht mehr gut, sie ist zu einer Zweckgemeinschaft geworden und Nora überlegt, ob Charlies Charakter schon immer so war, oder ob er sich im Lauf der Jahre verändert hat. Aber die beiden Kinder, das gemeinsame Haus und nicht zuletzt der Hund, sind der Kitt der alles noch zusammenhält. „In Wahrheit waren die meisten Ehen doch wie Luftballons: Einige wenige platzten ohne Vorwarnung, aus den allermeisten wich aber langsam die Luft, bis nur noch ein trauriges, knittriges Etwas ohne jeden Auftrieb übrig war.“ oder „Vertrautheit erzeugt Verachtung“, diese Zitate machen Noras Gedanken schon sehr deutlich.
„Der Platz im Leben“ ist ein Roman, der mich auf hohem Niveau bestens unterhalten hat. Ich mochte die Warmherzigkeit, mit der Anna Quindlen ihre Protagonisten beobachtet und denen sie trotzdem auch mit leiser Ironie begegnet. Der Roman ist auch ein Roman New Yorks oder besser Manhattans.
Die Autorin hat den Pulitzer Preis für ihre journalistischen Arbeiten bekommen und ihre Romane sind Bestseller. Verdient wie ich finde.

Veröffentlicht am 07.11.2019

Ein kleines Kloster im Burgund

Eine himmlische Katastrophe
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Das Kloster von Bleaumont ist fast vergessen. Nur drei alte Schwestern leben noch in dem bröckelnden Gemäuer und leben mühsam vom Verkauf des einst berühmten Schimmelkäse Bleu de Bleaumont. Doch seit Schwester ...

Das Kloster von Bleaumont ist fast vergessen. Nur drei alte Schwestern leben noch in dem bröckelnden Gemäuer und leben mühsam vom Verkauf des einst berühmten Schimmelkäse Bleu de Bleaumont. Doch seit Schwester Agathe das Zeitliche gesegnet hat, will er einfach nicht mehr richtig gelingen.

In diese klösterliche Einsamkeit kommt eines Tages Louise geschneit. Sie ist in den Banlieues von Paris aufgewachsen, rotzfrech und schon mehrfach im dem Gesetz in Konflikt geraten. Ein Klosteraufenthalt von 3 Monaten ist ihr zur Bewährung aufgebrummt worden. Den will sie in diesem Konvent im Burgund ableiten, denn die ihr unbekannte Tante Madeleine ist dort Schwester.

Damit gerät der beschauliche Alltag der Nonnen komplett aus den Fugen, denn Louise findet nicht nur am Gefallen am Kräutergarten des Klosters, der neben vielen Heilkräutern auch ein bei ihr beliebtes Gewächs zum Rauchen kultiviert, sondern sie erkennt auch das musikalisch außergewöhnliche Talent der drei alten Nonnen. Als „Der himmlische Harem“ rocken sie bald nicht nur die Gemeindezentren der Nachbarschaft.

Ein wirklich himmlisches Lesevergnügen, leider viel zu schnell durchgelesen. Ich habe mich bestens amüsiert, sind die Figuren doch allesamt liebenswert und werden vom Autor warmherzig begleitet. Menschlichkeit, Respekt und Toleranz über Glaubensgrenzen hinweg, sind Werte, die hoch gehalten werden und was den drei Nonnen gelingt, färbt auch auf die Bewohner der Pariser Vorstädte ab. Wenn es auch wie ein kleines Wunder erscheint, ist es doch die Gemeinschaft und das Füreinander einstehen, dass die Veränderungen bewirkt.

Nicht nur die Figuren machen beim Lesen Freude, auch der Sprachstil hat mir gut gefallen.

Nichts was in diesem Roman geschieht, könnte in der Realität passieren, aber man wünschte sich, es wäre so!

Veröffentlicht am 06.11.2019

Baumblütenfest

Dunkle Havel
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Neugierig geworden durch viele sehr gute Rezensionen von Tim Piepers Havel-Krimi-Serie, wollte ich mit dem ersten Band „Dunkle Havel“ beginnen.

Es geht um Hauptkommissar Toni Senftleben der in Potsdam ...

Neugierig geworden durch viele sehr gute Rezensionen von Tim Piepers Havel-Krimi-Serie, wollte ich mit dem ersten Band „Dunkle Havel“ beginnen.

Es geht um Hauptkommissar Toni Senftleben der in Potsdam lebt und arbeitet. Sein Entschluss zur Polizei zu gehen wurde durch eine dramatische Begebenheit ausgelöst. Vor 16 Jahren verschwand in der Nacht des Baumblütenfest in Werder seine junge Frau Sofie. Sie waren damals nach einer jahrelangen Weltreise erst wieder in Deutschland ansässig worden, um Sohn Aroon ein gesichertes Aufwachsen zu ermöglichen. Aber Sofie schien nicht glücklich zu sein. War es Selbstmord, wurde sie entführt ? Die Ungewissheit hat Senftleben verändert und die Suche nach ihr wird zu einer Obsession. Nur deshalb hat er die Polizeilaufbahn eingeschlagen. Er betäubt sich mit Alkohol und Tabletten, ist bei Dienstbeginn oft verkatert, sein Sohn wächst quasi allein auf.

Dann ein Routinefall, doch in den Taschen des Mordopfers findet Senftleben ein verblasstes Portrait seiner Frau. So entwickelt sich der Mordermittlung auch zu einer Spurensuche in der Vergangenheit.
Obwohl durchaus spannend geschrieben und will sich durch die vielen Parallelhandlungen für mich einfach kein fesselnder Plot entwickeln, ich bin mit der Geschichte und vor allem mit der Figur von Toni Senftleben nicht recht warm geworden.

Es hat sich bei mir einfach kein Interesse am Fortgang der Ermittlungen einstellen wollen, auch wenn der Autor fast alle Themen einbringt - von Drogen über Menschenhandel – wurde und der wirklich unglaubwürdige Schluss kam mir dann noch völlig an den Haaren herbei gezogen vor.

Einer der wenigen Fehlkäufe, die ich mit einem Emons Krimi gemacht habe.

Veröffentlicht am 05.11.2019

Rheingauer Riesling

Rieslingsommer
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Luise Schwanthaler entstammt einer alteingesessenen Winzerfamilie. Doch ihr war das Leben im Rheingau bald zu eng geworden und als Hotelfachfrau ist sie viel in der Welt herumgekommen. Die letzten Jahre ...

Luise Schwanthaler entstammt einer alteingesessenen Winzerfamilie. Doch ihr war das Leben im Rheingau bald zu eng geworden und als Hotelfachfrau ist sie viel in der Welt herumgekommen. Die letzten Jahre lebte sie mit Tochter Amelie in Wiesbaden, wo sie als Service Chefin ein bekanntes Restaurant leitet. Als sie aus der Villa des Ex-Mannes ausziehen muss, will sie nur ungern für einige Zeit auf das Weingut zurückkehren. Zu schlecht ist das Verhältnis zu ihrer Schwester Bianca, die ein wenig schrullig und versponnen, nie das Elternhaus verlassen hat.

Die Rückkehr löst erst mal einen Schock aus. Bei den kurzen Besuchen zu Feiertagen oder an den Wochenenden ist ihr nie bewusst geworden, wie heruntergewirtschaftet das Gut ist. Es ist alles zu viel für ihre früh verwitwete Mutter geworden. Das ehemals renommierte Weingut steht kurz vor dem Ruin. Doch dann taucht auf Reparaturarbeiten im alten Weinkeller ein Dokument auf, dass das Leben der vier Generationen Schwanthaler Frauen durcheinander wirbelt.

Heike Wanner hat einen leichten Sommerroman geschrieben, in dem es ums Heimkommen und Ankommen geht. Das übermittelt schon beim Lesen ein wohliges Gefühl. Die Geschichte kommt mit wenigen Figuren aus, aber die sind alle liebenswert charakterisiert und die schwesterlichen Differenzen bringen Würze und auch witzige Szenen in diesen Roman. Natürlich müssen bis zum Happy End einige Schwierigkeiten geschultert werden, aber man begleitet die Schwanthaler Frauen gern dabei.

Es gibt auch einige offensichtlich unvermeidbare Klischees, aber wenn ich einen typischen Frauenroman wähle, dann weiß ich das und störe mich nicht daran. Vor allem wenn es gut in die Story eingebettet ist und nicht in zuckersüßen Kitsch ausartet. Wenn ich die Analogie zum Weinthema ziehen darf: süffig und frisch, aber wenig Nachhall.

Nette, unkomplizierte Unterhaltung, die 3,5 Sterne verdient.