Profilbild von Bibliomarie

Bibliomarie

Lesejury Star
offline

Bibliomarie ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Bibliomarie über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.08.2019

Eine schräge Geschichte

Hotel Schräg
0






Ich muss gestehen, es war ein Versehen, als ich dieses Buch in der Bücherei griff. Es sah gut aus, war nicht so umfangreich (grade richtig, wenn man in Wartezimmern herumsitzt) und Martin Walker ...






Ich muss gestehen, es war ein Versehen, als ich dieses Buch in der Bücherei griff. Es sah gut aus, war nicht so umfangreich (grade richtig, wenn man in Wartezimmern herumsitzt) und Martin Walker kannte ich, also habe ich gar keinen Klappentext gelesen.

Es ist nicht vom "Bruno" Erfinder, aber das macht nichts. Das Buch ist witzig geschrieben, voller Seitenhiebe auf die Kunstszene.

Kurz zum Inhalt: Das Hotel ist schon seit 4 Generationen im Besitz der Familie Schräg, es war als Bergsteigerhotel für die Engländer gedacht, die damals in Scharen in die Schweiz einfielen. Nur das es in diesem Ort keine steilen Berge zu erklimmen gibt. So kümmert das Hotel vor sich hin, bietet seinen Gästen keinen Komfort, aber dafür Historie. Die Besitzer pflegten ihre Exzentrizität genauso wie ihre Gäste.

Dann es gab einmal eine Zeit, in der Künstler, die später Weltruhm erlangten, dort abstiegen. Mondrian, Malewitsch, Picasso und viele andere mehr. Das lockt Benoit und seine Freundin Lola her. Benoit möchte seine Doktorarbeit über den Künstler Valse schreiben und hofft auf unbekannte Werke, Erinnerungen oder Dokumente. Die findet Benoit auch, aber trotzdem kommt alles anders als geplant. Daran hat nicht zuletzt Alain Schräg, der Sohn des Besitzers einen großen Anteil.

Das ist ein wirklich unterhaltsames Buch, genau so schräg wie der Titel und die Figuren. Mir gefiel die Leichtigkeit des Stils, die unterschwellige Ironie, die ganze Art des Erzählens eben.

Die Ausflüge in die Kunstszene sind unterhaltsam und sogar ein wenig lehrreich.

Ich habe die - leider nur kurze Geschichte - sehr genossen.

Veröffentlicht am 30.08.2019

Lieber eine Mozartkugel

Mozartkugelkomplott
0

Es gibt schon eine Reihe von Romanen in denen Martin Merana in Salzburg ermittelt. Die Stadt mit ihren Sehenswürdigkeiten, den Festspielen, Mozart und viel Berühmtes mehr, bietet auch eine Menge Hintergrund.


Dieses ...

Es gibt schon eine Reihe von Romanen in denen Martin Merana in Salzburg ermittelt. Die Stadt mit ihren Sehenswürdigkeiten, den Festspielen, Mozart und viel Berühmtes mehr, bietet auch eine Menge Hintergrund.


Dieses Mal kommt ein Schauspieler zu Tode. Er stirbt im Mozarthaus bei einer heißen Nummer an vergifteten Mozartkugeln. Eine junge Praktikantin des Museums war seinem Charme erlegen und hat die Schlüssel „geliehen“ um dem Star einen ganz besonderen Ort für eine Liebesnacht zu bieten.
Die Polizei ermittelt im Umfeld der Dreharbeiten, das Mordopfer war ein Star mit vielen Neidern, aber auch ein Schnösel mit einer Legion von Verehrerinnen.

Dann kommt es zu weiteren Vergiftungen, immer sind es die Mozartkugeln der Firma Mirabell die präpariert sind. Also doch nur ein Zufallsopfer, zumal die Firma auch einen Erpresserbrief findet.

Der Plot ist ganz witzig, aber die künstliche und gestelzte Sprache nervt. Dazu die vielen belehrenden Ausflüge in die Kunst- und Kulturgeschichte der Stadt Salzburg, die der Autor immer mal wieder einem Zeugen oder einer Nebenfigur in den Mund legt. Das würde einen Regionalkrimi gut anstehen, wenn dabei der Lesefluss nicht unterbrochen würde und es nicht so belehrend und aufgesetzt daher käme.

Und sorry, die Liebesszenen sind wirklich peinlich beschrieben. Das soll wohl kultiviert sein, aber wenn „die Körper schnell den wogenden Rhythmus eines gemeinsamen Gesangs fanden“ und dann „ein Feuerball in seinen Lenden explodiert“ dann ist das nur unfreiwillig komisch.

Aber auch die Dialoge im Kommissariat und in der weiteren Handlung klingen überhaupt nicht lebensecht. Spricht ein 14 -15jähriges Mädchen ihren Freund so Mut vor einem Klavierwettbewerb zu? „Du bist ein Künstler, du trägst die Fähigkeit eines genialen Gestalters in dir, ob du dich dagegen wehrst oder nicht.“
Nichts desto trotz entwickelt sich der Roman recht solide bis zum überraschenden Ende und man hat eine ganze Menge über die Kultur und die Sehenswürdigkeiten Salzburgs erfahren.

Veröffentlicht am 29.08.2019

Die Frau auf dem Dach

Der Sprung
0



Eine junge Frau steht auf einem Dach, was hat sie vor, will sie springen? Eine Passantin wird darauf aufmerksam und informiert die Polizei und die Rettungskräfte. Schnell läuft die übliche Maschinerie ...



Eine junge Frau steht auf einem Dach, was hat sie vor, will sie springen? Eine Passantin wird darauf aufmerksam und informiert die Polizei und die Rettungskräfte. Schnell läuft die übliche Maschinerie an. Unten vor dem Haus sammeln sich immer mehr Menschen, manche sind neugierig, andere betroffen und einige sind nur sensationslüsterne Gaffer.

Simone Lappert beleuchtet nun das Leben einiger Menschen, die in irgendeiner Form mit Manu, der jungen Frau auf dem Dach verbunden sind. Ein Polizist, der mit ihr spricht, die Passantin, die die erste Meldung machte, der Freund von Manu, ein Ehepaar, das an diesem Tag zum ersten Mal seit Jahren wieder Umsatz in ihrem kleinen Laden machen und viele mehr. Es sind Geschichten in der Geschichte, die sich allmählich zum einem Ganzen verbinden. Nach und nach klären sich die Verbindungen.

Es ist ein Roman, der mich von der ersten Seite an völlig in Bann gezogen hat. Alle Figuren sind echt und ihre Handlungsweisen authentisch, wie wirklich aus dem Leben erzählt. In Vielem kann man sich wiedererkennen. Dabei ist es eigentlich keine große Geschichte, es sind Augenblicke aus dem Leben, im Einzelnen eigentlich unspektakulär, aber jeder hat Auswirkungen auf alle Beteiligte. Es ist eine ganze Welt im Kleinen, die die Autorin zeigt und jeder Protagonist bringt seine eigene Facette in diesen Kosmos ein. Hoffnungslosigkeit, Optimismus, Trauer, neue Energie – es liegt alles ganz dicht beieinander.

Manchen Figuren widmet Simone Lappert mehr Aufmerksamkeit, gönnt ihnen eine optimistische Zukunft, manche werden nur gestreift und ihr weiteres Schicksal bleibt offen.

Ich habe diese Geschichte verschlungen, den schönen Sprachstil geradezu aufgesaugt, viele einzelne Sätze sind mir im Gedächtnis geblieben:

„Etwas das blüht, sollte man nicht umtopfen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es dabei eingeht, ist ziemlich groß.“ Antwort Manus auf den Vorschlag ihres Freundes, gemeinsam die Stadt zu verlassen

"Das sind alles Leute, die in der Schule beliebt sind oder es mal waren, dachte Winnie. Leute, die nie allein sind. Oder solche, die sich durchs Zuschauen überlegen fühlen, ihre Kraft aus der Schwäche anderer heraus entwickeln, so wie Timo." Gedanken einer gemobbten Schülerin, als sie ihren Mitschüler johlend in der Zuschauermenge sieht.

"Nie wollte sie in den Tod springen. Immer nur ins Leben." Eigentlich der wichtigste Gedanke auf dem Dach.

Ich könnte noch vieles anführen, selten habe ich so viele Markierungen beim Lesen angebracht.

Anfangs konnte ich mit der Portraitzeichnung des Titelbildes nicht viel anfangen. Es wirkte nichtssagend auf mich, aber je weiter ich gelesen habe, umso mehr gefiel mir Cover. Das Portrait einer jungen, nicht angepassten Frau passt ganz genau auf die tragende Figur dieses Romans.
Meine unbedingte Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 28.08.2019

Immobilienhaie am Elbufer

Der Tote vom Elbhang
0

Svea Kopetzki leitet die Mordbereitschaft beim Hamburger KDD. Während einer nächtlichen Joggingrunde – sie muss sich den Beziehungsfrust von der Seele laufen – wird sie zu einem Tatort beordert. Auf einem ...

Svea Kopetzki leitet die Mordbereitschaft beim Hamburger KDD. Während einer nächtlichen Joggingrunde – sie muss sich den Beziehungsfrust von der Seele laufen – wird sie zu einem Tatort beordert. Auf einem grade zur Versteigerung stehenden Grundstück am begehrten Falkensteiner Ufer wurden menschliche Knochen gefunden. Sorgfältig in Kaninchenfelle und Pappschachteln verpackt, weisen sie auf ein Verbrechen hin. Sollte der Fundort ein Zufall sein oder hat es was mit der Zwangsversteigerung des Grundstücks zu tun? Denn es ist schon erstaunlich was der Immobilienhai Kampmann für das Gelände und das verwahrloste Häuschen zu zahlen bereit ist.

Ein gelungenes Krimidebüt habe ich hier gelesen. Es gibt eine kompakte, aber vielschichtig angelegte Handlung mit genügend Wendungen, die für Spannung sorgen und kenntnisreich beschriebene Schauplätze. Das geht von den begehrten Wohnlagen am Elbeufer bis zu den Sozialtürmen in Born.

Wenn es um Zwangsversteigerungen geht ist der Immobilienspekulant meist nicht sehr fern und da unsere Kommissarin nach der Trennung dringend eine neue Wohnung braucht, ist es eine nette Idee Motiv und privaten Frust zu thematisieren.

Aber auch anderen Spuren muss Svea und ihr Team nachgehen. Dabei ist Kollege Tamme im Augenblick ein wenig durch den Wind, der zuverlässige Beamte und liebevolle Familienvater hat Probleme, Kollegin Franzi nervt ein wenig mit ihrem Gesunde – Ernährung Gerede und verteilt großzügig und ungefragt, Kräutertee und Ratschläge, aber trotzdem hält das Team zusammen und die kleinen privaten Kabbeleien und Einschübe machen richtig Spaß zu lesen. Die Figuren, allen voran Svea Kopetzki, sind gut charakterisiert, sehr realistisch in ihrem Auftreten und mich haben sie neugierig gemacht auf die ihre weitere Entwicklung .Ich hoffe, dass es wirklich nicht bei diesem Debüt bleibt, denn Schauplatz und Personen bieten sich für eine Fortsetzung wirklich an.
Darauf bin ich schon neugierig.

Veröffentlicht am 27.08.2019

Ein schmutziges Geschäft

Öxit
0

Die ehrgeizige Journalistin Lou Sorko wittert die große Story. Ein unbekannter Informant hat ihr heiße Details zu Politikerdeals versprochen.

4 Wochen später ist Lou Sorko tot und Oberst Radek Kubica ...

Die ehrgeizige Journalistin Lou Sorko wittert die große Story. Ein unbekannter Informant hat ihr heiße Details zu Politikerdeals versprochen.

4 Wochen später ist Lou Sorko tot und Oberst Radek Kubica und sein Kollege Dvorak stochern im Sumpf. Schnell wird klar, dass ihre Arbeit torpediert wird. Brisante Informationen gelangen an die Presse, in entscheidenden Augenblicken werden sie vom Chef Stankovic zurückgepfiffen und offensichtlich ist ihnen jemand immer einen Schritt voraus. Kein Wunder, bewegen sich doch alle Beteiligten im Bereich der Politik und der einflussreichen Wiener Gesellschaft. Wem können sie eigentlich noch vertrauen?

Das neue Buch von Hans Peter Vertacnik ist ein Politik Krimi erster Güte. Ich hätte ja gerne auch Satire gesagt, aber leider hat die Realität den Einfallsreichtum von Romanciers und Satirikern bereits eingeholt. Man muss sich nur die Schlagzeilen ansehen und das trifft auf die Alpenrepublik genau so zu, wie in anderen Ländern unserer global vernetzten Welt.

Der Krimi ist sehr temporeich und auch anspruchsvoll geschrieben. Kein Buch für so zwischendurch, man braucht schon eine gewisse Konzentration um all die Beteiligten und ihre Schachzüge zu durchschauen. Das hat mir gut gefallen, vor allem weil ich ständig das Gefühl hatte, hier wirklich einen realistisch recherchierten Plot zu lesen. Kein Wunder, denn der Autor kann auf eine veritable Karriere bei der Polizei zurückblicken.

Die Charaktere der Protagonisten sind sehr farbig und vielschichtig angelegt. Bei den Politikern hatte ich sofort Bilder im Kopf von karrieregeilen, gelackten Erfolgsmenschen, die populistisch mit den Medien und ihren Anhängern spielen, ohne je ihre eigenen Ziele aus den Augen zu verlieren. Es geht halt immer nur um Macht und Geld.
Kubica und Dvorak gefallen mir besonders, auf ihre Weise bleiben sie integer, obwohl sie sich nicht scheuen auch mal etwas krumme Wege zu gehen und eher unkonventionelle Quellen anzuzapfen. Dabei hat mir ihre manchmal melancholische und desillusionierte Weltsicht sehr gut gefallen.

Wien glänzt als Schauplatz, gut beschriebene Locations und stimmig eingefangene Atmosphäre, wie ich finde.

„Öxit“ hat mich überzeugt, das Buch hat mir mitunter Gänsehaut verursacht.