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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.01.2021

Das Leben wie ein Dominospiel...

Sieben Richtige
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In dem Roman geht es um Zufälle, durch die sich sieben verschiedene Lebenswege mehr oder weniger überschneiden.
Es sind unspektakuläre Geschehnisse, wenn man sie auf das große Ganze bezieht, aber für ...

In dem Roman geht es um Zufälle, durch die sich sieben verschiedene Lebenswege mehr oder weniger überschneiden.
Es sind unspektakuläre Geschehnisse, wenn man sie auf das große Ganze bezieht, aber für die jeweils Betroffenen sind es weltbewegende Ereignisse.

Auf diese Weise lesen wir von Schicksalsschlägen, erfahren wir verschiedene Lebensgeschichten, die ineinander greifen und lernen wir vielfältige Beziehungen und unterschiedliche und interessante Charaktere kennen.
Wir lesen vom ganz normalen Leben, über das außergewöhnlich fesselnd geschrieben wird.

Wir erfahren von der zerbrochenen Ehe zwischen Victor und Marie, zu der auch noch eine Krebsdiagnose kommt.
Wir werden Zeugen vom Alptraum aller Eltern, dem dramatischen Unfall des Töchterchens, den man nur beobachten, aber nicht verhindern kann.
Wir lesen vom völlig unerwarteten Tod eines Vaters, der gerade dabei war, den Umzug von Eva Winter zu bewerkstelligen, für die vor Jahren der o. g. Victor geschwärmt hat.

Der Kreis schließt sich. Die Welt ist so groß und doch so klein. Alles ist hier mit allem in Verbindung... so als hätte man einen Sechser im Lotto mit Zusatzzahl. Unwahrscheinlich, aber eben doch möglich.
Mir fiel das Bild der Kettenreaktion eines Dominospiels ein. Nachdem der erste Stein angestoßen ist, gerät alles in Bewegung...

Der Autor schreibt rasant, eindringlich und lebendig und seine Sprache ist ein Genuss.
Bildgewaltig und wortgewandt sind Adjektive, die sich beim Nachdenken über die Lektüre aufgedrängt haben.

„Sieben Richtige“ ist der bewegende und tiefgründige Debutroman des 1974 geborenen Volker Jarck.
Er liest sich leicht und schenkte mir einen ganzen Tag Lese- und Lebensfreude.
Er hat eine Wucht, die sich in viele Richtungen bemerkbar macht: man freut sich und muss lachen, man ist tief berührt oder traurig und muss die Tränen wegblinzeln, man bangt und hofft mit den Protagonisten... man muss einfach staunen, was Volker Jarck hier mit seinem Erstling geschaffen hat.

Ich empfehle „Sieben Richtige“ sehr gerne weiter.
Es ist nun eines meiner vielen Lieblingsbücher!

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Veröffentlicht am 07.01.2021

Eine Geschichte von drei Frauen und drei Generationen - mitreißend, berührend und interessant erzählt.

Couscous mit Zimt
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Es geht in dem packenden Debutroman von Elsa Koester um drei aufrechte, respektable und eigenwillige Frauen, die in ihrem Leben so allerlei mitgemacht haben.

Lisa kommt in den Genuss einer Eigentumswohnung ...

Es geht in dem packenden Debutroman von Elsa Koester um drei aufrechte, respektable und eigenwillige Frauen, die in ihrem Leben so allerlei mitgemacht haben.

Lisa kommt in den Genuss einer Eigentumswohnung in Paris, nachdem ihre Großmutter Lucile mit über 100 Jahren und kurz danach ihre Mutter Marie an Krebs gestorben sind...zwei charakterstarke und unabhängige Frauen, deren Verhältnis alles andere als harmonisch war.

Lucile hat ihre letzten Jahre zurückgezogen in dem Pariser Apartment verbracht. Ihre Begleiter waren Zigaretten, Alkohol und Bücher.

Lisa weiß von ihrer Mutter Marie so Einiges aus ihrer Vergangenheit. Aber es ist eben nur eine Sicht der Dinge und wer weiß schon, ob ihr vollständig und wirklich zu trauen ist.

Ihre willensstarke Großmutter Lucile musste nach der Unabhängigkeit Tunesiens mit ihren Töchtern Marie und Solange Hals über Kopf die Heimat verlassen.
In Frankreich wurden sie sesshaft, aber die energiegeladene lebhafte Marie verkraftete den Weggang aus ihrem Geburtsland nie zur Gänze. Immer wieder geriet sie in der neuen Heimat aus dem Tritt, nie gelang es ihr, wirklich anzukommen und Fuss zu fassen.
Marie hatte nicht nur diese qualvolle Entwurzelung, sondern auch eine aufwühlende erste Liebe zu verdauen, bevor sie schließlich vor ihrer zudringlichen Mutter Lucile nach Berlin floh, wo schließlich Lisa zur Welt kam.

Nachdem Lisa nach dem Tod der beiden Frauen in Paris ankommt, um sich um den Nachlass zu kümmern und das Notwendige zu regeln, wird sie von Erinnerungen an ihre chaotische und komplizierte Familie eingeholt.

Die Autorin erzählt einfühlsam, feinfühlig, voller Natürlichkeit und mit spürbarer Freude und Wärme, die die Lektüre zu einem Genuss machen.
Mit scheinbarer Leichtigkeit verknüpft sie die Schicksale ihrer in all ihrer Vielschichtigkeit gezeichneten Figuren, so dass ein harmonisches und stimmiges Ganzes entsteht.
Gut herausgearbeitet hat sie die transgenerationale Weitergabe von Konflikten und das Nach- und Hineinwirken vergangener Erfahrungen und Geschehnisse in die Gegenwart.
Zeitweise ist es harte Kost, die es zu verdauen gilt, aber das ist der schonungslos offenen, ehrlichen und schnörkellosen Schilderung geschuldet, was meines Erachtens ein Pluspunkt des Buches ist.

Die 1984 in Berlin geborene Elsa Koester hat mit „Couscous mit Zimt“ einen bewegenden, authentisch wirkenden, bildgewaltigen und lesenswerten Familienroman geschrieben, bei dem ich Neues erfuhr und den ich sehr gerne weiterempfehle.
Vor der Lektüre hatte ich keine Ahnung, was der Begriff „Pied noir“ bedeutete und dass er die Algerienfranzosen meint, die nach dem Ende des Algerienkriegs 1962 in ihre ursprüngliche Heimat zurückkehrten.

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Veröffentlicht am 05.01.2021

Der Herbst des Lebens und viel mehr als ein Brexit-Roman.

Herbst
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„Herbst“ ist der erste Band des Jahreszeitenquartetts der 1962 in Schottland geborenen Ali Smith, die mit diesem Roman zum vierten Mal auf der Shortlist des Man Booker Prizes platziert war.

Hier werden ...

„Herbst“ ist der erste Band des Jahreszeitenquartetts der 1962 in Schottland geborenen Ali Smith, die mit diesem Roman zum vierten Mal auf der Shortlist des Man Booker Prizes platziert war.

Hier werden die gesellschaftspolitischen Veränderungen und der gegenwärtige Zustand nach dem Brexit-Votum beschrieben, aber auch die Themen Freundschaft, Kurzlebigkeit, Flüchtigkeit und Vergänglichkeit spielen eine Rolle.

Der 101-jährige jüdische Pflegeheimbewohner Daniel, ein ehemaliger Schlagerkomponist, liegt im Sterben.
Die 32-jährige Aushilfdozentin Elizabeth, seine ehemalige Nachbarin, begleitet ihn in dieser letzten Phase seines Lebens.
Sie sitzt jeden Tag lesend an seinem Krankenbett und jedes Mal, wenn er aus seinem Dämmerschlaf erwacht, fragt er sie: „Was liest Du gerade?“

Daniel hatte eine große Bedeutung in Elizabeths Leben. Er war gleichermaßen Vaterersatz, Vertrauter, Freund und Mentor, führte sie in die Welt der Bücher ein und ermunterte sie durch Fragen und Diskussionen zu selbstbestimmtem, unabhängigem und kritischem Denken.
Er begleitete sie sozusagen ins Erwachsenenleben, was von ihrer Mutter skeptisch beäugt wurde.
Ist es nicht verdächtig, wenn sich der Fremde aus dem Nachbarhaus so intensiv der Tochter widmet? Muss man nicht misstrauisch werden, wenn man deren gegenseitige Zuneigung wahrnimmt?

Während dieser letzten gemeinsamen Zeit im Pflegeheim, in der Elizabeth dem Greis etwas von dem zurückgeben möchte, was er ihr einst geschenkt hat, hängen sie zusammen Gedanken nach und schweigen in Erinnerungen und Rückblenden.

Es sind gegenwartsbezogene Gedanken, wie Kunst, Rassismus und Brexit-Votum, Rückblenden in die Zeit des Krieges und Erinnerungen an die Kindheit, die die beiden beschäftigen und verbinden.

Ali Smith schreibt anschaulich, ergreifend und poetisch und appelliert subtil an mehr Menschlichkeit. Den typisch britischen Humor hat sie dabei gekonnt eingebaut.

„Herbst“ ist ein beeindruckender und wortgewandter Roman, der Politik fast nebenbei, äußerst unaufdringlich, unterhaltsam und poetisch vermittelt und viele Denkanstöße gibt.

Ich empfehle dieses besondere, außergewöhnliche und aktuelle Buch, das mich bald in seinen Bann zog, äußerst gern weiter, bin nun gespannt auf die Folgebände und freue mich schon sehr darauf, sie zu lesen.

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Veröffentlicht am 04.01.2021

Gruseliges und Spannendes aus einem Herrenhaus in den Highlands...

Hinter diesen Türen
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„Hinter diesen Türen“ spielt in einem riesigen, idyllisch gelegenen und abgeschiedenen Anwesen in den schottischen Highlands, das von außen betrachtet recht bodenständig und konservativ daherkommt, aber ...

„Hinter diesen Türen“ spielt in einem riesigen, idyllisch gelegenen und abgeschiedenen Anwesen in den schottischen Highlands, das von außen betrachtet recht bodenständig und konservativ daherkommt, aber innen durch und durch mit intelligenter Technologie ausgestattet ist.

Die 27-jährige Erzieherin Rowan meint, genau dort ihren Traumjob als Kindermädchen bei einer wohlhabenden Familie mit vier Töchtern gefunden zu haben.
Eine üppige Bezahlung dafür, dass sie sich um zwei kleine Mädchen und ein Baby kümmern soll, klingt mehr als verlockend.
Sie ist fasziniert von dem prächtigen Herrenhaus mit seiner High-Tech-Ausstattung in überwältigender Landschaft.

Doch sie wird bald eines Besseren belehrt. Die Stelle ist stressig und der abstoßende Familienvater kommt ihr zu nahe. Außerdem geschehen plötzlich unerklärliche, verstörende und beängstigende Dinge. Rowan hört nachts Geräusche; es scheint zu spuken.

Sie meint, ständig beobachtet zu werden und auch die Mädchen legen ein zunehmend eigenartiges Verhalten an den Tag.
Und dann passiert das Ungeheuerliche: ein Todesfall ereignet sich und Rowan soll die Schuldige sein, weshalb sie erstmal ins Gefängnis muss...

„Hinter diesen Türen“ ist ein stimmiger und schlüssiger, spannender und schaurig-mysteriöser Psychothriller mit überraschenden Wendungen, der mich von Anfang an in seinen Bann zog.

Ich mochte die durchgehend unheimliche Atmosphäre und es gefiel mir sehr, dass Gefühle und Verhalten der Protagonistin nachvollziehbar waren.

Zweierlei muss ich beanstanden:
Es ist kaum nachvollziehbar und für mich eher wenig glaubwürdig, dass eine Angeklagte ihrem potentiellen künftigen Anwalt einen ganzen Roman schreibt und das Ende des Thrillers war mir etwas zu übereilt.

Aber ansonsten gefiel mir dieser Roman ausgesprochen gut und ich empfehle ihn sehr gerne weiter!

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Veröffentlicht am 03.01.2021

Eine Perle!

Die Vögel
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Der ca. 37-jährige Mattis ist anders.
Er ist in sich gekehrt, lebt in seiner eigenen Welt und wird von den Dörflern verspottet, verlacht und als zurückgeblieben abgestempelt.
Sie nennen ihn abfällig ...

Der ca. 37-jährige Mattis ist anders.
Er ist in sich gekehrt, lebt in seiner eigenen Welt und wird von den Dörflern verspottet, verlacht und als zurückgeblieben abgestempelt.
Sie nennen ihn abfällig „Dussel“.
Er weiß, dass er nicht ist, wie alle anderen.
In seinem Kopf ist oft ein Durcheinander und seine Gedanken schweifen immer wieder ab.

Zusammen mit seiner um ca. drei Jahre älteren Schwester Hege, die sich um ihn und den Haushalt kümmert, wohnt er in einem kleinen alten Häuschen am See.
Die beiden haben viele Gemeinsamkeiten, aber harmonisch geht es bei weitem nicht immer zu. Für Hege ist es nicht immer einfach, freundlich und geduldig mit ihrem „...einfältigen Bruder...“ (S. 8) zu sein. Vieles versteht er nicht und oft hat er einfach keine Lust.
Am Liebsten verbringt er seine Zeit im Freien.

Hege erledigt Strickarbeiten und der naturverbundene Mattis verrichtet einfachste Hilfsarbeiten auf dem Feld und im Wald. Damit bestreiten die beiden ihren Lebensunterhalt. Auch Mattis erhält einen Lohn obwohl er sich oft ungeschickt und unbeholfen anstellt.

Mattis, der die Welt mit neugierigen und kindlichen Augen betrachtet, hat ein Faible für Waldschnepfen und er fühlt sich mit seiner Schwester sehr verbunden, auch wenn geschwisterliche Konflikte nicht ausbleiben.

Alles hat sich gut eingespielt, läuft in gewohnten Bahnen und wie am Schnürchen bis eines Tages der Holzfäller Jørgen auftaucht, der sich in Hege verliebt und sich bei ihnen einnistet.
Und zu allem Überfluß wird dann auch noch eine Waldschnepfe, die er gern und oft beobachtet hat, erschossen.

Diese beiden Geschehnisse bringen den kindlichen Mattis ziemlich durcheinander, sein inneres Gleichgewicht gerät in eine Schieflage und seine bis dahin sichere Welt beginnt zu wanken.
Er empfindet eine gewisse Bedrohlichkeit...

Mit einzigartiger Sprache - einfach und gleichzeitig wortgewaltig, fesselnd, poetisch und bildhaft - erzählt Vesaas die bezaubernde und melancholische Geschichte von Mattis, in den man sich wunderbar hineinversetzen und mit dem man problemlos mitfühlen kann. Egal ob Kummer, Sorgen, Nöte, Freude oder Angst... alles wird spürbar und greifbar.

Faszinierend ist, dass das Ungesagte zwischen den Zeilen nicht minder fesselt. Da wird etwas ganz Bedeutsames ohne Worte transportiert und das ist große Kunst!

Nicht unerwähnt sollen die eindrücklichen Landschafts- und Naturbeschreibungen bleiben. Wälder, Seen, Bäche, die Tierwelt und Wetterphänomene werden vor dem geistigen Auge lebendig.

Es macht große Freude, den Außenseiter Mattis zu begleiten und einen Einblick in die Innenwelt dieses sonderbaren, in sich gekehrten jungen Mannes zu bekommen, der Schwierigkeiten mit zwischenmenschlichen Beziehungen hat.

Ich empfehle diesen unaufgeregt, glaubwürdig und feinfühlig erzählten Roman sehr gerne weiter! Er hat eine Intensität und übt einen Sog aus, obwohl er nicht spannend im eigentlichen Sinn ist.
Man kann sich hineinfallen und treiben lassen.
Lesevergnügen und Entspannung pur, obwohl schon ganz bald klar ist, dass etwas Tragisches passiert.

Ein Buch zum Genießen... trotz aller Ernsthaftigkeit und Tragik.

Ach ja: Das Nachwort von Judith Henkel ist übrigens auch sehr lesenswert, weil sie interessante und informative Anmerkungen und Interpretation zum Besten gibt.


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