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Veröffentlicht am 03.12.2024

Und wenn sich alles in Kreisen bewegt…

Umlaufbahnen
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"Brutal ist das Leben hier, unmenschlich, überwältigend, einsam, außergewöhnlich und großartig.“ Ihre Worte, nicht meine. Samantha Harvey nimmt die Leser in ihrem Roman 16mal mit um die Erde – denn so ...

"Brutal ist das Leben hier, unmenschlich, überwältigend, einsam, außergewöhnlich und großartig.“ Ihre Worte, nicht meine. Samantha Harvey nimmt die Leser in ihrem Roman 16mal mit um die Erde – denn so viele Erdumrundungen schafft die Raumstation in 24 Stunden.

 

Das was auf der Erde ein Tag und eine Nacht ist – klar strukturiert von Sonnenauf- und -untergang, macht die sechs Astronauten verrückt. Oder vielmehr – sie müssen lernen, sich davon nicht verrückt machen zu lassen. Denn sie erleben 16 Sonnenaufgänge, 16 Sonnenuntergänge innerhalb dieses Zeitraums – und das jeden Tag. Da wird einem schon beim Lesen schummrig…

 

Nicht nur einmal habe ich mich als Leser gefragt: könnte ich das? Könnte ich mit den Bedingungen umgehen, in die sich die sechs Raumfahrer – vier Männer und zwei Frauen – freiwillig begeben haben? Worin besteht ihr Tagesablauf? Wie kommen sie mit der Schwerelosigkeit zurecht? Woran denken sie, wenn sie aus den Sichtfenstern der Raumstation schauen?

 

Man muss sich bewusst sein, dass dieser Roman keine actiongeladene Science Fiction-Geschichte erzählt. Ganz im Gegenteil. Als würde man selbst mit in der Schwerelosigkeit schweben, driften die Gedanken durch Zeit und Raum. Mal begleiten wir die Asiatin Chie, die im All gerade die Nachricht vom Tod ihrer Mutter erhalten hat. Mal vermissen wir mit Pietro die italienische Großfamilie. Mal schauen wir mit dem russischen Kosmonauten Anton hinunter auf eine Welt, auf der keine Grenzen erkennbar sind – obwohl es doch da unten auf der Erde politisch permanent darum geht, Landesgrenzen zu erhalten, zu sichern, zu verteidigen.

 

Dies ist kein Buch zum schnellen Durchlesen. Es ist eins, das man betont langsam lesen sollte, wenn man den Anspruch hat, sich mit den von der Autorin angesprochenen Themen auseinanderzusetzen. Teilweise klingt es wie ein Philosophieren, teilweise werden aber auch die Fakten des (herausfordernden) Alltagslebens in der Raumstation dargestellt.

 

Samantha Harvey hat für diese Darstellung den Booker Prize 2024 für das beste englischsprachige Buch des Jahres erhalten. Zu Recht? Das muss jeder für sich entscheiden. Die Autorin betrachtet die Erde und ihre Menschen von oben, wirft im wahrsten Sinne des Wortes mit Abstand einen Blick auf den Planeten. Wer für eine gute und inhaltsreiche Lektüre keinen klassischen Plot braucht, sondern seine Gedanken schweifen lassen möchte, ist mit diesem Roman gut beraten.

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Veröffentlicht am 24.11.2024

Licht und Schatten im Wien des Jahres 1928

Und Wien leuchtete
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Anna Sacher und Emilie Flöge sind in den 1920er Jahren bekannte Persönlichkeiten in Wien. „Die Sacher“ leitet seit Jahrzehnten das berühmte Hotel Sacher und ist aus der Wiener Gesellschaft nicht wegzudenken. ...

Anna Sacher und Emilie Flöge sind in den 1920er Jahren bekannte Persönlichkeiten in Wien. „Die Sacher“ leitet seit Jahrzehnten das berühmte Hotel Sacher und ist aus der Wiener Gesellschaft nicht wegzudenken. Emilie Flöge war die Lebensgefährtin des Malers Gustav Klimt und damit genau so stadtbekannt.

 

Auf ihren jeweiligen Lebensgeschichten beruht dieser Roman. Beziehungsweise er ist von ihren Lebensgeschichten inspiriert. Die Handlung des Romans sind frei erfunden, aber die historischen Persönlichkeiten sind seine tragenden Protagonistinnen. Ihnen stellt die Autorin noch weitere Frauen an die Seite, unter anderem eine junge Journalistin aus Berlin. Die gesetzten Damen Sacher und Flöge sind in Habacht-Stellung - denn welche Geschichten sollen denn jetzt wieder über sie ausgegraben werden? Die Spielsucht der Sacher ist allgemein bekannt, die vielen weiteren „Musen“ von Gustav Klimt sind es ebenso. Wieso also möchte die junge Frau unbedingt Interviews mit ihnen führen?

 

Wer das herausfinden möchte, muss diesen Roman selbst lesen… denn die eigentlichen Intentionen der Journalistin sind ganz persönlicher Natur und haben mit einem 20 Jahre zurückliegenden Skandal zu tun, der Wien einst erschütterte - und der historisch belegt ist. Hier verknüpft die Autorin geschickt Wahrheit und Fiktion und schafft ihre ganz eigene Version der Dinge… Das ist spannend zu lesen und gibt einen Einblick in die damalige Wiener Kultur und Subkultur, in das Leben oberhalb, aber auch unterhalb der Straßen Wiens.Letztendlich wird es ein Kampf der Geschlechter… aber mehr soll hier nicht verraten werden

 

Interessant fand ich den Schreibstil, den ich so noch nicht in vielen Romanen gelesen habe und der tatsächlich anfangs etwas gewöhnungsbedürftig für mich war. Denn die Autorin meldet sich während der Handlung ab und an selbst zu Wort und erläutert Begebenheiten oder Zusammenhänge aus ihrer heutigen Sicht. Sie spricht dabei die Leser direkt an (natürlich im Wiener Dialekt) und macht das Buch damit auch ein bisschen zu einem persönlichen Statement. Wer damit kein Problem hat, wird ansonsten mit dem flüssigen Schreibstil gut zurecht kommen.

 

 

 

Für mich war es mal ein etwas anderer Wien-Roman, sowohl vom Thema her als auch stilistisch, der insbesondere die gestandene Grande Dame der Gesellschaft, Anna Sacher, in den Mittelpunkt rückt. Er erzählt nicht nur eine (fiktive) Geschichte, sondern lässt auch das Leben der Sacher Revue passieren. So ist es letztlich sowohl ein unterhaltsames als auch ein lehrreiches Buch, das in doppelter Hinsicht Spaß macht.


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Veröffentlicht am 17.11.2024

Vom Star zum „ganz normalen“ Leben

Die Wildblütentochter (Die Blumentöchter 2)
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Soley ist als Sängerin auf der ganzen Welt unterwegs und hat ihr Jet-Set-Leben genossen. Doch plötzlich fühlt sich alles nicht mehr richtig an. Als ihr – ebenfalls berühmter - Lebenspartner sie betrügt ...

Soley ist als Sängerin auf der ganzen Welt unterwegs und hat ihr Jet-Set-Leben genossen. Doch plötzlich fühlt sich alles nicht mehr richtig an. Als ihr – ebenfalls berühmter - Lebenspartner sie betrügt und sie dies über veröffentlichte Fotos im Internet erfährt, hinterfragt sie ihr bisheriges Leben. Sie beschließt, sich eine Auszeit zu gönnen im Land ihrer Vorfahren, denn ihr Vater stammt aus Island. Bereist hat sie dieses Land bisher nie, denn ihr Vater spricht nie über seine Herkunft. Dennoch findet sie im Elternhaus ein Gemälde mit dem Porträt einer jungen Frau, die ihr zum Verwechseln ähnlich sieht. Sie nimmt sich vor herauszufinden, wer sie war und kommt einem Familiengeheimnis auf die Spur.

Tessa Collins entführt uns im zweiten Band ihrer Blumentöchter-Reihe ins kühle, aber wunderschöne Island. Gemeinsam mit Soley entdeckt man als Leser die Schönheit der Insel und ein Stück weit auch ihre Geschichte. Das Buch macht Lust auf eine Reise nach Island und bringt einem auch die Lebensweise der Bewohner näher.

Insofern hätte es für mich ein wunderschönes Buch zum Träumen und Abschalten vom Alltag sein können. Wenn… ja wenn da nicht Soley gewesen wäre, die mich ab und an ziemlich genervt hat. So gut ich ihre Sehnsucht nach Ruhe und ihr Ausgebranntsein verstehen konnte – aber manchmal wollte ich sie einfach nur schütteln, damit sie endlich mal handelt… Sie verschweigt ihrem Love Interest Jon über das gesamte Buch hinweg, dass sie eine berühmte Sängerin ist. Sie merkt ganz genau, wenn es Gelegenheiten gibt, sich ihm zu offenbaren – aber sie tut es nie. Und das passiert nicht nur ein oder zwei Mal im Roman, sondern bestimmt sechs oder sieben Mal. Es war einfach nur nervig und als Leser wird man mit der Nase drauf gestupst, dass hier künstlich ein Konflikt aufgebaut wird (natürlich findet es Jon im ungünstigsten Moment heraus und natürlich führt das zu einem massiven Streit zwischen Soley und ihm). Hätte es hier nicht elegantere Möglichkeiten gegeben, Spannung aufzubauen? Ich hatte hierdurch leider nicht das Gefühl, dass Soley eine reflektierte Frau ist, sie wirkte auf mich sehr unreif.

So sehr ich auch die sonstige Geschichte, das Setting und vor allem den Handlungsstrang in der Vergangenheit mochte - Soleys Art und der Eindruck fehlender Charakterentwicklung hat das Buch für mich leider nicht ganz rund erscheinen lassen. Dabei hatte mir Teil 1, der in Mexiko spielte, so gut gefallen! Aber ich werde die Reihe auf jeden Fall weiterlesen, denn mir gefällt das Konzept der Reihe sehr gut und ich bin mir sicher, dass ich mit einem neuen Buch und einer neuen Protagonistin beim nächsten Mal wieder mehr Freude daran haben werde!

Fazit:
Ein Roman zum „Weglesen“, zum Wegträumen ins wunderschöne Island und damit gut geeignet als Entspannungslektüre nach Feierabend oder am Wochenende.











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Veröffentlicht am 29.10.2024

Eisige Spannung im deutsch-dänischen Grenzgebiet

Nordlicht - Das kalte Grab
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Im mittlerweile 6. Fall für Vibeke Boisen und Rasmus Nyborg geht es eiskalt zu. Nicht nur wird ein deutsches Ehepaar in ihrem neuen dänischen Domizil grausam ermordet, auch die Temperaturen bei den Ermittlungen ...

Im mittlerweile 6. Fall für Vibeke Boisen und Rasmus Nyborg geht es eiskalt zu. Nicht nur wird ein deutsches Ehepaar in ihrem neuen dänischen Domizil grausam ermordet, auch die Temperaturen bei den Ermittlungen liegen unter dem Gefrierpunkt. Inmitten der kargen und rauhen Winterlandschaft ermittelt das deutsch-dänische Duo wieder gewohnt routiniert und deckt Spuren auf, die weit in die Vergangenheit führen – 45 Jahre zurück in den Eiswinter 1978/1979.

Ich liebe die Nordlicht-Krimis von Annette Hinrichs und die beiden Ermittler Vibeke und Rasmus sind mittlerweile zu guten Freunden geworden, die ich immer wieder gern beim Lösen ihrer Fälle begleite. Und das am liebsten in der Hörbuchfassung – denn Vera Teltz gibt den Krimis mit ihrer etwas dunkleren Erzählstimme genau den richtigen „spröden“ Vibe des Nordens. Insbesondere Vibeke verkörpert sie damit für meine Begriffe perfekt, aber auch zu Rasmus passt ihre Stimmfarbe gut. Beiden gibt sie damit einen eigenen Charakter und ich lasse mich von ihr jedes Mal aufs Neue gern nach Dänemark und nach Schleswig-Holstein entführen.

Was mir an den Nordlicht-Krimis besonders gefällt, ist auch die ständige Weiterentwicklung der Protagonisten. Man begleitet sie nicht nur durch ihre kniffligen Kriminalfälle, sondern auch durch ihr nicht ganz leichtes Privatleben. Auch in dieser Beziehung müssen sie sich immer wieder neuen Herausforderungen stellen – diesmal zum Beispiel wird Vibeke mit ihrer Vergangenheit als Pflegekind konfrontiert, was zu starken persönlichen Erschütterungen führt. Ihre privaten „Kämpfe“ wirken nicht an den Haaren herbeigezogen, sondern logisch und bereichern die Reihe in meinen Augen sehr.

Ich empfand auch den 6. Nordlicht-Band wieder als gute Krimiunterhaltung und empfehle dieses Buch, aber auch die Vorgängerbände, gern weiter. Für mich eine der besten deutschen Krimi-Reihen im Moment.

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Veröffentlicht am 21.10.2024

Zeitreise ins mondäne Spielerparadies Baden-Baden

Kasino
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Wer schon einmal in einem Kasino am Roulettetisch gestanden hat, weiß, dass diese heiligen (Spiel-)Hallen immer einen Hauch Glamour versprühen. Auch heute noch. Doch wie sah es in der Vergangenheit aus, ...

Wer schon einmal in einem Kasino am Roulettetisch gestanden hat, weiß, dass diese heiligen (Spiel-)Hallen immer einen Hauch Glamour versprühen. Auch heute noch. Doch wie sah es in der Vergangenheit aus, als die gut betuchten Damen und Herren der Gesellschaft - und solche, die es werden wollten - sich am Spieltisch trafen?

Das edle Ambiente war auch damals schon ein wichtiger Faktor für den erfolgreichen Spielbetrieb. Und deshalb strahlt der gesamte Roman auch immer einen Hauch von Luxus aus.

Eingebettet in dieses Umfeld haben die Autoren eine Geschichte geschrieben, die von der weiblichen Emanzipation zeugt (aber leider ihrer Zeit fast 150 Jahre voraus war) - die Geschichte einer weiblichen Croupiere im Jahr 1847, was - wie man dem Nachwort entnehmen kann, keineswegs im 19.Jahrhundert bereits üblich war. Vielmehr gab es sogar erst Ende des 20. Jahrhunderts weibliche Spielleiter am Roulettetisch!

Dies tut jedoch der Spannung des Romans keinen Abbruch - die Geschichte ist gut konzipiert und hat neben einer sympathischen und tatkräftien Protagonistin (Claire) auch wunderbar gezeichnete Nebenfiguren, deren Schicksale ich gern verfolgt habe. Besonders Theo, der Sicherheitsmann, und Arzt Günther Leberecht sind mir ans Herz gewachsen. Sie haben eben das Herz auf dem rechten Fleck und sind grundauf ehrliche Menschen mit dem Blick für Notlagen anderer. Etwas, was auch heutzutage vielen Menschen gut zu Gesicht stünde.

Interessant fand ich auch, dass die sich anbahnende Liebesgeschichte zwischen Claire und dem Engländer George absolut nicht schwarz-weiß gezeichnet war. George leidet unter einer Krankheit (mehr möchte ich hier noch nicht verraten) und die Darstellung dieser (mit dem damaligen medizinischen Wissen) und die Schwierigkeiten, die das Leiden mit sich bringt, waren differenziert und nachvollziehbar dargestellt. Respekt, dass man sich in diesem historischen Roman an ein solches Thema gewagt hat.

Ein Kasino bietet natürlich auch viel Raum für Gier, Machtspiele und den Absturz in die Schuldenfalle - was wiederum die Tür öffnet für kriminelle Machenschaften. Auch das kommt natürlich im Roman nicht zu kurz und sorgt für Spannung im beschaulichen Baden-Baden.

Kurzum - dieser Roman hat alles, was gute Unterhaltungslektüre braucht und ich habe das Buch sehr genossen. Einzig das doch sehr wohlgefällige Happy End war mir einen kleinen Tick zuviel. Hier hätte ich mir gewünscht, dass sich vielleicht nicht alle Probleme lösen lassen und noch ein paar Spannungselemente ungelöst bleiben (für den von mir sehnlich erwarteten zweiten Teil!) ☺

Ich freue mich schon darauf, wenn es wieder heißt „Die neue Saison ist eröffnet - willkommen im Kasino von Baden-Baden!“



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