Cover-Bild Portrait meiner Mutter mit Geistern
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26,00
inkl. MwSt
  • Verlag: C.H.Beck
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Erzählende Literatur
  • Seitenzahl: 396
  • Ersterscheinung: 29.01.2025
  • ISBN: 9783406829710
Rabea Edel

Portrait meiner Mutter mit Geistern

Roman
Ein Name ist nicht viel – aber manchmal ist er alles, was wir haben

Rabea Edels Roman umspannt Jahrzehnte und verknüpft Zeitgeschichte mit persönlichem Schicksal. Im Mittelpunkt: eine unangepasste Frau, flirrend, poetisch und mutig, die isch entscheidet, dem scheinbar Vorherbestimmten etwas Eigenes entgegenzusetzen.

Raisa lebt allein mit ihrer Mutter Martha und das schon immer. An ihren Vater hat sie keine Erinnerung. Ihr Name ist das Einzige, was sie von ihm bekommen hat – besser so, sagt Martha. Doch Raisa beginnt, Fragen zu stellen. Als der Nachbarsjunge Mat verschwindet, beginnt Martha zu erzählen. Von der Großmutter Dina. Von Lügen, die schützen, und Lügen, die in Gefahr bringen. Von der Liebe ihres Lebens und ihrem größten Verlust.
Rabea Edel zeichnet in ihrem Buch die bewegende Lebensgeschichte ihrer Mutter und das Portrait einer Nachkriegsgeneration, die im Schatten der Gewalt und des Schweigens aufgewachsen ist. Sie erzählt von der Kraft der Liebe und von der Rückeroberung der eigenen Geschichte durch die Sprache. Ein Buch wie ein Kaleidoskop, das vor allem die Frauen in den Blick nimmt – und die weibliche Fähigkeit, sich immer wieder neu zu erfinden.


  • "Es liegt eine Art Trost in Edels Sprache, in der Zurückhaltung, mit der sie erzählt. Eine wahre Bereicherung." Haaretz
  • Drei Generationen von Frauen, die ohne Väter aufwachsen
  • Eine Tochter, die den Zirkel des Schweigens durchbricht
  • Der neue Roman der vielfach ausgezeichneten Autorin
  • "Rabea Edel beschreibt in überraschenden Bildern das Entgleisen der Gefühle. Durch verblüffende Dialoge und Porträts gelingt ihr ein Roman über die Abhärtung gegen das Glück." Herta Müller über "Das Wasser, in dem wir schlafen"

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.03.2025

Gespenster der Vergangenheit - eine eindringliche Familiengeschichte

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MEINE MEINUNG

In ihrem neuen Roman „Portrait meiner Mutter mit Geistern“ erzählt Rabea Edel eine hochkomplexe und sehr bewegende Familiengeschichte, die sich über vier Generationen von Frauen erstreckt ...

MEINE MEINUNG

In ihrem neuen Roman „Portrait meiner Mutter mit Geistern“ erzählt Rabea Edel eine hochkomplexe und sehr bewegende Familiengeschichte, die sich über vier Generationen von Frauen erstreckt und in einem Zeitraum von vor dem Zweiten Weltkrieg bis in die Gegenwart spielt.

Edel erkundet eindringlich, wie die Schicksale der Frauen durch die vielschichtigen psychologischen Auswirkungen von Verlusten, Flucht, Kriegserfahrungen, gesellschaftlicher Zwänge und weiblichem Überlebenswillen sowie kollektiver Traumata geprägt wurden. Eindrucksvoll zeigt sie auf, wie ein fatales Geflecht aus Schweigen, verdrängten Erinnerungen und unsichtbaren Narben die labilen Familiendynamiken beeinflusst und unausgesprochene Traumata über mehrere Generationen weitergereicht werden. Jede dieser verschiedenen Frauenfiguren steht mit all ihren Verletzlichkeiten, belastenden Erlebnissen aber auch Stärken zugleich für eine bestimmte historische Epoche und die damalige Gesellschaft.

Die Handlung ist nicht linear erzählt, sondern wechselt zwischen verschiedenen Zeitebenen und Erzählperspektiven. Im Mittelpunkt der Geschichte steht die junge Protagonistin Raisa, die versucht das hartnäckige Schweigen ihrer Mutter Martha über ihre unerzählte Vergangenheit zu durchbrechen und die vielen Familiengeheimnisse zu ergründen. Vor allem sucht Raisa nach Antworten über ihren Vater, der eine unerklärliche Leerstelle in ihrem Leben bleibt, und ihre eigene Herkunft.

Neben den Perspektiven von Raisa, ihrer Mutter Martha, ihrer Großmutter Selma und der Urgroßmutter Dina gibt es auch einen weiteren Handlungsstrang mit Jakob, einem Jugendfreund von Selma, der im Jahr 2014 in New York versucht seine Lebenserinnerungen endlich aufzuschreiben, um so das quälende, lebenslange Schweigen zu brechen.

Die hochkomplexe, fragmentarische Erzählweise führt oftmals zu Verwirrung und erfordert beim Lesen höchste Aufmerksamkeit.

Statt ausführlicher Beschreibungen konfrontiert die Autorin uns neben zahlreichen Zeitsprüngen mit schlaglichtartigen Episoden und vielen Leerstellen, so dass wir stets herausgefordert werden, selbst Verbindungen herzustellen und zwischen den Zeilen zu lesen. Auch Emotionen werden eher angedeutet als explizit beschrieben, wodurch eine gewisse Distanz zu den Figuren entsteht und Raum für eigene Interpretationen lässt.

Als äußerst hilfreiches Orientierungsmittel findet sich auf den Vorsatzseiten ein Familienstammbaum, so dass man das kaleidoskopische Figurenensemble besser zuordnen kann.

Geschickt wechselt Edels Schreibstil zwischen gelungener poetischer Verdichtung, nüchternen Passagen und beklemmender Sprachlosigkeit.

Edel macht in ihrem Roman auf beeindruckende Weise deutlich, wie sehr persönliche Biografien mit dem zeitgeschichtlichen Kontext – insbesondere dem 2. Weltkrieg und der Nachkriegszeit - verwoben sind, aber auch wie sich intergenerationale Muster durch die gesamte Familiengeschichte ziehen und schließlich durchbrochen werden können. Sie zeigt eindrucksvoll auf, wie die Sprachlosigkeit als Überlebensstrategie und Schutz innerhalb Raisas Familie nicht nur persönliche Beziehungen belastet, sondern auch die eigene Gesundung und Selbstfindung behindert.

Die verwobenen Schicksale von Dina, Selma, Martha und Raisa bilden ein faszinierendes Puzzle, bei dem sich wiederholende Muster wie verstorbene Babies oder abwesende Väter als traumatisches Erbe durch die Generationen ziehen. Sie vermittelt eindrücklich, wie schwer es ist, Wahrheiten zu tragen, die nie ausgesprochen wurden und generationenübergreifende Ängste endlich zu artikulieren. Nach und nach entblättert sie geschickt die Ambivalenz der familiären Narrative, so dass wir die vielen Fragmente der erschütternden Familiengeschichte schließlich rekonstruieren können.

Zum Ende hin verdichtet Edel ihre Handlungsstränge zunehmend und führt diese stimmig zusammen. Dennoch bleiben etliche Handlungsfäden – ganz wie im wirklichen Leben - offen zurück und regen zu eigenen Deutungen an. So endet der Roman mit einem versöhnlichen Ausblick. Das Erbe belastender Erinnerungen sollte nicht nur als Last gesehen werden, sondern auch als Chance für einen Neuanfang. Indem wir die Geister der Vergangenheit bewältigen, eröffnen wir uns die Möglichkeit, diese Erfahrungen für persönliches Wachstum und eine hoffnungsvolle Zukunft zu nutzen.

FAZIT

Ein beeindruckender Familienroman voller poetischer Tiefe und ein eindringliches Porträt einer Familie, die über Generationen hinweg von Schweigen und Traumata geprägt wird.

Eine anspruchsvolle und faszinierende Lektüre, die berührt und nachhallt!

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Veröffentlicht am 13.03.2025

Kunstvoll erzählte Familiengeschichte

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Für mich ist dieser Roman zweifelsfrei schon ein literarisches Highlight in diesem Jahr.
Erzählt wird die Geschichte einer Familie, über mehrere Generationen hinweg und aus verschiedenen Perspektiven.
Zu ...

Für mich ist dieser Roman zweifelsfrei schon ein literarisches Highlight in diesem Jahr.
Erzählt wird die Geschichte einer Familie, über mehrere Generationen hinweg und aus verschiedenen Perspektiven.
Zu Beginn wird man auch direkt von einem Stammbaum begrüßt, der wirklich hilfreich beim Lesen war. Dieser füllt sich mit jedem Kapitel mehr mit Leben, nach und nach lernt man als Leser die Personen hinter den Namen kennen und ihre Bedeutung für die Handlung.
Generell fühlt es sich ein wenig wie ein Puzzle an, bei dem man mit jedem Kapitel neue Teile erhält: Vorherige Textstellen bekommen eine neue Bedeutung, Fragen werden beantwortet, Handlungen der Charaktere bekommen einen (neuen) Sinn.
Es lohnt sich daher sehr, den Roman aufmerksam und in Ruhe zu lesen, da es auf jeder Seite etwas zu entdecken gibt.

Die Kapitel haben sich dabei für mich schon fast wie Kurzgeschichten angefühlt, jedes war irgendwie besonders, und doch waren sie alle miteinander verbunden. Ebenso außergewöhnlich ist der Schreibstil, die Geschichte liest sich sehr flüssig, jedoch wird man immer wieder von sprachlich wunderschönen Formulierungen oder Wortneuschöpfungen überrascht. Auch passt sich die Erzählung an die Perspektive an, ist mal kindlich unschuldig und unwissend oder auch leicht senil und geistig verwirrt.
Historisch relevante Geschehnisse werden so gekonnt in der Handlung versteckt, sie liefern dezent Kontext, ohne sich dabei in den Vordergrund zu drängen.

Auch die Charaktere und Emotionen kommen natürlich nicht zu kurz, sondern stehen vielmehr im Fokus. Durch die generationenübergreifende Erzählung schafft es die Autorin, die (Neben-)Charaktere schließlich zu richtigen Menschen zu erheben. War mir eine Person zu Beginn noch unsympathisch, habe ich später doch Mitleid mit ihr und versuche sie zu verstehen.
Vieles war sehr berührend, manches hat mich sogar wirklich emotional mitgenommen, hier wird eine große Bandbreite an Gefühlen geboten, ohne dabei darauf ausgelegt zu sein. Als Leser fühlt und fiebert man automatisch mit, während man versucht, all die Fragen zu beantworten. Manches bleibt jedoch auch offen, aber nicht auf eine unangenehme oder störende Art.
Ein poetisches Buch, das auf besondere Weise sehr persönlich ist.

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Veröffentlicht am 06.03.2025

Die andere Art von Geheimnis

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Die Geschichte ist für mich wie ein Puzzle, dem einige Teile abhandengekommen sind. Aber anders als bei einem Puzzle, das ich später als vollständiges Bild sehe, haben mich in dem Roman fehlende Teile ...

Die Geschichte ist für mich wie ein Puzzle, dem einige Teile abhandengekommen sind. Aber anders als bei einem Puzzle, das ich später als vollständiges Bild sehe, haben mich in dem Roman fehlende Teile keineswegs gestört, sondern eher das Gefühl von Realismus erzeugt.

Auch wenn ich mir noch die Beantwortung einiger Fragen gewünscht hätte: Es lässt sich nicht auf alles eine Antwort finden, das ist mir klargeworden durch die Geschichte, die sich über mehr als einhundert Jahre und über mehrere Generationen hinwegzieht und aus vielen einzelnen Fragmenten zusammengesetzt ist.

Dass ich daraus lernen konnte, ist ein Verdienst der Autorin Rabea Edel. Sie hat mir gezeigt, dass es kompliziert sein kann, die richtigen Worte zu finden, weil es Dinge gibt, die man einfach mit Worten nicht beschreiben kann. Eine großartige Möglichkeit sich auszudrücken, fand ich in dem Kapitel „Wie viele Wörter zwischen 500 Steine passen“.

Ich lese sehr gern Bücher, die in verschiedenen Zeitebenen spielen. Noch nie habe ich jedoch ein Buch gelesen, in dem ich so häufig zwischen den Zeiten hin- und herspringen musste wie hier. Das war zwar so manches Mal anstrengend, aber gleichzeitig hat es mich unglaublich entspannt, weil ich dabei immer wieder eines der vielen Fragezeichen aus meinem Kopf entfernen konnte. Eine gute Hilfe beim Lesen ist der Stammbaum, der auf den Innenseiten des Buchumschlags jederzeit griffbereit ist.

Um noch einmal auf das Puzzle zurückzukommen: Die fehlenden Teile und meine Fragezeichen bergen gar keine Geheimnisse, sondern nur Dinge, die zwar existent sind, die aber nicht offengelegt werden müssen, weil sie etwas ganz Persönliches sind.

Rabea Edel hat sich zu dieser Geschichte inspirieren lassen von der Geschichte ihrer Mutter. Mir hat sie damit ein einmaliges Leseerlebnis geschenkt, in das viele Gedanken aus meinem eigenen Leben einfließen konnten. „Das Portrait meiner Mutter mit Geistern“ ist für mich ein persönliches literarisches Unikat.

Unbedingt lesen!

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Veröffentlicht am 26.02.2025

Bewegender und faszinierender Generationenroman

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Im Mittelpunkt von "Portrait meiner Mutter mit Geistern", dem aktuellen Roman von Rabea Edel, dessen Handlung sich durch mehrere Generationen zieht, steht Martha, die Mutter der Autorin.

Zu Beginn lernen ...

Im Mittelpunkt von "Portrait meiner Mutter mit Geistern", dem aktuellen Roman von Rabea Edel, dessen Handlung sich durch mehrere Generationen zieht, steht Martha, die Mutter der Autorin.

Zu Beginn lernen wir die Ich-Erzählerin Raisa kennen, Marthas Tochter. Die beiden sind erst vor kurzem mit einsetzender Schulpflicht des Mädchens wieder in Marthas Heimatort sesshaft geworden. Sie waren auf Wanderschaft und blieben nie lange an einem Ort. Raisa ist nun 7 Jahre alt und beginnt, Fragen nach ihrem Vater und ihren Großeltern zu stellen, die sie nie kennengelernt hat. Doch ihre Mutter schweigt, und es wird Jahre dauern, bis sie sich ihrer Tochter behutsam auf eine ganz besondere Art und Weise öffnet.

Die Geschichte fordert den Leser, sie enthält zahlreiche Zeitsprünge, es geht vor und zurück und umgekehrt. Man muss sich einlassen auf diese anspruchsvolle Lektüre, aufmerksames Lesen ist erforderlich, um den Faden nicht zu verlieren. Der Stammbaum auf den beiden ersten und letzten Buchseiten ist äußerst hilfreich, um jederzeit die Familienstruktur nachvollziehen zu können. Ohne diesen Stammbaum wäre ich verloren gewesen, zumal die Handlung zurückgeht bis in die zwanziger Jahre. Der Leser lernt nach und nach viele Personen kennen, und langsam setzen sich die vielen Puzzlestücke zu einem Ganzen zusammen.

Das Buch gab mir zu Beginn viele Rätsel auf, die Zeitsprünge irritierten mich und störten meinen Lesefluss, doch im Laufe der Handlung faszinierte es mich immer mehr und ließ mich tief eintauchen in die Geschichte einer Familie, in der viel zu oft geschwiegen wurde. Neben Raisa und Martha lernen wir auch Marthas Mutter Selma und Großmutter Dina kennen, verfolgen ihre Lebenswege und erleben dabei ihre Tragödien und ihr Leid. Eine besondere Rolle kommt Jakob zu, der unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs mit 25 Jahren nach Amerika ausgewandert ist und dessen Schicksal mich ganz besonders berührt hat.

Rabea Edels Sprache ist klar und eindringlich, den sehr speziellen Erzählstil fand ich nicht nur aufgrund der vielen Zeitsprünge etwas gewöhnungsbedürftig. Nicht nur ihre Protagonisten, sondern auch die Nebenfiguren zeichnet die Autorin so bildhaft und authentisch, dass ich sie mir gut vorstellen konnte.
Am Ende bleibt manches offen, es bleibt Raum für eigene Gedanken. Ich habe die fesselnde Geschichte, in der es neben Liebe und Verlust, Schweigen, Lügen und Gewalt auch um traumatische Ereignisse und verdrängte Erinnerungen geht, sehr gern gelesen, sie hat mich gleichermaßen erschüttert und zutiefst berührt.

Absolute Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 18.02.2025

Erstes Highlight des Jahres 2025

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Als ich die Inhaltsangabe zu "Portrait meiner Mutter mit Geistern" las, war mir sofort klar, dass ich den Roman unbedingt lesen möchte. Ich wollte erfahren, was es mit Martha und ihrer Familie auf sich ...

Als ich die Inhaltsangabe zu "Portrait meiner Mutter mit Geistern" las, war mir sofort klar, dass ich den Roman unbedingt lesen möchte. Ich wollte erfahren, was es mit Martha und ihrer Familie auf sich hatte und warum sie so lange schwieg. Nun, nachdem ich den Roman gelesen habe, fühle ich mich hilflos, denn mir fehlen die Worte, um Rabea Edels "Portrait meiner Mutter mit Geistern" gerecht zu werden.

"Jakob stand im Feld und sah zu Selma hinüber. Seit mehr als sechzig Jahren".

Zunächst einmal bewundere ich Rabea Edels Entschluss, keinen Gefälligkeitsroman zu schreiben. Sie hätte die Geschichte, die sie erzählt, für die LeserInnen wesentlich einfacher gestalten können, sie hätte ohne Ende Antworten auf all die Fragen liefern können, die sich mir als Leserin gestellt haben.

Stattdessen liefert sie ein Puzzle, das nach und nach zusammengefügt wird. Und am Ende bleiben trotzdem viele Leerstellen. Das mag für viele LeserInnen unbefriedigend sein, denn natürlich sind wir neugierig und möchten möglichst viel erfahren. Aber für mich fühlt es sich konsequent an, dass manche Fragen nicht beantwortet wurden. Es ist wie im echten Leben.

Ausgehend von Raisa, die sich nicht mit dem Schweigen ihrer Mutter Martha abfinden möchte, erfahren wir nach und nach bruchstückhaft die Geschichte der Familie. Vieles bleibt vage, wie das eben oft sie ist bei weit zurückliegenden Ereignissen innerhalb einer Familie. Vieles wird ganz bewusst verschwiegen - die Traumata, die diese Familie erlitten hat, vor allem die Frauen, sitzen tief. Und was die Frauen durchgestanden haben!

Umso schöner ist es, dass Martha, obwohl sie ebenso wie die anderen Familienmitglieder (zunächst) schweigt, versucht, einen anderen Weg zu gehen und im wahrsten Sinne des Wortes versucht auszubrechen, sich nicht damit abzufinden, dass sich alles wiederholt, sondern alles daran setzt, dass sich nichts wiederholt.

"Portrait meiner Mutter mit Geistern" basiert auf der Familiengeschichte der Autorin, ist aber keine reine Nacherzählung, sondern auch und vor allem Fiktion. Aber die Geschichte könnte sich tatsächlich so zugetragen haben, woraus sich für mich Mitgefühl und Grauen ergeben haben, die ich so nicht erwartet hatte. Dabei hält sich Rabea Edel zurück. Der Roman ist frei von Pathos und sentimentalen Kitsch. Gerade das aber habe ich als ausgesprochen wirkungsvoll empfunden.

Mir hat auch der Umgang mit Worten gefallen. Immer wieder schmuggelt die Autorin neue Umschreibungen für altbekannte Ereignisse ein, wodurch sie sich noch einmal anders in meinem Bewusstsein eingenistet haben und nicht nebenbei abgehakt wurden.

"Es gab Dinge, die unsagbar bleiben sollten, weil das Aussprechen sie real werden ließ. Ein Leben konnte kaputt erzählt werden. Aber es konnte auch gesund erzählt werden, (...)".

Das war für mich das Schönste: dass am Ende Martha ihr Mantra "nichts wiederholt sich" - das genaue Gegenteil dessen, was ihre Mutter Selma ihr ständig predigte ("alles wiederholt sich") - zu einem Erfolg und damit wahr werden lässt. Egal, welches Grauen diese Familie im Lauf des Jahrhunderts erlebt hat, am Ende gibt es Hoffnung. Und Liebe.

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