Profilbild von Estrelas

Estrelas

Lesejury Star
offline

Estrelas ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Estrelas über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.06.2024

Der Verlust der Unschuld

Ich stelle mich schlafend
0

Yasemin verliebt sich als Teenager in Vito, der auch Jahrzehnte später noch eine große Anziehung auf sie auswirkt. Dazwischen ist sie in Behandlung einer körperlichen Fehlstellung nach einem Sturz vom ...

Yasemin verliebt sich als Teenager in Vito, der auch Jahrzehnte später noch eine große Anziehung auf sie auswirkt. Dazwischen ist sie in Behandlung einer körperlichen Fehlstellung nach einem Sturz vom Pferd und baut sich ihr eigenes Leben auf.
Mir gefiel die Darstellung kindlicher Fantasie, die Yasemin beim Spielen mit der Freundin oder beim Heraufbeschwören des Geliebten an den Tag legt. Und ich habe einige Stellen markiert, die mich durch eine poetische Sprache oder ihre humorvolle Art begeisterten.
Doch in erster Linie geht es in diesem Buch um Scham nach dem Verlust ihrer Unschuld, um ein Minderwertigkeitsgefühl der Protagonistin nach dem Missbrauch durch andere. „War Yasemins Wille gebrochen oder nur gebeugt? Eine Mikrowellenstrahlung, die in ihr Leben hineinragte wie der Nachhall eines Urknalls.“
So wichtig ich dieses Thema empfinde, so unzufrieden macht mich die Umsetzung in diesem Buch. Ich habe mir eine Reaktion gewünscht, zu sehen, wie sich Yasemin in ihrem Leben weiterentwickelt. Stattdessen gibt es unzählige Exkurse, die von den Gefühlen der Hauptfigur ablenken. So fehlt mir der Nachhall, der diesen Roman für mich zu einem besonderen machen würde.

Veröffentlicht am 10.06.2024

Hin und weg

Man sieht sich
0

Friederika, kurz Frie genannt, und Robert sind seit Schulzeiten befreundet. Während ihrer Begegnungen in den darauffolgenden dreißig Jahren fragen sie sich immer wieder, ob da mehr sein könnte.
Jede der ...

Friederika, kurz Frie genannt, und Robert sind seit Schulzeiten befreundet. Während ihrer Begegnungen in den darauffolgenden dreißig Jahren fragen sie sich immer wieder, ob da mehr sein könnte.
Jede der beiden Figuren erhält ihre eigene Stimme, mit der wir sie durch ihren Handlungsstrang begleiten. Wir sehen die beiden in Momentaufnahmen, durch die wir sie durchaus gut kennenlernen mit ihren Träumen und Problemen, in ihren Beziehungen und beim Umgang miteinander.
„In der Mitte zwischen den Schlüsselbeinen hat sie eine ausgeprägte Vertiefung, auf die sie stolz ist seit jenem Frühsommerabend vor hunderttausend Jahren, in der Robert plötzlich den Arm nach ihr ausgestreckt und sie berührt hat, nachdem sie in Pottloch baden waren.“
Der Roman ist lesenswert, weil er authentisch die verschiedenen Lebensphasen beleuchtet, weil er liebenswerte Charaktere bei ihrer Entwicklung begleitet, weil der passende Ton für eine ansprechende Lektüre gewählt wurde.

Veröffentlicht am 25.05.2024

Orte und Worte

An einem anderen Ort
0

„An einem anderen Ort“ ist die Autorin schon, weil sie ihr Heimatland (die damalige Tschechoslowakei) verlassen hat und nun in Österreich lebt. Darüber hinaus kommt sie viel herum in der Welt. Zdenka Beckers ...

„An einem anderen Ort“ ist die Autorin schon, weil sie ihr Heimatland (die damalige Tschechoslowakei) verlassen hat und nun in Österreich lebt. Darüber hinaus kommt sie viel herum in der Welt. Zdenka Beckers Essays handeln vom Aufbrechen und Ankommen, vom Reisen und Verweilen, vom Zuhören und Kommunizieren.
Das Buch bietet einen bunten Blumenstrauß an Episoden aus vergangenen Zeiten, alltäglichen Begegnungen und Situationen aus dem Schriftstellerleben. So lese ich gespannt von verbotenen Treffen zwischen Slowaken und Österreichern „vor vielen Jahren“, von Gesprächen mit Mitreisenden im Flugzeug oder Lesungen in Asien und der Anpassung an lokale Gegebenheiten.
Die Autorin versteht es, mich mit ihrer Weltoffenheit und Beobachtungsgabe mitzureißen. „Ich schreibe in einer fremden Sprache, die für mich zur zweiten Haut geworden ist. Gern spiele ich mit neuen Worten, verleihe ihnen Eigenschaften, entlocke Gefühle. Ich spaziere durch die Sprachen und erlebe Geschichten, ernste und lustige Geschichten, die mich vereinnahmen.“ Ihre Begeisterung für Sprache ist dem Text und den Wortspielen anzumerken und tut ihr Übriges, um mich für dieses Buch brennen zu lassen. Es ist zudem hochwertig verarbeitet und mit Fotografien von Nikolaus Korab angereichert, die das Gefühl vermitteln, mittendrin zu sein „an einem anderen Ort“.

Veröffentlicht am 19.05.2024

Nur Mut!

Sorry not sorry
0

„Sorry not sorry“ ist ein Buch über das Kleinhalten von Frauen und die Scham, die die Gesellschaft ihnen für gewisse Umstände eingetrichtert hat. Die Autorin will aufzeigen, „dass das Patriarchat und der ...

„Sorry not sorry“ ist ein Buch über das Kleinhalten von Frauen und die Scham, die die Gesellschaft ihnen für gewisse Umstände eingetrichtert hat. Die Autorin will aufzeigen, „dass das Patriarchat und der Kapitalismus mitsamt aller durch sie etablierter Diskriminierungsformen der perfekte Nährboden sind, um Scham erblühen zu lassen - und sie für sich zu nutzen.“
Es geht um die Darstellung der Frau in den Medien, um Klischeedenken und Verurteilung bei weiblichen „Problemen“, wie einer ungewollten Schwangerschaft. Es geht um eine patriarchale Gesellschaft, in der immer noch antiquierte Denkweisen vorherrschen, wenn man mal genau hinsieht. Dies tut die Autorin mit ihren Recherchen und anhand persönlicher Beispiele auf bewundernswerte Weise.
Natürlich ist dies nicht das erste Buch über Feminismus, aber es gibt dem Thema eine frische persönliche Stimme, die gehört werden sollte. Es rüttelt an einem überholten Weltbild und macht Frauen Mut, die Scham über ihre Weiblichkeit abzulegen.

Veröffentlicht am 17.05.2024

Gänse-Geheimtipps

Die erstaunliche Welt der Graugänse
0

Sonia Kleindorfer gewährt Einblicke in die Arbeit der Forschungsstation, die sie von Konrad Lorenz übernommen hat, und in das Leben ihrer Forschungsobjekte, den Graugänsen.
Mit dem Griff zu einem Buch ...

Sonia Kleindorfer gewährt Einblicke in die Arbeit der Forschungsstation, die sie von Konrad Lorenz übernommen hat, und in das Leben ihrer Forschungsobjekte, den Graugänsen.
Mit dem Griff zu einem Buch über Tiere, die sonst in meiner Welt keine Rolle spielen, packe ich meine kindliche Neugier aus und begebe mich auf unbekanntes Terrain. Überblicksseiten zu Beginn des Buchs erleichtern Neulingen wie mir den Einstieg, auch wenn ich im Laufe des Lesens feststelle, dass einige Begriffe, wie etwa „Gössel“, vorausgesetzt werden und in meinem Wortschatz fehlen.
„Wenn Sie hingegen jemals eine Gans verärgert haben, kann es Jahre dauern, bis diese ihre Meinung über Sie ändert. In dem Fall viel Glück - am besten verärgern Sie keine Gans, wenn Sie ein friedliches Leben führen wollen.“ Neben derartigen Geheimtipps für das Miteinander mit Gänsen erfahre ich viel über ihre Fähigkeiten, von der Gesichtserkennung bis zu den Signalen, mit denen die Vögel kommunizieren.
Fotos ergänzen die Informationen sehr passend; insbesondere Testszenarien werden dadurch veranschaulicht. Die Aufmachung hat mir außerordentlich gut gefallen. Einzig an der Erzählweise der Autorin, die auch mal zu artfremden Themen abschweift oder den Text mit den Namen ihrer Zöglinge überfrachtet, habe ich mich mitunter gestört.