Profilbild von GrueneRonja

GrueneRonja

Lesejury Star
offline

GrueneRonja ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit GrueneRonja über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.10.2019

Historisch, phantastisch mit Steampunk - gute Mischung

Die Feenjägerin
0

„Wir blicken einer waschechten Apokalypse ins Auge […]. Da gibt‘s auf der ganten Welt nicht genug Tee, um mich zu beruhigen.“ (S. 327)

Aileana Kameron hat vor einem Jahr, bei ihrem Debütantinnenball, ...

„Wir blicken einer waschechten Apokalypse ins Auge […]. Da gibt‘s auf der ganten Welt nicht genug Tee, um mich zu beruhigen.“ (S. 327)

Aileana Kameron hat vor einem Jahr, bei ihrem Debütantinnenball, den Mord an ihrer Mutter beobachtet. Es wurde erzählt, dass es ein wildes Tier war. Doch die Gesellschaft glaubt, dass Aileana ihre Mutter umgebracht hat. Niemand weiß, wie es wirklich geschehen ist. Denn niemand glaubt mehr an Feen. Doch Aileana kennt die Wahrheit und ist seitdem auf der Suche nach dieser einen Fee.
Aileana ist ein zwiegespaltener Charakter. Einerseits braucht sie die nächtliche Jagd nach Feen und wünscht sich die Rache an der Mörderin ihrer Mutter. Andererseits vermisst sie ihr belangloses Leben von früher, als Bälle und eine Heirat das Wichtigste in ihrem Leben waren. Um den Schein zu wahren, besucht sie mit ihrer besten Freundin Catherine alle gesellschaftlich anerkannten Bälle. Doch die Feen und Aileanas Blutdurst zwingen sie, die Veranstaltungen regelmäßig zu verlassen. Sie redet sich ein, dass sie duch die Feenjagd Menschen rettet und ihr Ruf nicht weiter zu ruinieren ist.
In Edinburg 1844 gibt es einige fortschrittliche Erfindungen: neben den schwebenden Lampen werden Kutschen durch Dampfmaschinen betrieben, es gibt Teeauffüllmaschinen und Aileana hat sich ein Fluggerät konstruiert, welches wie eine Fledermaus fliegt. Sie bastelt gerne an Maschinen herum, um ihre Gedanken zu sortieren. Jede ihrer Feenwaffen selbst konstruiert.

Trainiert wird Aileana von Kiaran McKay, ein Daoine Sìth, eine sehr mächtige Fee. Er ist der typische gutaussehende, aber emotionslose und kalte Typ, der in manchen Augenblicken seine menschliche Seite durchblicken lässt. Er hat viele Geheimnisse und erzählt Aileana nur das nötigste. So verheimlicht er ihr, dass sie eine Falknerin ist und was das für die Feen bedeutet. Erst durch einen Unfall, der Aileana fast das Leben kostet, wird ihr das Ausmaß ihrer nächtlichen Jagden bewusst.

Neben Kiaran hat Aileana die kleine Fee Derrick als Freund. Derrick wohnt in ihrem Kleiderschrank, repariert ihre kaputten Kleider und ist süchtig nach Honig. Außerdem hat er ein großes Ego und einen ebenso großen Beschützerinstinkt, wenn es um Aileana geht. Er kann Kiaran nicht leiden und wünscht sich seinen Kopf als Trophäe. Doch wenn es brenzlig wird, ist auf ihn Verlass.

In dieser Geschichte vermischt sich das historische Schottland mit dem wahrgewordenen Aberglauben an Feen, gespickt mit Steampunk Elementen. Die Beziehung zwischen Aileana und Kiaran ist vorhersehbar und nicht außergewöhnlich. Doch der Konflikt mit den Feen, die bevorstehende Apokalypse, ist spannend und regt zum Weiterlesen an. Die sich entwickelnde Liebesgeschichte bleibt hoffentlich nebensächlich, ein Beiwerk zum eigentlichen Feenkampf.

Veröffentlicht am 27.10.2019

Farbenfroh und spannend

Atlas Obscura Kids Edition - Entdecke die 100 abenteuerlichsten Orte der Welt!
0

„Der Vulkan verändert sich ständig. Unser Planet ist genauso. Er lässt immer wieder neue Wunter entstehen und schafft Raum für viele aufregende Abenteuer, die es nur zu erkunden gilt!“ (S.105)

Dieser ...

„Der Vulkan verändert sich ständig. Unser Planet ist genauso. Er lässt immer wieder neue Wunter entstehen und schafft Raum für viele aufregende Abenteuer, die es nur zu erkunden gilt!“ (S.105)

Dieser Atlas ist nicht nur für Kinder spannend. Die gesamte Aufmachung ist sehr farbenprächtig, die Bilder zu den beschrieben kuriosen Orten passend und schön anzuschauen. Zu Beginn des Buches gibt es Tipps, welche Dinge für eine Weltreise nützlich sind. Nicht alles auf dieser Liste ist praktisch, zumal es um einen Kinderrucksack geht. Dort wären Alltagsgegenstände nützlicher, wie eine Lupe, um Insekten oder Spuren zu entdecken. Dinge, die Entdecker auch im Alltag bei sich tragen könnten.
Der Reiseplan auf der nächsten Seite zeigt die Länder und ihre fantastischen Orte im Überblick, mit der Seitenzahl versehen. Unter den Ländernamen auf den folgenden Seiten finden sich immer interessante Eckdaten, wie die Lage auf der Erde, mit einer kleinen Weltkugel daneben, und etwas Kuriosem. Auf einer Doppelseite finden sich immer zwei Orte zu einem Land, wobei der zweite Ort etwas gemeinsam hat mit dem darauffolgenden in einem anderen Land, z.B. folgt auf die Wand der tanzenden Dinosauerier in Bolivien die Dino-Disco auf der Isle of Skye. So ist die Reiseroute nicht chronologisch aufgebaut, sondern verbindet ähnliche Themen miteinander. Um diese Wunder besuchen zu können, sind sie zusätzlich mit Koordinaten versehen.
Es gibt viele verschiedene Orte und Dinge zu sehen, natürlichen Ursprungs oder von Menschen errichtet. Besonder gefallen haben mir, neben der Dino-Wand in Bolivien, einige Unterwasserwelten, wie die verlorene Stadt Herakleion in Ägypten, der Raumschiff-Friedhof bei Neuseeland oder das Mauseo Atlántico in Spanien. Es gibt aber auch andere Naturschauspiele zu beobachten, wie farbenfrohes Wasser, singenden Wüsten oder fantastische Bauten an Stellen, die man nicht erwartet. In diesem Atlas gibt es spannende Orte zu entdecken, deren Zeichnungen neugierig machen auf die Originale.

Veröffentlicht am 22.10.2019

Atmosphärisch und überraschend

Die Farbe von Glas
0

„Außerdem bist du viel zu willensstark, um eine gute Ehefrau zu sein.“ (S. 28)

Rósa ist eine selbstbewusste, 25 jährige, unverheiratete Frau. Ihr Pabbi war Pastor in Skálholt und ihre Familie hoch angesehen. ...

„Außerdem bist du viel zu willensstark, um eine gute Ehefrau zu sein.“ (S. 28)

Rósa ist eine selbstbewusste, 25 jährige, unverheiratete Frau. Ihr Pabbi war Pastor in Skálholt und ihre Familie hoch angesehen. Sie kann lesen und schreiben und kennt die Sagas (Geschichten und Legenden) von Island. Ihr Pabbi hat ihr erlaubt, bei ihm in der Kirche zu bleiben, statt eine gute Partie zu heiraten und das Dorf zu verlassen. Doch nach seinem Tod zog der Hunger ein und als ihre Mutter schwer krank wird, wurde der nahende Winter immer mehr zu einer Bedrohung. Sie wusste sich nicht anders zu helfen und hat das Angebot von Jón angenommen. Sie hat ihn geheiratet, obwohl es viele bunruhigende Gerüchte um Jón gibt. Doch Rósas Mutter bekommt durch die Verbindung regelmäßig Lebensmittel und Torf für ein Feuer; sie bekommt eine Chance den Winter zu überleben.

„Nur ein kleines Kind kann so blind sein, das Dunkle in diesem Mann nicht zu sehen.“ (S. 28)

Jón ist ein angesehener Händler, sein Ruf eilt ihm voraus. Er ist außerdem das erwählte Oberhaupt des Dorfes Stykkishólmur. Seine erste Frau Anna ist verstorben. Es ranken sich viele Gerüchte um ihren Tod, die sogar bis nach Skálholt gelangen. Daher ist er sehr bemüht, weiteres Gerede zu vermeiden, vor allem in seinem eigenen Dorf. Er lebt abgeschieden von den übrigen Bewohnern auf einem Hügel und hat selbst vor seiner Ehefrau Geheimnisse.
In Rósa findet er eine gehorsame und gefügige Gemahlin. Sie putzt, flickt und kocht; sie befolgt seine Regeln und meidet das Dorf und seine Bewohner. Nichts erinnert an die selbstbewusste Frau aus Skálholt.

„[…], doch diese seltsame Einsamkeit erträgt sie nicht. Sie fühlt sich wie der harte, gläserne, Anhänger, der um ihren Hals baumelt.“ (S. 109)

Es ist entsetzlich, wie sehr Einsamkeit jemanden verändern kann. Rósa vermisst nicht nur ihre Mutter, sondern Gesellschaft allgemein. Sie hört Nachts Geräusche, fühlt sich beobachtet und hat Angst etwas falsch zu machen. Sie verliert an Gewicht und Farbe, macht sich unsichtbar. Sie hält sich an der Glasfigur, die Jón ihr geschenkt hat, fest, als wäre sie ein Anker. So wird diese Figur zum Symbol für Rósa, dass sich durch die ganze Geschichte zieht. Daher macht der englische Titel „The Glass Woman“ mehr Sinn, als der Deutsche, auch wenn dieser poetischer klingt.


„Ich hatte sie für zerbrechlich gehalten, als ich sie kennenlernte. Doch nun wusste ich, dass sich hinter ihrem gehorsamen Knicksen und dem tugendhaft gesenkten Blick ein stählerner Kern verbarg.“ (S.356)

Es wird aus Rósas und Jóns Sicht erzählt, wobei Jóns Geschichte in der Zukunft liegt. So ist Rósas Erzählstrang der aktuelle und wird am Ende mit Jóns zusammen geführt. Diese Erzählweise fesselt das Interesse und gibt mehr über Jón Preis, als jedes Gerede in Stykkishólmur es vermag.

Neben den Geheimnissen um Jón und seiner ersten Frau oder den Anspielungen auf Rósas Glasanhänger, ist das Buch sehr atmosphärisch. Island ist ein raues Land, im Winter sehr karg, im Sommer fruchtbar, immer gefährlich und in Bewegung. Viele Menschen verschwinden, nicht nur in Schneestürmen. Die Bewohner Islands sind gefangen zwischen dem christlichen Glauben der Kirche und den Naturgeistern. Die Beschreibungen der Landschaften und Naturgewalten sind bildhaft und mächtig.

„Die Berge erheben sich wie eine schützende Hand rund um Stykkishólmur, als wollten sie das Dorf vor Unglück und neugierigen Blicken bewahren. Gestein ragt aus dem grünen Land hervor, die Knochen des Bodens, blank gescheuert in Jahren der Überbeanspruchung und Rodung. Das graue Skelett der Erde blitzt auf, nackt und roh.
Das Land erstreckt sich bis hinunter zum Strand, der wie eine schwarze Sandnarve vor der krausen Oberfläche des Meeres liegt[…]. Im Fjord liegen Tausende von Inseln verteilt, als hätte ein gereizter Trol wahllos Felsbrocken ins Wasser geworfen.“ (S. 71)

Wer ein spannungsgeladenes Abenteuer erwartet, wird enttäuscht. Wer aber eine düstere, atmosphärische Geschichte voller Zweifel, Angst und Geheimnisse erwartet, wird am Ende überrascht.

Veröffentlicht am 24.09.2019

Du bist wohl nicht ganz eckig im Apfel?!

Die Träne des Fressers
0

Die Fantasie ist unbegrenzt, nicht jedoch bei Büchern aus dem Genre Fantasy. Dort gibt es immer die gleichen Rassen: Menschen, Elfen, Orks, Zwerge, Feen und deren Abwandlungen. Umso schöner ist es, wenn ...

Die Fantasie ist unbegrenzt, nicht jedoch bei Büchern aus dem Genre Fantasy. Dort gibt es immer die gleichen Rassen: Menschen, Elfen, Orks, Zwerge, Feen und deren Abwandlungen. Umso schöner ist es, wenn ein Autor neue, unverbrauchte Rassen erschafft. Wenn die Geschichte darüber hinaus lebhaft und spannend erzählt wird und unvorhergesehene Wendungen hat, ist es ein gutes, unterhaltendes Buch.

Die Träne des Fressers von Nathan C. Marus ist fesselnd, wenn man in die Geschiche hinein gefunden hat. Die Zusammenhänge und Wendungen sind überraschend und die Charaktere bildlich dargestellt.
Am Anfang des Buches schreibt der Autor, wie er (vermutlich) spricht, mit Anmerkungen in Klammern, einem fett gedruckten Wort, um die Betonung zu unterstreichen. Dies wird im Verlauf der Geschichte geordneter. Wenn man darüber hinweg sehen kann, ist es ein aufregendes Buch, anders als zahlreiche Elfenbücher von der Stange, obwohl Elfen ebenfalls vorkommen. Man lernt neue Rassen kennen, bereist unbekannte Welten und durchquert den Weltenbund. Weiße Königin ist der Auftakt einer hoffentlich spannenden Reihe.

„Er schaute über seine Schulter und sah die zerbrechliche Gai. Ailan war nicht hübsch. Sie war zu dünn, hatte ein hartes Gesicht ohne Alter, aber sie hate etwas Graziles, etwas Stolzes in all ihrem Elend, etwas Wildes, etwas Wahnsinniges und gleichzeitig Ruhiges […]. Sie erinnerte ihn an ein gealtertes Kind, das in der Pubertät beschlossen hatte, sich nicht mehr weiter zu entwickeln.“
(S. 227)

Die Gai sind eine allwissende Rasse. Jeder fürchtet sich vor ihrem durchdringenden Blick, der ihnen alles offenbart.
Ailan ist eine Gai, die für den Clamor arbeitet. Sie wurde als Kind von ihrer sterbenden Welt gerettet und lebt und arbeitet seitdem für diese Gesellschaft. Doch Ailan hat ihre eigenen Ziele und unternimmt mit dem Nurmonen Siks eine persönliche Reise. Ihre Einmischungen in das Geschehen wirken willkürlich und fehl am Platz, nicht nur für ihren Begleiter.

„Ich bin eine Verbündete, Splendite!“ (S.146)

Spleen, eigentlich Splendite, ist ein Mensch, der Gehilfe eines Knappen eines Ritters. Er ist zuständig für das Gepäck seines Herren, als sie auf Anaut ankommen. Anaut ist ein Planet, auf dem keine Gesetze gelten, weder für Menschen, noch für die Natur. Die drei sind auf der Suche nach einem Weltentor, um auf die nächste Welt zu reisen, als sie überfallen werden. Es ist ein erbitterter Kampf gegen Orks, den nur Spleen überlebt, dank der Hilfe einer weißen Elfe.

„Du bist jetzt im Auftrag des Königs unterwergs, Splendite! […] Bringt das nach Ksorahar zu … zu … Scheschan.“ (S.36f.)

Splendite ist fast noch ein Kind, hilflos und ängstlich. Er lässt sich leicht beeindrucken, zuerst von seinem Herren und später von der Elfe. Doch wächst er mit seinem Auftrag und über sich hinaus. Er begegnet vielen Wesen, doch nur die Feuerelfe Nani sieht, das er mehr ist, als er auf den ersten Blick scheint.

„SPLENDITE MENSCHENPUPS!“ (S. 176)

Nani ist ein bezaubernder Charakter. Die kleine Feuerfee wirkt wie ein kleines Kind, die einen Narren an Spleen gefressen hat. Mit ihren witzigen Ausrufen lockert sie die gesamte Geschichte auf. Sie ist ein Lichtblick in dieser recht düsteren Geschichte und das Gegenteil von Zen‘saide.

Zen‘saide ist eine schneeweiße Elfe mit vielen Spitznamen: „Der weiße Tod“ S. 66, „kleine Elfe“ (S.328), „Zen“ (S. 89), „Du vertrocknetes Relikt.“ (S.377), um nur einige zu nennen. Vor allem ist sie aber alt, verbittert und unsterblich. Durch einen Zufall ist sie mit Spleen auf dem Weg nach Ksorahar; eigentlich sucht sie verzweifelt eine Möglichkeit, dieses Menschenkind wieder los zu werden. Sie ist sehr ernst, kann kräftig zuhauen und Geheimnisse für sich behalten. Sie ziert zwar das Cover des Buches, ist aber von allen Charakteren der farbloseste. Sie ist in allem perfekt, außer in zwischenmenschlichen Beziehungen. Sie wirkt wie eine abtrünnige Gesetzlose, eine von vielen auf Anaut. Nur ihre Träume machen aus ihr etwas Besonderes und die Anwesenheit von Spleen in ihrem Leben, gibt ihr eine wichtige Aufgabe: Spleen vor dem Bösen zu bewahren.

Zu diesem Bösen gehört der Magier Belazael, mit dem Zen`saide schon am Anfang der Geschichte eine nicht sehr nette Begegnung hat. Welches Ziel dieser Magier wirklich verfolgt, ist nicht ganz klar, doch er nutzt alles, was die Götter ihm zur Verfügung stellen. So auch Cerce, eine Priesterin Nochors. Dieses Geschöpf ist eine weitere Rasse, die nicht zum Standard gehört. Cerce ist das widerlichste Wesen in diesem Buch, ein faulender Charakter, voller Geheimnisse und ihrer eigenen toten Magie. Dadurch ist sie vielfach spannender als Belazael, der sich durch die Geschichte treiben lässt. Cerce dagegen scheint ein Motiv zu haben, ein Ziel zu verfolgen und alles dafür zu tun, um es zu erreichen. Selbst wenn dazu gehört, sich mit Belazael zu verbünden.

Durch die zahlreichen Charaktere und ihre anfangs unabhägigen Erzählstränge bleibt die Spannung durchweg erhalten. Es ist nicht von vornherein abzusehen, worauf die Geschichte hinaus will. Was genau die Träne des Fressers ist, ist lange Zeit ungewiss. Der Abschluss der Reisen gipfelt in einem Ende, welches blutig, traurig und gruselig zugleich ist.

Veröffentlicht am 20.09.2019

Die Geschichte bleibt oberflächlich

Scythe – Die Hüter des Todes
0

„Die Menschen könnten alles lesen, tun es aber nicht. Sie spielen bloß und schauen sich Katzenhologramme an.“ (S.101)

Wenn ich unsterblich wäre und auf das gesamte Wissen der Welt Zugriff hätte, hoffe ...

„Die Menschen könnten alles lesen, tun es aber nicht. Sie spielen bloß und schauen sich Katzenhologramme an.“ (S.101)

Wenn ich unsterblich wäre und auf das gesamte Wissen der Welt Zugriff hätte, hoffe ich, dass ich dieses auch nutze. Ich würde gerne viele Sprachen lernen, vielleicht auch verschiedene Instrumente,; durch die Welt reisen und mir einen schönen Ort zum Leben suchen; so lange Berufe ausprobieren, bis ich meinen Traumberuf gefunden habe. Mit einem unendlichen Leben vor mir, wäre mir mein jetztiges Leben zu eintönig. Wenn man nur begrenzt Zeit hat, gibt es eine Menge Dinge, die getan werden „müssen“. Wenn man viele Leben vor sich hat, man nicht an diversen Krankheiten sterben kann und eine höhere Macht sich um alles kümmert, wozu dann das Leben mit Nichtigkeiten verschwenden.

„Die Entwicklung der Zivilisation war abgeschlossen. Das wusste jeder. Was die Menscheit betraf, gab es nichts Neues mehr zu erfahren. Nichts an ihrer Existenz musste noch enträtselt werden. Und das bedeutete, dass kein Mensch wichtiger war als irgendein anderer. Im großen Plan der Dinge war vielmehr jeder gleich nutzlos.“ (S.18)

Genau das passiert aber in der Welt der Scythe, von Citra und Rowan. Die Menschen brauchen keine Angst vor Krankheiten oder dem Alter zu haben, selbst vor Unfällen sind sie zwar nicht sicher, werden jedoch einfach wieder belebt. Der Tod existiert in dem Sinne nicht mehr. Wenn ein Unfall passiert, oder sich jemand von einem Gebäude stürzt, ist die Person nur „totenähnlich“ und wird im nächsten Revival-Zentrum wiederbelebt.
Um jedoch das Bevölkerungswachstum etwas zu regulieren und eine Überpopulation zu verhinden, hat der Thunderhead, die KI mit einem Bewusstsein, das Scythetum gegründet. Die Scythe haben ihren eigenen Kodex, ihre eigenen Regeln, und stehen über dem Gesetz. Sie sind ausgebildet, um die Menschen nachzulesen, denn töten klingt zu real. Wer für eine Nachlese ausgewählt wird, ist willkürlich und von jedem Scythe persönlich abhängig. Sie haben eine Quote zu erfüllen, dürfen aber keinen Vorurteilen folgen.
In diesem Buch geht es um die Ausbildung von Citra und Rowan zu Scythe. Der Ehrenwerte Scythe Faraday wählt beide als seine Lehrlinge, gewährt am Ende aber nur einem die Würde des Scythetums. Faraday erzählt seinen Auserwählten gerne, warum er sie ausgesucht hat und besucht später die Beerdigungen. Er nennt das Anstand.
Es gibt auch andere Scythe, die scheinbar willkürlicher ihre Opfer auswählen. So geht Scythe Curie auf die Straße und schaut sich die Menschen an, bis sie ein passendes Opfer findet.
Scythe Goddard dagegen führt gerne Massennachlesen durch, ähnlich einem Flugzeugabsturz.
So hat jeder Scythe seine eigene Nachlesemethode, doch ihre Quote von 260 Nachlesen pro Jahr muss jeder einhalten.

„Darin liet das Paradoxon der Profession […]. Nicht diejenigen die den Job haben wollen, sollten ihn bekommen … sondern die, die sich am vehementesten weigern zu töten.“ (S.56)

Natürlich gibt es auch im Scythetum Politik und Intrigen, Machspielchen und Gier. Und so kommt es zu dem Konflikt, dass Citra und Rowan einander besiegen müssen und der Gewinner am Ende den Verlierer Nachlesen muss. Da spoilert leider schon der Klappentext, den ich zum Glück vorher nicht kannte. Für mich war diese Wendung überraschend.

Außer, dass der Klappentext spoilert, führt er auch in die Irre. Citra und Rowan haben sehr wohl eine Wahl bei ihrer Ausbildung. Scythe Faraday schlägt ihnen lediglich vor, die Lehre bei ihm zu machen, zwingt sie jedoch nicht gegen ihren Willen.
Ich vermisse auch die „tiefe Verbindung“ der beiden. Eine gewisse Anziehung ist nicht zu leugnen, die jedoch den inneren Konflitk der beiden nur künstlich fördert. Ohne diese Anziehung wäre die Geschichte nicht anders.

„Wenn man sich nicht regelmäßig in den Schlaf weint, hat man als Scythe zu wenig Mitgefühl.“ (S.99)

Zwischen den emotionalen Konflikten der beiden Teenager und den politischen Konflikten innerhalb des Scythetums, geht die Geschichte der Scythe und der ganzen Welt völlig unter. Es gibt so viele Häppchen, die dem Leser serviert, aber nicht weiter verfolgt werden. Zum Beispiel wird eine Religion erwähnt, die für die Geschichte von Rowan und Citra keinen größeren Nutzen hat. Oder der Thunderhead, der die Welt regiert. Wie konnte eine KI ein Bewusstsein erlangen?
Außerdem kommt das Wort „Scythe“ zu oft vor, lässt sich nicht gut lesen und bringt den Lesefluss durcheinander. Es muss eine Übersetzung geben, die passt; etwas vergleichbares, was nicht stört.
Die Geschichte hat viel Potential, welches durch Teenagergehabe und Machtgier verloren geht. Ein emotionales Thema wird ohne jegliches Gefühl abgearbeitet; eine Gesellschaft mit vielen Möglichkeiten nicht ausgeschöpft. Das Buch versprach etwas außergewöhnliches zu werden und ist doch nur wenig befriedigend. Die Geschichte bleibt oberflächlich.