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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.06.2021

Verlorene Leichtigkeit

Der Wald ruft
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Diesmal muss es sein. Der Sprecher ganz nach oben. Zuerst genannt, da Christoph Maria Herbst mit seiner Stimme großes Kino abgeliefert hat. Und das nun schon zum sechsten Mal. Die ganze Erdmännchenbande, ...

Diesmal muss es sein. Der Sprecher ganz nach oben. Zuerst genannt, da Christoph Maria Herbst mit seiner Stimme großes Kino abgeliefert hat. Und das nun schon zum sechsten Mal. Die ganze Erdmännchenbande, die ganzen Nebendarsteller:innen und dann noch die Zwischentöne sind stimmlich so gut gemacht, dass man ruckzuck ein Bild im Kopfkino hat und schon läuft der Film.

Der Rest war diesmal sehr durchwachsen. Leider. Ich habe alle bisherigen Bände gehört und sie gefeiert, weil sie einfach nur schräg und überdreht und so herrlich abstrus waren. Doch diesmal hat der Autor politische Themen wie z.B. Flüchtlinge, Rassismus und den Rechtsruck eingebaut und das ganze lustig-schräge Konstrukt fiel zusammen. Die Leichtigkeit ging verloren. Es wirkte alles etwas bedrückt, teilweise auch zu gewollt und weniger unterhaltsam. Es gab Highlights, dass haben sich die Erdmännchen nicht nehmen lassen wie. z.B. die Parties unter Stechapfeleinfluss, die wilden Diskussionen zwischen den Generationen und die rasante Flucht der Erdmännchenbande.

Grundsätzlich finde ich es gut, wenn gesellschaftliche Themen literarisch aufgearbeitet werden. Jedoch fand ich es bei der Rufus & Ray Geschichte nicht so richtig passend bzw. wäre hier weniger mehr gewesen. Es gab auch in den Bänden davor immer wieder Hinweise auf gesellschaftliche Probleme, jedoch nicht so dominant wie dieses Mal.

Würde ich Band 7 anhören? Ja, auf jeden Fall, denn der Sprecher ist spitze, die Grundidee auch und die Hoffnung besteht, dass die nächste Geschichte ausgewogener sein wird.

Veröffentlicht am 06.06.2021

Das Haus ohne Frauen

Die Pension der gebrochenen Herzen
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Wer hat nur diesen schrecklichen Titel erlaubt? Er passt so gar nicht zur Geschichte.

Warum nicht "Das Haus ohne Frauen" oder "Männerhaus"?

Ich habe mich an den Klapptext gehalten und wurde mit einer ...

Wer hat nur diesen schrecklichen Titel erlaubt? Er passt so gar nicht zur Geschichte.

Warum nicht "Das Haus ohne Frauen" oder "Männerhaus"?

Ich habe mich an den Klapptext gehalten und wurde mit einer unterhaltsamen, aber auch nachdenklichen Geschichte belohnt. Die fünf Männer, die sich in der alten Schule zusammenraufen, sind entweder gerade verlassen wurden oder sie stecken in einer Beziehungskrise. Sie hadern mit ihrer Situation, wollen eigentlich nicht wirklich zusammenleben und doch finden sie es gut nicht allein zu sein. Während der ein oder andere noch um seine Frau/Freundin kämpft, hat der andere schon aufgegeben.

Fabrizio versucht durch gemeinsame Ausflüge und Kurse (u.a. Sexexpertin, Eisbaden und Radtour) ein Wir-Gefühl zu erschaffen. Dazu kommen noch kleine Gruppensitzungen, um über die Gefühle, die die Männer haben, zu reden und um die Frauenwelt besser zu verstehen. Dabei merken sie, dass sie vieles als zu selbstverständlich und als zu gegeben angesehen haben. Sie beobachten, dass Frauen sich emanzipieren, weil sie, die Männer, sie nicht richtig wahrgenommen und entsprechend respektiert und unterstützt haben.

Das Buch ist mit seinen 224 Seiten eher schmal, so dass man hier keine allumfassende Emanzipationsgeschichte erwarten darf. Die Autorin streift aber das Thema der Emanzipation und lässt die fünf Männer darüber nachdenken, warum die Beziehungen gescheitert sind bzw. drohen zu scheitern. Langsam und teilweise nur widerwillig öffnen sie sich für das Thema. In ihren Zimmern, leise und für sich, müssen sie erkennen, dass sie sich ändern müssen.

Gibt es ein Happy End für Männer? Vielleicht oder eben die Erkenntnis, dass ein Neuanfang auch etwas positives sein kann.

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Veröffentlicht am 31.05.2021

Kyoto und Sei neu entdecken

Dinge, die das Herz höher schlagen lassen
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Wer sich an dieses Buch wagt, sollte eine Affinität zu Japan oder zu Sei
Shōnagon haben, um die vielen Details und vorallem die eingefügten Texte von Sei zu verstehen. Auch die leicht verrückte Verehrung ...

Wer sich an dieses Buch wagt, sollte eine Affinität zu Japan oder zu Sei
Shōnagon haben, um die vielen Details und vorallem die eingefügten Texte von Sei zu verstehen. Auch die leicht verrückte Verehrung von der Autorin gegenüber der Hofdame Sei muss man mit einem Augenzwinkern zu nehmen wissen.

Ich habe vor fast 10 Jahren das Kopfkissenbuch gelesen und zugegebenermaßen auch nicht alles verstanden. Mia Kankimäki gab mir nun die Möglichkeit, die Zusammenhänge besser zu verstehen, denn sie reist nach Kyoto und will Sei erforschen und ihrer Geschichte auf den Grund gehen. Vielleicht will sie aber auch einfach nur vor ihrem eigenen Leben flüchten, weil es gerade nicht so läuft, wie sie es sich erhofft hat.

Die Finnin hat einen leichten und gut zu lesenden Schreibstil, dazu noch eine gute Portion Humor und Selbstironie. Ich mochte ihre Art der Beschreibungen ganz gern. Manches Zwiegespräch mit Sei hat mich zwar ab und an die Augen rollen lassen, aber insgesamt fand ich die vielen Fakten, Daten und Geschichten aus Kyoto und von der Hofdame Sei interessant. Man lernt einiges über die japanischen Traditionen, die Tempel und die Kultur in Japan kennen. Es braucht einen langen Atem, um mit Mia Kyoto zu erkunden, aber aus meiner Sicht lohnt es sich.

Veröffentlicht am 18.05.2021

Berührend, traurig, aber auch mit wunderbarem Humor geschriebene Familiengeschichte.

Viktor
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Ich war anfangs skeptisch, ob eine Juristin einen (Familien-)Roman schreiben kann. Irgendwie hatte ich eine schwerlesbare Lektüre erwartet, aber da das Thema mich angesprochen hatte, wollte ich es lesen. ...

Ich war anfangs skeptisch, ob eine Juristin einen (Familien-)Roman schreiben kann. Irgendwie hatte ich eine schwerlesbare Lektüre erwartet, aber da das Thema mich angesprochen hatte, wollte ich es lesen. Was für ein Glück, denn der Roman ist so gut, so voll mit Ironie und feinem schwarzen Humor und so traurig und bedrückend zugleich, dass ich froh bin, ihn gelesen zu haben. Judith Fanto hat einen wunderbaren und leicht zu lesenden Schreibstil, dass die 400 Seiten leider schnell durch waren.

Sie erzählt die Geschichte ihrer Familie anhand von zwei Handlungssträngen. Die "alte" Familie, d.h. Ururgroßeltern und Urgroßeltern sowie ihre Großeltern und besonders ihr Großonkel Viktor spielen eine wichtige und zentrale Rolle. Sie leben in Wien und entstammen einer wohlhabenden jüdischen Familie. Bis zum zweiten Weltkrieg lebt es sich gut in Wien mit Kunst, Kultur und Sinfonien von Mahler. Doch dann kippt die Stimmung, die Politik und das Ansehen und aus der erfolgreichen Familie wird ein Hassobjekt.

Der zweite Handlungsstrang ist Judith selbst. Sie ist, als zwanzigjährige Studentin der Rechtswissenschaft, auf der Suche nach ihrer Identität. Sie will wissen, warum nicht von "früher" gesprochen wird, warum der Glaube keine große Rolle mehr spielt und warum alles totgeschwiegen wird.

Die Geschichte fesselt schnell und man wird mitgezogen. Die Autorin wirft Fragen auf, die man sich vielleicht so noch nicht gestellt hat und die zum Nachdenken und Reflektieren anregen. Viktor, das schwarze Schaf der Familie, weiß den Leser schnell einzunehmen und für sich zu gewinnen. Es ist anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, dass die Autorin immer zwischen den Handlungssträngen hin und her hüpft, aber schnell weiß man damit umzugehen und kann der Geschichte gut folgen. Je mehr die Geschichte fortschreitet, umso dunkler und trauriger wird sie. Das Ende ist ein Knall, eine Überraschung und sehr gelungen.

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Veröffentlicht am 12.05.2021

Mehr nichts! aus der Sicht der Medizin

Mehr Nichts!
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Mehr Nichts! hat mich leider nicht so richtig begeistern können. Die Ausführungen des Autors waren zwar phasenweise recht interessant und so manche Herleitung war mir auch bisher nicht bekannt, so dass ...

Mehr Nichts! hat mich leider nicht so richtig begeistern können. Die Ausführungen des Autors waren zwar phasenweise recht interessant und so manche Herleitung war mir auch bisher nicht bekannt, so dass auch ein kleiner Lerneffekt entstand, aber die Vermittlung des Wissens und der Abhandlungen waren recht trocken.

Vielleicht lag es auch daran, dass sich alle Kapitel im Kern immer mit der Medizin und der Gesundheit beschäftigten. Für mich war es leider anstrengend bzw. etwas ermüdend. Zwischendurch hatte ich auch das Gefühl, dass ich manches schon einmal irgendwo gelesen habe. Nein, nicht wortwörtlich, sondern im Kontext und gerade bei dem Thema Corona und Medizin ist derzeit die Chance der Wiederholung recht hoch. Seit gut 1,5 Jahren kann man diesem Thema kaum ausweichen. Man weiß, dass es unter dem Motto "höher, schneller, weiter" nicht mehr lange gut gehen kann und wird. In keinem Bereich, weder in der Medizin noch in der Gesellschaft oder in der Wirtschaft, wird auf Dauer das Wachstum in dem Tempo durchzuhalten sein, ohne das der Mensch (sich) dabei verliert.

Wer dies alles einmal aus der Sicht der Medizin geballt und in einem Buch konzentriert nachlesen möchte, kann dies hier tun.