Ein gefühlvoller Roman zwischen Schmerz und Freude, Krieg und Liebe.
Und sie werden nicht vergessen seinDie Handlung dieses Romans spielt zum größten Teil in Berlin und London. In Berlin im Jahr 1938 lernen wir Eva Löbel kennen. Eine lebenslustige junge Künstlerin, die eigentlich alles in ihrem Leben erreicht ...
Die Handlung dieses Romans spielt zum größten Teil in Berlin und London. In Berlin im Jahr 1938 lernen wir Eva Löbel kennen. Eine lebenslustige junge Künstlerin, die eigentlich alles in ihrem Leben erreicht hat, was sie sich wünscht. Sie hat einen tollen Beruf und ist liiert mit dem erfolgreichen Schauspieler Martin Serner. Sie hat wunderbare Freunde und mit Martin Serner zusammen eine kleine Tochter, Chaja. Alles scheint perfekt, bis ein Aspekt an ihrer Person an Bedeutung gewinnt, der für sie noch nie relevant war. Eva Löbel ist Jüdin.
In London treffen Leser, die bereits den Roman „Die Stadt der schweigenden Berge“ von Carmen Lobato gelesen haben, auf alte Bekannte. Amarna und Arman Artsruni sind verheiratet. Arman hat es als gefeierter Bildhauer zu einem gewissen Wohlstand gebracht. Amarna arbeitet als Kunsthistorikerin und führt ein warmes, offenes Heim, wo Freunde und Nachbarn stets willkommen sind. Das einzige was noch fehlt ist ein eigenes Kind.
Die beiden Erzählstränge finden eine Verbindung in jüdischen Kindern, die mit den Kindertransporten aus Berlin in London ein Heim gefunden haben.
Es fällt mir nicht leicht, meine Eindrücke und Gefühle, die ich bei der Lektüre dieses Buches durchlebt habe, in Worte zu fassen. Die einzelnen Schicksale sowohl der Hauptfiguren wie auch von Nebenfiguren sind sehr lebensnah erzählt und gehen einem richtig zu Herzen. Ich habe schon viele Bücher gelesen, die zur Zeit des Nationalsozialismus und des 2. Weltkrieges spielen und sie haben alle ihre Berechtigung und ihre Qualitäten. Mir ist es aber noch selten so ergangen wie mit diesem Buch, dessen Szenen teilweise so lebensnah präzise beschrieben sind, dass sich einem die beklemmende Stimmung in einem Luftschutzbunker während eines Bombenangriffs förmlich auf die Brust legt. Wie im Vorgängerband wird auch hier der Genozid am Armenischen Volk im Jahr 1914 thematisiert. Die schrecklichen Geschehnisse prägen sich einem tief ein, man sieht aber auch, dass es trotzdem ein Weiterleben gibt. Und das ist eine weitere Qualität des Romans. Carmen Lobato drückt eine wunderbare Trotzhaltung aus, gegenüber allem Schrecklichen, gegenüber Krieg, gegenüber Hitler, gegenüber Bombern.... Wir leben trotzdem und wir haben Spaß am Leben und der Liebe und wenn es etwas nicht mehr gibt, dann wird es halt „ersetzt“. Zu dieser Disziplin des Ersetzens hat die Autorin eine herrliche Nebenfigur geschaffen, Amarnas Nachbarin Doris Taylor, die unentwegt ihre Einmachgläser füllt, Kartoffeln in der Badewanne zieht und alle möglichen mangelnden Lebensmittel durch irgendwas anderes ersetzt.
Was mich am meisten beeindruckt hat, war die Art und Weise, wie in diesem Buch Kunstwerke statt in Stein geschlagen in Worte gegossen werden und trotzdem vor dem inneren Auge so genau erscheinen, als ob man sie im Museum gesehen hätte.
„Und sie werden nicht vergessen sein“ kann ohne Vorkenntnisse von „Die Stadt der schweigenden Berge“ gelesen werden. Alle Informationen, die zum Verständnis nötig sind, stehen im Buch, das mit einem informativen Glossar ausgestattet ist. Wenn man den Vorgängerband nicht kennt, ist man vielleicht anfangs mit der Person des Arman etwas überfordert, weil er wirklich einen sehr komplexen Charakter und eine prägende Vergangenheit hat. Aber es klärt sich im Laufe des Buches alles.
Sprachlich ist das Buch ein einziger Genuss, ganz in der Tradition der Bücher von Carmen Lobato, die auch als Charlotte Roth schon Bestseller gelandet hat.
Für mich ist dieses Buch ein absoluter Volltreffer!
Ein Kaleidoskop aus widersprüchlichsten Empfindungen, von menschlichem Leid, Lebensfreude, Ängsten, den Widerstand trotz allem zu leben, Kunstwerken, herrlich lieben lebensechten Charakteren... Ich kann es nur empfehlen zu lesen.