Eine Geschichte über das Leben und seine kostbaren Momente ... und wie wir diese erleben wollen
All Your KissesInhaltserzählung:
Ich wusste nicht, wieso, aber es faszinierte mich, Augenblicke einzufangen. Vielleicht deshalb, weil Augenblicke manchmal alles sind, was wir bekommen. Es gibt keinen zweiten Versuch; ...
Inhaltserzählung:
Ich wusste nicht, wieso, aber es faszinierte mich, Augenblicke einzufangen. Vielleicht deshalb, weil Augenblicke manchmal alles sind, was wir bekommen. Es gibt keinen zweiten Versuch; was auch immer in einem Augenblick geschieht, definiert das Leben - vielleicht ist es das Leben. Doch einen Moment auf Film einzufangen hält diesen Moment für immer lebendig.
(Seite 44)
"Ich gehe nirgendwohin. Versprochen. Für immer und ewig."
"Poppy und Rune für unendlich", sagte ich.
"Für unendlich", wiederholte er.
(Seite 25)
Autorin:
Tillie Cole wuchs im Nordosten Englands in einer Kleinstadt auf. Sie besuchte die Newcastle University und schloss mit einem Bachelor of Arts in Theologie ab. Mit ihrem Mann, einem Profi-Rugby-Spieler, reiste sie lange um die Welt, bis die beiden schließlich nach Kanada zogen. Hier kam ihr dann die Idee für einen eigenen Roman. In ihren Geschichten kommen oft starke Heldinnen und sexy Alpha-Männer vor. In ihrer Freizeit liebt die Autorin es, zu lesen, zu singen und tanzen, Musik zu hören oder sie verbringt ihre Zeit mit Freunden und Familie.
Übersetzerin:
Silvia Gleißner
Bewertung:
Bei der Autorenbeschreibung (steht auf sexy Alpha-Männer) habe ich gestöhnt. Oh nicht doch!, dachte ich. Der Klappentext ist ziemlich kitschig geschrieben - dass den Verlagen auch nie was neues einfällt. Man könnte den Inhalt so berührend beschreiben, ohne die Klischees und 08/15-Artikulationen einzubinden. Schade, dass die Originaltitel oft nicht genommen, sogar total andersartige Titel erstellt werden. Dieser Titel hier ähnelt dem Original "A Thousand Boy Kisses" und passt sehr gut. Das Cover ist sehr schön und explosiv, was noch besser zum Inhalt passt. Denn dieser ist wirklich explosiv.
Was ich doof finde, ist dass die Ebook-Version unter dem Originaltitel veröffentlicht wurde. Ich finde, da muss der Verlag sich auch entscheiden, welchen Titel er haben möchte! Das ist unnötig verwirrend für die Leserschaft! Auch die verschiedenen Cover haben mich persönlich irritiert. Ich hatte das Buch unter dem Originaltitel und -cover in meiner Wunschliste. Meine Wichtelfreundin hat mir das Buch dann in dieser deutschen Ausgabe geschenkt. Ich wusste zuerst gar nicht, dass es ein und dasselbe Buch ist und war überrascht, dass sie mir keines aus der Wunschliste schenkte, da sie mir nie ein Buch außerhalb der Wunschliste schenkt. So viel zum äußeren Eindruck.
"Ich kannte mal einen Jungen, den ich von ganzem Herzen liebte und der für den Moment lebte. Er sagte mir, dass ein einzelner Moment die Welt verändern kann. Ein Leben. Dieser eine Moment kann in dieser kurzen Sekunde ein Leben unendlich besser oder unendlich schlimmer machen."
(Seite 205)
Sehr gut ist, dass das Buch eine Trigger-Warnung hat - es ist sicherlich nicht für jeden Leser verträglich und kann heftige Emotionen herbeiführen. Die Geschichte ist in der Sicht von Rune und Poppy geschrieben. Die Kapitel haben alle Überschriften, was ich super schön finde. Der Schreibstil ist fließend und so las ich die Geschichte sehr zügig durch. Was mir hieran gefallen hat ist, dass er einen poetischen Touch hat, weshalb die Geschichte zusätzlich extrem emotional rüberkommt. Es passiert dramatisches, aber es gibt auch viele leise Momente, die zum Nachdenken anregen - genau die werden mit diesem Schreibstil hervorgehoben.
Die beiden Charaktere finde ich gut ausgearbeitet, ihre Gedanken und Gefühle werden gut transportiert. Sehr berührt hat mich der Groll von Rune gegenüber seinem Vater - da habe ich mich auch in anderer Weise wiedergefunden. Diesen tiefen Groll und die Szenen zwischen den beiden hat die Autorin sehr gefühlvoll beschrieben. Mir ging das Platzen dieses Knotens aber etwas zu schnell, hier hat mir doch der ganze Weg bis dahin gefehlt. Eine Entwicklung ist schon vorhanden, aber nicht ausreichend. Die Liebe zur Fotografie war auch wieder etwas, dass mich an mich selbst erinnert hat. Bei Poppy wirkt das Geschehene (kann ich nicht verraten, spoilert sonst) manchmal etwas zu dramatisch bzw. wurde zu dramatisch dargelegt. Mir war das doch hin und wieder zu viel.
Sie wusste, sie hatte mich, ebenso sehr wie ich sie hatte.
(Seite 33)
Ich glaube, auf die meisten Menschen wirkt die Liebe zwischen Poppy und Runde überzogen, weil sie gerade mal Teenager sind. Aber da ich selbst auch so ein tief empfindender Mensch bin, ist es für mich kein Märchen, sondern Realität. Mir ging es in meiner Jugend empfindungsmäßig genauso. Es gibt nun mal Menschen, die tiefer empfinden als andere, auch wenn wir das ungern hören oder lesen. Aber so ist es eben. Genauso wie jeder Mensch Schmerzen anders erfährt oder Enttäuschungen ... all diese ganze Gefühlspalette. Die meisten Menschen können nur nicht so tief empfinden. Es bleibt immer irgendwie eine Oberflächlichkeit vorhanden. Man fühlt tief, aber nicht zerstörerisch. Das sollten wir auch nicht bewerten, sondern einfach als gegeben hinnehmen. Wir müssen nicht alles in positive und negative Schubladen stecken. (Es sei denn, man möchte sein eigenes engstirniges Weltbild nicht zerstören).
Leider wird deswegen die Geschichte auch negativer bewertet, weil viele der Meinung sind, sie sei unrealistisch. Hier hilft, ein wenig über den eigenen Tellerrand zu schauen und nicht bloß von seinen eigenen Erfahrungen zu schließen. Das nennen wir Vorurteile, in eine Schublade schieben etc. Mich hat die Geschichte eben so sehr bewegt, weil ich auch so eine Poppy-Rune bin. Ich habe mich in den beiden wiedergefunden, was natürlich nicht nur schön war.
"Sieh dir deine Fußspurren im Sand an. Du hast mich getragen. In meinen schwersten Zeiten, als ich nicht gehen konnte ... hast du mich getragen."
(Seite 248)
Die Eltern der Beiden haben mich zum einen Teil verständnisvoll und zum anderen Teil verständnislos zurückgelassen. Ihre Sorgen, Ängste und Zerrissenheit war für mich schon deutlich spürbar. Aber andererseits blieb auch einiges unspürbar, sodass ich mich etwas aufgeregt habe. Beide Eltern lieben beide Kinder und suggerieren Verständnis für ihre jeweiligen Lagen. Aber gleichzeitig erschweren sie ihre jeweiligen Lagen und versuchen gar nicht, die Beweggründe der beiden zu verstehen. Das ist der einzige Aspekt im ganzen Buch, der mich zwischen Verstehen und Ärger zerrissen hat. Die anderen Charaktere blieben recht im Hintergrund, was hier aber nicht negativ ist. Der Hauptkern ist einfach die Beziehung zwischen Poppy und Rune und ihre Auswirkungen.
Die Idee mit dem Einmachglas und in ihm die besten Küsse zu sammeln ist wirklich sehr originell und einmalig! ♥ Ich kannte es bisher nur mit Sammeln von schönen Momenten, aber das auf das Küssen zu fixieren, ist wunderschön und hat hier nicht nur hervorragend reingepasst, es ist auch sehr berührend.
Den Epilog, den viele verteufeln, kann ich gar nicht mehr richtig greifen. Ein paar Momente weiß ich noch, aber wenn es mich gestört hätte, hätte ich mir Notizen dazu gemacht. In meiner Erinnerung passt er gut, auch wenn wir Leserinnen gerne ein anderes Ende hätten. Aber das Leben ist kein Wunschkonzert! Wir können nur darauf hoffen, dass es manchmal unser Lieblingslied spielt. (Und auch in Geschichten haben wir kein Anrecht auf ein Happy End!)
Fazit:
Auch wenn die Geschichte ein paar Schwächen aufweist, hat mich der Verlauf sehr berührt und viel an mich erinnert. Die Charaktere gingen mir wirklich ans Herz, wobei ich gestehen muss, das Rune mein Liebling ist. Die Autorin hat viele Emotionen reingeschrieben und es nie unrealistisch, nur minimal überzogen, werden lassen. Besonders die Liebe und Verzweiflung stechen hervor und haben mich sehr getroffen.
Wer gerne von Handlungen und Charakteren berührt wird und auch mal von einer richtig tiefen Liebe lesen möchte, hat hier ein geeignetes Werk parat.
"Denn auch wenn du noch so sehr protestierst und eine Aura von Finsternis ausstrahlst, strebst du doch nach Glück. Du möchtest glücklich sein."
(Seite 284)
Die Autorin schreibt in ihrer Danksagung: "Ich stell mir vor, wie eure Augen in diesem Moment verquollen und eure Wangen rot sind vom vielen heulen." - Nicht ganz ... aber fast.