Eine differenzierte Milieustudie, aber mit gewöhnungsbedürftigem Schreibstil und einigen Längen!
So schöne LügenWorum geht’s?
Louise hat sich ihr unabhängiges, selbstbestimmtes Leben fernab der Kleinstadtidylle ihrer Eltern irgendwie anders vorgestellt. Mit fast 30 Jahren muss sie voller Ernüchterung feststellen, ...
Worum geht’s?
Louise hat sich ihr unabhängiges, selbstbestimmtes Leben fernab der Kleinstadtidylle ihrer Eltern irgendwie anders vorgestellt. Mit fast 30 Jahren muss sie voller Ernüchterung feststellen, dass sich weder ihr Traum, eines Tages eine gefeierte Schriftstellerin zu werden, noch der Wunsch nach einer glücklichen Beziehung erfüllt hat. Stattdessen hält sie sich mit drei schlecht bezahlten Jobs über Wasser und hat keine ernsthafte Aussicht auf Besserung. Bis Lavinia in ihr Leben tritt: Lavinia ist schön und reich. So reich, dass sie mit allen Stars und Sternchen der Upper East Side bekannt ist und keine Gala auslässt. Plötzlich ist Louise ebenfalls mittendrin im Geschehen und erlebt eine berauschende Party nach der anderen. Doch im Gegensatz zu Lavinia ist Louise in dieser Welt voller Glitzer, Glamour und Gerüchten nur zu Gast, was sich bald vor allem an ihrem Kontostand bemerkbar macht. So begibt sie sich in eine gefährliche Abhängigkeit von den ständig wechselnden Launen ihrer neuen Freundin. Wohin wird Louise diese Freundschaft führen? Wird sich Louise von ihrer Ohnmacht – und letztlich von Lavinia - befreien können?
Meine Meinung
Die schimmernde Gold- und Silberprägung des Schutzumschlags hätte nicht treffender gewählt werden können. „So schöne Lügen“ ist ein Buch über Glanz und Gloria, aber auch über die Persönlichkeiten, die sich hinter dieser Fassade verbergen. Die New Yorker Upper East Side ist geprägt von Exzessen, vom Rausch des Geldes und der ständigen Selbstdarstellung. Auf ein Genre mag ich mich gar nicht zu sehr festlegen, denn gerade in der zweiten Hälfte versucht dieses Buch mehr als nur eine Milieustudie zu sein. Die spärlich gesäten Spannungsmomente reichen jedoch nicht aus, um den Ansprüchen eines zeitgemäßen Thrillers gerecht zu werden. Insgesamt würde ich daher „So schöne Lügen“ als Gesellschaftskritik bezeichnen, die sich immer wieder durch kleinere Konfliktsituationen von anderen Romanen dieser Art abhebt. Nachfolgend möchte ich auf die einzelnen Elemente eingehen, die meiner Meinung nach besonders hervorzuheben sind:
Die Charaktere
Im Mittelpunkt des Geschehens steht die Protagonistin Louise, die mit ihrer durchschnittlichen Biografie und genügsamen Lebensweise eigentlich so gar nicht in das Milieu der Superreichen passt. Sie ist im Grunde der Rohentwurf der „modernen“ Frau – und damit stets auf der Flucht vor den Erwartungen ihrer Mitmenschen. Die Aussicht auf ein gewöhnliches Leben als Haus- und Ehefrau in der Kleinstadtidylle treibt sie schließlich zur Flucht nach New York. Doch dort angekommen muss sie feststellen, dass es eine Herausforderung ist, sich dort allein über Wasser zu halten, geschweige denn als Schriftstellerin entdeckt zu werden. Louise ist mit ihrer Enttäuschung und (scheinbaren) Perspektivlosigkeit für den Leser ihrer Altersklasse sofort eine greifbare und ungemein menschliche Identifikationsfigur. Sie versinnbildlicht das Ende eines Jugendtraums, gepaart mit dem Gefühl, durch genau diesen Traum wertvolle Zeit verloren zu haben oder gar auf der Strecke geblieben zu sein. Ein großes Plus ist daher von Beginn an die Darstellung der Hauptfigur, die auch im weiteren Verlauf des Buches dynamisch und damit realistisch bleibt.
Im Gegensatz zu Louise steht Lavinia ständig im Rampenlicht. Sie ist in erster Linie das Kind reicher Eltern ist und musste sich nie mit den Sorgen einer gewöhnlichen Erwachsenen abgeben. Sei es Literatur, Theater oder der obligatorische Opernbesuch - Lavinia widmet ihr Leben den darstellenden Künsten und vereinnahmt mit ihrer Exzentrik sofort die gesamte Aufmerksamkeit ihrer skurrilen und nicht weniger oberflächlichen Mitmenschen. Gerade im Vergleich zur stillen, unauffälligen Louise wirken ihre nie enden wollenden Skandälchen des Öfteren leider aufgesetzt und unglaubwürdig. Hinzu kommt, dass Lavinia als Gegenpol zu Louise dem Leser zwar von Anfang an unsympathisch ist und damit als potenzielle Antagonistin dient. Allerdings reizt de Autorin diese Rolle nicht ausreichend aus, um ihr Raum für Charakterentwicklung zu geben und so mehr zu sein als eine hervorragende Selbstdarstellerin. Enttäuschenderweise bleibt Lavinia bis zum Schluss eine mystische, aber blasse Figur, die deutlich mehr Potenzial gehabt hätte.
Das Setting
Ein großes Plus ist die realistische (Schein-)Welt der Upper East Side, die dieser Roman in ihrer schillernden wie abscheulichen Gestalt darstellt. Man merkt der Autorin zu jeder Zeit an, dass sie selbst als Journalistin in New York tätig ist und dieses Milieu eindringlich studiert zu haben scheint. Sie gibt faszinierende Einblicke in das Leben einer Gesellschaft, für die Geld keine Rolle spielt und die voller Fassaden und falscher Freunde ist. Eine Welt voller Oberflächlichkeiten, die ihre Abgründe hinter einer dicken Schicht aus Glitzer verbirgt und dabei nie langweilig wird. Es ist nicht auszuschließen, dass es dem einen oder anderen Leser in all dem Trubel mitunter zu absurd zugehen könnte – ich persönlich fand diese Darstellung aber eindrucksvoll und rundum gelungen.
Die Handlung
Über die Handlung möchte ich an dieser Stelle nicht allzu viel verraten, da der Klappentext bereits sehr aussagekräftig ist und sogar einen Hinweis auf eine große Wendung innerhalb der Geschichte gibt. Die Autorin hält noch den einen oder anderen Konflikt bereit, sodass nie Langeweile aufkommt. Allerdings können diese kurzen Spannungsmomente nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Ende doch recht vorhersehbar ist und die aufgeworfenen moralischen Konflikte nicht zufriedenstellend gelöst werden. Der Leser sollte daher keine allzu großen Überraschungen erwarten, auch wenn sich die Autorin immer wieder an simplen, aber effektiven Thriller-Elementen bedient.
Der Schreibstil
Größter Kritikpunkt ist allerdings der ganz und gar nicht glamouröse Schreibstil, der mit seinen asyndetischen Sätzen stets auf einem schmalen Grat zwischen schlichter Eleganz und plumper Einsilbigkeit wandert. Die Sätze sind wenig abwechslungsreich, wobei ich mir nicht sicher bin, ob dies sogar von der Autorin beabsichtigt ist, um den immer gleichen Ablauf des Zusammenlebens mit Lavinia widerzuspiegeln. Ich bin mir auch Wochen nach Beendigung des Buches nicht sicher, was ich von diesem Schreibstil halten soll – lakonisch oder langweilig? Auf jeden Fall empfehle ich vor dem Kauf einen Blick in die Leseprobe zu werfen, andernfalls droht das Buch spätestens nach dem ersten Drittel auf dem Friedhof der abgebrochenen Bücher zu landen.
Fazit
Insgesamt ist „So schöne Lügen“ eine eindrucksvolle und vor allem glaubwürdige Milieustudie, die einen stets gesellschaftskritischen Blick auf die Welt der Reichen und Schönen wirft. Der Versuch, darüber hinaus auch Psychothriller-Elemente einzubauen und damit einen Spannungsbogen zu ziehen, führt dabei jedoch nur bedingt zum Erfolg. Auch die beiden weiblichen Hauptfiguren bleiben mitunter blass, da sie sich zu sehr hinsichtlich ihrer Emanzipation und Charakterentwicklung voneinander unterscheiden. Der Schreibstil ist entweder Fluch oder Segen, je nachdem, ob der Leser kurze oder anspruchsvolle Sätze bevorzugt. Letztlich weiß die Autorin mit ihrem Debüt zu unterhalten, schafft jedoch durch fehlende Überraschungen für die Zukunft auch Verbesserungspotenzial. Ein herzliches Dankeschön gilt dem DuMont Verlag und vorablesen.de für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars!