Profilbild von jenvo82

jenvo82

Lesejury Star
offline

jenvo82 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit jenvo82 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.09.2016

Die Stille nach dem Schweigen

Was fehlt, wenn ich verschwunden bin
0

Früher waren April und Phoebe ganz normale Schwestern, sie haben gemeinsam gelacht, sich gegenseitig genervt doch meist gut verstanden. Aber nun liegt April im Krankenhaus und kämpft gegen die Magersucht, ...

Früher waren April und Phoebe ganz normale Schwestern, sie haben gemeinsam gelacht, sich gegenseitig genervt doch meist gut verstanden. Aber nun liegt April im Krankenhaus und kämpft gegen die Magersucht, während Phoebe´s normaler Alltag mehr und mehr schwindet. Phoebe schreibt jeden Tag Briefe an ihre ältere Schwester, bittet sie darum endlich wieder nach Hause zu kommen und macht damit deutlich, wie sehr sie April liebt und vermisst. Allerdings bleiben ihre Worte unbeantwortet, denn April schickt ihre Antworten nicht ab sondern verwahrt sie in einer Kiste in ihrem winzig kleinen, tristen Krankenhauszimmer auf. Irgendwann wird Phoebe ihre Briefe lesen können, aber dann ist April nicht mehr da …
Dieser Roman ist in Briefform verfasst und da die Briefe lange Zeit nicht beantwortet werden, empfindet der Leser den Text als eine Art Tagebuch eines jungen, verzweifelten Mädchens, die der Erkrankung ihrer älteren Schwester nichts entgegen zu setzen hat und die von ihrem Umfeld im Unklaren darüber gelassen wird, wie die Gegenwart aber auch die Zukunft aussehen soll. Zwischen den geschriebenen Zeilen spürt man die Verzweiflung, die Angst vor dem Alleinsein, die Sehnsucht nach einer intakten Familie, den Wunsch, die Zeit anzuhalten und zurückzustellen und mit jedem Wort eine innige Schwesternliebe.
Etwa nach der Hälfte des Buches wechselt die Erzählperspektive: nun beschreibt April ihre Sicht auf die Dinge, schildert ebenso in Briefform die Ereignisse rund um ihre Erkrankung, erzählt ihrer kleinen Schwester, warum sie krank geworden ist und sich auch nicht mehr dagegen wehren kann. Gleichzeitig bietet sich hier dem Leser ein erschreckend ehrlicher Abriss über fatale Erziehungsfehler, über das maßlose Unverständnis im eigenen Elternhaus, über das Fehlen von Liebe, Anerkennung und Zuwendung und die verheerenden Folgen.
Die Geschichte zieht unweigerlich in ihren Bann, sie rüttelt am Herzen und hinterlässt Wut und Trauer gleichermaßen. Manchmal hat mich beim Lesen die Einseitigkeit gestört, weil immer nur eines der beiden Mädchen zu Wort kommt. Es wäre schöner gewesen, wenn man die Briefe im Wechsel gedruckt hätte – doch das ist nur ein kleiner, stilistischer Schönheitsfehler in einem bewegenden Roman.
Fazit: Ein traurig-ehrlicher Jugendroman der Erziehungsfehler und ihre Auswirkungen thematisiert und der gleichzeitig den unbedingten Wunsch zurücklässt, es bei den eigenen Kindern anders zu machen. Der jungen Menschen ihren Wert, ihre Besonderheit und ihren eigenen Weg zugesteht. Ein Buch für alle, die gerne reflektieren, für Jugendliche aber auch für Eltern, für Menschen die auf ihr Herz hören und denen die Hoffnungslosigkeit der Geschichte nicht zu sehr aufs Gemüt schlägt. Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Von der Bedeutsamkeit einer Begegnung

Zwanzig Zeilen Liebe
0

Der Roman erzählt nicht nur eine, sondern ganz viele Geschichten, Geschichten von Menschen, die ihr Leben neu überdenken müssen, die es in Ordnung bringen müssen, weil sie nicht mehr lange auf dieser Welt ...

Der Roman erzählt nicht nur eine, sondern ganz viele Geschichten, Geschichten von Menschen, die ihr Leben neu überdenken müssen, die es in Ordnung bringen müssen, weil sie nicht mehr lange auf dieser Welt sein werden. Die Hospizschwester Stella verfasst für ihre sterbenden Patienten Briefe an deren Angehörige und schickt sie an den jeweiligen Adressaten, sobald die Hospizbewohner verstorben sind. Doch auch in Stellas Leben existiert eine große Trauer, eine schwere Last liegt auf ihren Schultern, seitdem ihr über alles geliebter Mann bei einem militärischen Auslandseinsatz ein Bein verloren hat. Ihre Ehe steht mittlerweile kurz vor dem emotionalen Aus und doch gelingt es ihr, für andere der Anker in stürmischen Zeiten zu sein …

Nachdem ich den ersten Roman der Autorin „Einfach unvergesslich“ sehr genossen habe, war meine Vorfreude auf den Nachfolger natürlich riesengroß. Gewünscht habe ich mir eine emotional, tief berührende, traurig-hoffnungsfrohe Geschichte über das Leben und das Sterben, mit vielen ergreifenden Szenen und bitte auch Taschentuchalarm, einfach weil ich solche Bücher mag, bei denen man mitfühlen und mitleiden kann. Leider konnte die Erzählung meine Ansprüche nicht ganz erfüllen, weil sie ihre zahlreichen sehr guten Ansätze nicht ausschöpft, weil sie zu viele verschiedene Geschichten in einem Roman aufgreift und dadurch irgendwie steckenbleibt.

Der Schreibstil und die Wortwahl sind wunderschön und animieren beim Lesen ganz wesentlich, so dass man gut vorankommt und die Szenen bildhaft vor Augen hat. Auch die einzelnen Abschiedsbriefe gehen zu Herz, denn sie zeigen ganz nebenbei, dass jeder Mensch in seinem Leben Spuren hinterlässt und für andere eine Bedeutung hat und sei es auch nur eine Momentaufnahme des Glücks und der Liebe.

Auch die Grundaussage des Buches, dass es manchmal nur die kleinen, anscheinend unbedeutenden Situationen sind, die das eigene Leben in eine bestimmte Richtung lenken, finde ich zutreffend. Der Roman beschreibt sehr ausführlich die Bedeutsamkeit einer Begegnung, die Hoffnung die aus Zuwendung erwachsen kann, den positiven Umgang mit Trauer und Verlust und nicht zu vergessen die menschliche Stärke des Verzeihens.

Fazit: Ich vergebe gute 3,5 Sterne für diesen Roman, der trotz seiner Sprachgewalt und wunderschönen Ausstattung nicht an den Vorgängerroman heranreicht, weil er sich in zu vielen Einzelheiten verliert und mein Leserherz nicht gänzlich erreichen konnte. Eine Leseempfehlung für Zwischendurch vergebe ich dennoch, denn er unterhält ausgezeichnet.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Der Feldzug eines Serienmörders

Die stille Bestie (Ein Hunter-und-Garcia-Thriller 6)
0

Durch bloßen Zufall gelingt es dem FBI-Team in Quantico den gemeingefährlichen Massenmörder Lucien Folter zu stellen und ihm zum Geständnis all seiner Gräueltaten zu bewegen. Mit Hilfe des Ermittlers Robert ...

Durch bloßen Zufall gelingt es dem FBI-Team in Quantico den gemeingefährlichen Massenmörder Lucien Folter zu stellen und ihm zum Geständnis all seiner Gräueltaten zu bewegen. Mit Hilfe des Ermittlers Robert Hunter, einem ehemaligen Studienfreund des Verdächtigen bekommen die Beamten alle notwendigen Informationen aus erster Hand. Doch Lucien verfolgt ein eigenes, viel größeres Ziel und macht Robert Hunter zur Marionette in einem abgekarteten Spiel. Als er schließlich ein noch lebendes Opfer erwähnt, bei dem jede weitere Stunde in Gefangenschaft den Tod bedeuten könnte, setzt Hunter alles auf eine Karte …

Chris Carter scheint ein Garant für gruselige, brutale Thriller mit einer großen Portion Nervenkitzel zu sein, wenn man den Rezensionen und Kritiken Glauben schenken darf. Deshalb habe auch ich mich an sein neuestes Werk gewagt, um den Autor kennenzulernen und ich wurde nicht enttäuscht.

Der Thriller ist wirklich top, weil er von der ersten bis zur letzten Seite eine ganz eigene spannungsgeladene Gruselatmosphäre schafft und immer nur einen Brocken neues Wissen für den Leser bereithält. Dadurch dass er fast ausschließlich aus Sicht eines Psychopathen bzw. eines persönlich betroffenen Ermittlers geschildert wird, bekommt die schockierende Handlung umso mehr Erzähltiefe und Bedeutsamkeit. Auch die Story an sich und der übergeordnete Plan des Täters, eine Art Enzyklopädie für Massenmörder zu verfassen, ziehen den Leser regelrecht ins Geschehen hinein, so dass man den Mörder hier unter vielen verschiedenen Gesichtspunkten präsentiert bekommt. Und darüber hinaus erfährt man sogar noch Dinge, die in anderen Thrillern niemals benannt werden oder einfach im Geschehen untergehen.

Bei den beschriebenen Foltermethoden und Tötungsvarianten spielt Chris Carter geschickt mit einer gewissen Härte und Brutalität, dennoch wirken die Szenarios nicht monströs abschreckend – weil man nach und nach ein immer härteres Niveau geboten bekommt und sich auf die Verschärfung der Umstände einstellen kann.

Fazit: Dieses Buch ist ein wahrer Pageturner, der durch seine Handlung besticht und auch Neuleser für Chris Carter begeistern kann. Brutal, packend und schonungslos – taucht man in das kranke Seelenleben eines Psychopathen ein, für den es nichts Schöneres gibt als das Morden. Unbedingt lesen!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Leihmutterschaft wider Willen

Das Juwel - Die Gabe
0

Die 16-jährige Violet wird auf Grund ihrer Gabe so wie viele andere junge Mädchen aus dem Sumpf für ein Leben als Surrogat ausgebildet. Surrogate werden von ihren Familien isoliert und leben als zukünftige ...

Die 16-jährige Violet wird auf Grund ihrer Gabe so wie viele andere junge Mädchen aus dem Sumpf für ein Leben als Surrogat ausgebildet. Surrogate werden von ihren Familien isoliert und leben als zukünftige Leihmütter im Herzen der Insel, dem „Juwel“. Dort sollen sie für die Adligen deren Kinder austragen, weil diese selbst keine mehr bekommen können. Das Leben im „Juwel“ bietet leider nicht nur Prunk und Glamour sondern kostet in erster Linie die persönliche Freiheit. Violet sehnt sich nach zu Hause und als man ihr die Möglichkeit zur Flucht anbietet, fiebert sie dem Tag des endgültigen Entkommens entgegen. Doch ihre Liebe zu Ash, dem Angestellten des Hauses zum See lässt sie zweifeln und hoffen zugleich: Wäre ein Leben in Sicherheit möglich? Kann man die Liebe aufs Spiel setzten oder sogar versuchen sie zu retten und gemeinsam fliehen? Während Violet ihre Entscheidung trifft, überschlagen sich die Ereignisse und ihre Sicherheit gerät ins Wanken …

Der neue Jugendroman von Amy Ewing, der gleichzeitig der Auftakt einer Buchreihe ist, konnte mich auf ganzer Linie überzeugen. Besonders die bildlichen Beschreibungen des Lebens und der Menschen in dieser Dystopie sprechen mich an. Während des Lesens hat man immer das Gefühl, mitten im Geschehen zu sein und gemeinsam mit der Hauptprotagonistin die kuriosesten Abenteuer zu erleben.

Vor allem die Romanidee mit der Leihmutterschaft, ihrer Bedeutung für die jungen Mädchen aber auch für die Gesellschaft im „Juwel“ hat mich überzeugt. Große Themen wie Freiheitsberaubung, Sklaverei und Unterdrückung werden nicht nur angesprochen sondern mit Leben erfüllt, weil die Handlung ganz genau erspüren lässt, welch große Mächte hier am Werk sind. Ebenso die Intrigen und teils tödlichen Ränkespiele am Palast der Fürstin und in den Adelshäusern wirken faszinierend und fremd zugleich.

Das Buch reiht sich problemlos in den Reigen anderer ähnlich strukturierter Buchreihe wie „Die Tribute von Panem“ oder „Cassia und Cy“ ein und erzählt doch eine eigenständige, höchst interessante Geschichte, so dass man das Gefühl hat wieder in einer ganz eigenen Welt gelandet zu sein. Der Schreibstil ist zeitgemäß und flüssig zu lesen, die Seiten fliegen nur so dahin und durch geschickte Wendungen und neue Beschreibungen gelingt es der Autorin, viele differenzierte Aspekte zu besprechen, viele unbekannte Eindrücke zu vermitteln und ein wundervolles großes Ganzes zu schaffen.

Fazit: Ein wunderschöner, eindringlich erzählter Jugendroman, voller Phantasie, bunter Überraschungen und trauriger Erkenntnisse. Eine besondere Geschichte, die mich mehr und mehr in ihren Bann gezogen hat und die ich voller Enthusiasmus weiterempfehlen kann. Wieder ein Lesehighlight für mich und definitiv ein Must-Read für alle Fans von Dystopien!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Milo Moon auf geheimer Mission

Der Junge, der mit dem Herzen sah
0

Dies ist die Geschichte eines kleinen Jungen, der das Herz am rechten Fleck hat und ganz klare Prioritäten setzt. Seine besten Freunde sind das Hausschwein Hamlet und seine Großmutter Lou. Doch als seine ...

Dies ist die Geschichte eines kleinen Jungen, der das Herz am rechten Fleck hat und ganz klare Prioritäten setzt. Seine besten Freunde sind das Hausschwein Hamlet und seine Großmutter Lou. Doch als seine Gran die Küche in Brand setzt, muss sie zur Sicherheit der Familie in ein Altersheim. Milo kämpft mit allen Mitteln darum, seine Oma wieder zurück nach Hause zu holen und begibt sich als geheimer Undercover-Agent in die Hölle des Altersheimes. Denn dort herrschen katastrophale Zustande und die Patienten werden menschenunwürdig behandelt. Milo schmiedet gemeinsam mit dem neuen Untermieter seiner Mutter einen Plan um alles aufzudecken – doch er hat nicht damit gerechnet, dass sich ausgerechnet Lou in einen Mitbewohner aus der Altersresidenz verguckt und diesen sogar heiraten will!

Dieser Roman ist eine humorvolle, teils traurige, teils ehrliche, teils abenteuerliche Abhandlung über das Leben und seine Tücken. Milo Moon, der Hauptprotagonist des Buches schleicht sich in das Herz des Lesers, weil er mit seiner kindlich-naiven Sichtweise, einer großen Portion Mut und dem Blick fürs Wesentliche sehr direkt rüberkommt. Er schließt Freundschaft mit einem Syrer, versucht seiner Mutter eine Menge abzunehmen und sagt einer herrischen Altenpflegerin den Kampf an – all das wirkt sofort und anhaltend sympathisch.

Auch die anderen handelnden Personen nehmen in der Erzählung einen großen Platz ein und jede wartet mit einer ganz eigenen Story auf, die sich wunderbar ins Gesamtbild einfügt. So dass sich hier Stück für Stück die Puzzleteilchen zusammenfügen und eine Geschichte von Nächstenliebe, Zusammenhalt, Einfühlungsvermögen und Courage erzählt wird, die sich vollkommen unabhängig von Gesellschaftsstatus, Alter und Wissensstand äußert. Ein Appell an das Gute im Menschen und die Kraft, die Veränderungen in unserem Leben hervorrufen können.

In kurzen Kapiteln, die immer aus Sicht einer Person geschildert werden, findet der Leser recht leicht in die Geschichte hinein und verliert auch nicht den Überblick. Die Sprache ist zeitgemäß und flüssig, die Rahmenbedingungen äußerst aktuell und der Handlungsverlauf sehr kontinuierlich. Viele Überraschungen birgt die Erzählung allerdings nicht, bereits früh lässt sich der Handlungsverlauf vermuten, so dass es irgendwie an Spannungsmomenten fehlt.

Fazit: Ich vergebe hier knapp vier Sterne für eine unterhaltsame, manchmal nachdenklich stimmende Geschichte, die vor allem durch einen kleinen Jungen punkten kann, der immer auf der Seite des Guten steht und auch in anderen Personen eine Veränderung zum Positiven bewirken kann. Leider konnte mich die Handlung emotional nicht wirklich erreichen, weil es kaum um philosophische Gedanken und menschliche Prinzipien ging und zahlreiche Gefühle zwar erwähnt aber nicht geschildert wurden.