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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.10.2024

Zwei Frauen in den 1970er Jahren

Zwei Leben
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„In das Land waren die Familiengeschichten eingeschrieben, und es konnte sie nur lesen, wer hier aufgewachsen war.“

Wenn ein neues Buch von Ewald Arenz erscheint, kann man davon ausgehen, dass es ein ...

„In das Land waren die Familiengeschichten eingeschrieben, und es konnte sie nur lesen, wer hier aufgewachsen war.“

Wenn ein neues Buch von Ewald Arenz erscheint, kann man davon ausgehen, dass es ein Bestseller wird. Und so ist es auch diesmal. Der neue Roman des Autors ist Mitte September erschienen und steht seitdem auf der Spiegel-Bestsellerliste. Verdient, wie ich finde, auch wenn mein persönliches Highlight von Ewald Arenz nach wie vor „Alte Sorten“ ist.

Der neue Roman spielt Anfang der 70er Jahre in Franken und erzählt die Geschichte zweier Frauen - zweier Leben sozusagen.
Da haben wir Roberta. Sie kommt nach einer Schneiderlehre in der Stadt zurück in ihr Heimatdorf. Als Einzelkind soll sie irgendwann den Bauernhof ihrer Eltern übernehmen. Doch Roberta träumt insgeheim von einer ganz anderen Zukunft.
Und dann ist da Gertrud. Sie ist Mitte 40 und stammt ursprünglich aus Hamburg. Ihr Mann ist der Pfarrer in der kleinen Gemeinde, und Gertrud ist somit die Pfarrfrau. Auch sie träumt von einem anderen Leben, fühlt sich eingeengt in dem Dorf und sehnt sich nach der Großstadt.
Beide Frauen verbindet Wilhelm. Er ist Robertas Freund seit ihrer Kindheit und er ist Gertruds Sohn. Und er ist der Grund, der beide Frauen im Dorf bleiben lässt.

Wie immer bei einem Roman von Ewald Arenz kann man wunderbar in die Geschichte eintauchen. Es ist eine Geschichte voller Tragik, melancholisch und schmerzlich schön.

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Veröffentlicht am 26.10.2024

Melancholisch mit einem Hauch Komik

Das Fest
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Jakob, einst ein gefeierter Filmregisseur, inzwischen erfolglos in seinem Beruf, wird 50.
Diesen besonderen Geburtstag möchte er allerdings nicht feiern. Überhaupt steht ihn im Leben nicht mehr der Sinn ...

Jakob, einst ein gefeierter Filmregisseur, inzwischen erfolglos in seinem Beruf, wird 50.
Diesen besonderen Geburtstag möchte er allerdings nicht feiern. Überhaupt steht ihn im Leben nicht mehr der Sinn nach Party. Jakob fühlt sich alt, lebt zurückgezogen und möchte niemanden sehen.

Ellen, Jakobs langjährige, beste Freundin sieht das allerdings anders. Sie steht am Geburtstag mit Torte, Kerzen und Champagner vor der Tür. Und ehe Jakob sich versieht, macht er sich mit Ellen auf den Weg, eine Badehose im Gepäck. Er trifft auf ihm bekannte Menschen, er blickt zurück auf die vergangenen Jahrzehnte, er zieht Bilanz.
So wie das Leben seine Spuren hinterlässt, so vergeht auch dieser Tag nicht ohne Blessuren.

Melancholisch mit einem Hauch Komik, so begegnet uns der neue Roman von Lucy Fricke. Er liest sich sehr angenehm und hinterlässt am Ende ein richtiges Glücksgefühl.
Auf nur knapp 140 Seiten erzählt die Autorin von Freundschaften und Beziehungen, die uns prägen und zu dem Menschen machen, der wir sind.

Ich mag die Bücher von Lucy Fricke sehr, habe mich daher total auf diese Neuerscheinungen gefreut und wurde nicht enttäuscht. Ein großes Lesevergnügen, das ich absolut empfehlen kann!

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Veröffentlicht am 11.10.2024

Herzerwärmend

Wohnverwandtschaften
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Constanze, Anke, Murat und Jörg. Sie leben zusammen in einer WG. Ursprünglich war es die Wohnung von Jörg und seiner Frau Brigitte, doch Brigitte lebt nicht mehr.

Jörg ist Ende 60, war bisher recht fit ...

Constanze, Anke, Murat und Jörg. Sie leben zusammen in einer WG. Ursprünglich war es die Wohnung von Jörg und seiner Frau Brigitte, doch Brigitte lebt nicht mehr.

Jörg ist Ende 60, war bisher recht fit und plant eine Reise nach Georgien. Allerdings
lässt sein Gedächtnis irgendwie nach. Muss man sich um ihn Sorgen machen?
Dann ist da Anke, eine Schauspielerin, die keine Rollen mehr bekommt - vermutlich aus Altersgründen.
Neu in der WG ist Constanze, eine Zahnärztin. Sie hat sich von ihrem Freund getrennt, nachdem dieser ihr einen Heiratsantrag gemacht hatte.
Und schließlich Murat. Er hat türkische Wurzeln, kocht leidenschaftlich gerne, mag die Frauen und sich selbst.
Aus Sicht dieser vier Hauptfiguren bekommen wir abwechselnd erzählt, was geschieht und was sie jeweils bewegt.

Von Isabel Bogdan kannte ich bisher nur „Der Pfau“. Ein Buch, das ich mit großem Vergnügen gelesen und sehr oft weiterempfohlen habe. Nun war ich sehr gespannt auf ihr neues Werk.
„Wohnverwandtschaften“ ist eine ganz andere Geschichte und nicht zu vergleichen mit dem „Pfau“. Mir hat aber auch dieser Roman wieder sehr gut gefallen. Anfangs hatte ich noch das Gefühl, es plätschert einfach so dahin. Aber die Geschehnisse spitzen sich zu, und mehr und mehr ging mich das alles doch sehr nahe.
Es ist eine leise Geschichte, die einem zu Herzen geht. Mir hat es sehr gut gefallen, in der WG dabei zu sein und die vier ganz unterschiedlichen, sehr liebenswerten Menschen dort kennenzulernen.
Wirklich ein sehr schöner Roman, dem ich viel Aufmerksamkeit wünsche und den ich euch absolut gerne weiterempfehle.

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Veröffentlicht am 02.09.2024

Wunderbar atmosphärisch

Die Gräfin
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Ende August 1944:
John Philip Gunter, Pilot Officer der Royal Air Force, ist von Middenhall in Südwestengland mit einem Beobachtungsflugzeug unterwegs Richtung deutsche Nordseeküste.
Diana Henriette Adelaide ...

Ende August 1944:
John Philip Gunter, Pilot Officer der Royal Air Force, ist von Middenhall in Südwestengland mit einem Beobachtungsflugzeug unterwegs Richtung deutsche Nordseeküste.
Diana Henriette Adelaide Charlotte, die über 80-jährige Gräfin von Reventlow-Criminil, lebt in einem kleinen Haus auf der nordfriesischen Hallig Südfall.
Diese beiden Personen treffen aufeinander, als Diana das abgestürzte Flugzeug von John im Watt entdeckt. Sie sorgt dafür, dass der junge Mann unbeobachtet zu ihr ins Haus gebracht wird und pflegt ihn mit Hilfe von Maschmann und Meta, zwei Bediensteten, gesund.

Sehr ruhig und atmosphärisch erzählt Irma Nelles in ihrem Romandebüt diese Geschichte. Kein Wort ist zu viel, und doch wird zwischen den Zeilen viel gesagt.
Die Stimmung kommt wunderbar rüber, was vermutlich auch daran liegt, dass immer wieder plattdeutsche Sätze eingestreut werden.
Sechs aufeinanderfolgende Tage bilden die sechs Kapitel, in die das Buch eingeteilt ist. Es ist ein dünnes Buch mit nur 176 Seiten, ein autofiktionaler Roman, den ich gerne weiterempfehle.

Die sogenannte „Hallig-Gräfin“ ist übrigens keine fiktive Figur. Sie gab es wirklich. Geboren wurde die holsteinische Adlige 1863 in Preetz, gestorben ist sie 1953 auf der Hallig Südfall. Es ranken sich heute noch Mythen um sie. So soll sie 1945 tatsächlich einen britischen Piloten bei sich versteckt sowie Künstlern, die vom damaligen Regime verfolgt wurden, Unterschlupf gewährt haben. Sehr spannend alles und absolut lesenswert!

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Veröffentlicht am 01.09.2024

Beeindruckend und erschreckend

Scheue Wesen
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Wir haben das Jahr 1964. Helen Habsford arbeitet als Kunsttherapeutin in einer psychiatrischen Einrichtung in London. Sie ist Anfang 30, ledig, hat aber ein Verhältnis mit ihrem verheirateten Kollegen ...

Wir haben das Jahr 1964. Helen Habsford arbeitet als Kunsttherapeutin in einer psychiatrischen Einrichtung in London. Sie ist Anfang 30, ledig, hat aber ein Verhältnis mit ihrem verheirateten Kollegen Dr. Gil Rudden. Mit dieser Situation kann sie sich arrangieren. Helens Leben verläuft also bisher ziemlich geregelt, was sich jedoch ändert, als William Tapping in die Klinik eingeliefert wird. Auffällig an ihm ist, dass er nicht spricht.
William ist Mitte 30 und wurde ziemlich verwahrlost im Haus bei seiner Tante aufgefundenen. So wie es aussieht, wuchs er dort nahezu isoliert von der Außenwelt auf. Gemeinsam mit dieser Tante kommt er nun in die Klinik als Patient von Gil.
Helen erkennt die besondere künstlerische Begabung von William und sieht, wie gut es ihm tut zu zeichnen.

Wir sind dabei und erleben, wie William sich nach und nach öffnet und zu sprechen beginnt.
Zwischendurch springen wir in einzelnen Kapiteln immer wieder zurück in die Vergangenheit, immer weiter zurück bis in die Kindheit von William, und erfahren schließlich, was ihn zu dem gemacht hat, der er jetzt ist.

„Scheue Wesen“ ist eine aufwühlende und fesselnde Lektüre, die jedoch ruhig und angenehm erzählt wird, und die mich total in ihren Bann gezogen hat. Eine Lektüre, die berührt, wütend macht und traurig.

Die Geschichte beruht auf einer wahren Begebenheit. 1952 wurde in in einem Haus in Bristol ein Mann gefunden, der dort über Jahrzehnte unter erbärmlichen Umständen, abgeschieden von der Öffentlichkeit gelebt hat. Clare Chambers hat diese Geschichte aufgegriffen und zu einem Roman umgesetzt.
Großartig gemacht!

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