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Veröffentlicht am 24.03.2023

Nicht Fisch, nicht Fleisch

Das Meer von unten
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Connie lebt tagein, tagaus im gleichen Trott - Aufstehen, anziehen, die Arbeit als Küchenhilfe verrichten, heimgehen, schlafen. Dabei hätten ihr doch mit der Matura Tür und Tor offen gestanden. Das Aufregendste ...

Connie lebt tagein, tagaus im gleichen Trott - Aufstehen, anziehen, die Arbeit als Küchenhilfe verrichten, heimgehen, schlafen. Dabei hätten ihr doch mit der Matura Tür und Tor offen gestanden. Das Aufregendste ist wahrscheinlich, wenn eine Stiege mit Eiern zerbricht und Chaos in der Küche herrscht. Doch dieses monotone Einerlei wird jäh durchbrochen, als Connie das Nachbarskind von Tür 37 vor ihrer eigenen Wohnung findet. Ein bisserl seltsam ist das schon, denn das Kind mag wenig bis gar nichts von sich und seiner Familie preis geben, schon gar nicht den eigenen Namen. Und so ganz ohne Schuhe, aber mit einem immerwährenden Hunger steht das Kind nun häufiger vor Connies Tür...


"Das Meer von unten" hat mich mit seinem minimalistischen Cover und dem doch sehr poetisch anmutenden Titel dazu verführt, zu diesem Roman zu greifen und mit dem Lesen zu beginnen. Doch schon nach wenigen Seiten ist die Luft raus, denn ich kann zu Connie überhaupt keine Verbindung aufbauen. Sie wirkt in ihrem grauen, unaufgeregten Alltag auf mich mehr als zufrieden und weit davon entfernt, etwas ändern zu wollen. Es gibt eben Menschen, die richten sich in ihrem Leben so ein und finden es gut.

Auch passiert nicht wirklich viel, ausser, dass ich fast minutiös den Ablauf des Tagesgeschäfts im Rösch kennenlerne - Mis en place, Schnitzel panieren und Salat waschen werden über gut 100 Seiten fast exzessiv erzählt und tragen dazu bei, dass sich eine gewissen Leere und Langweile breit machen.

Auch finde ich es unglücklich gelöst, dass das Nachbarskind anonym und geschlechtslos bleibt. Es wird immer nur von "dem Kind" gesprochen, sodass die Leser;innen nur eine rein sachliche, aber keine emotionale Bindung aufbauen können. Auch ist die Erzählung eher in stakkatoartigen Sätzen verpackt, sodass kein richtiger Lesefluss aufkommen will. Das alles führt dazu, dass der Roman in sich unrund wird und mich die Geschichte rein gar nicht berührt. Ich lese alles wie durch eine dicke Trennscheibe, die mich davon abhält, Zugang zur Geschichte und den Protas zu finden. Auch wenn die Autorin von der Wandlung berichtet, dass aus Fremdheit und Anonymität Nähe und Verantwortungsgefühl werden, bliebt eben jene Fremdheit und Anonymität in Bezug auf ihre Figuren über die komplette Dauer des Romans erhalten.

Apropos finden: Den Bezug vom Buchtitel zum Inhalt habe ich leider nicht gefunden. Das Buch ist in meinen Augen nicht Fisch, nicht Fleisch und die sensible Erzählweise, die in der Buchvorstellung hervorgehoben wird, ist nur ansatzweise vorhanden.

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Veröffentlicht am 24.03.2023

Roadmovie mit Herz, Hirn und Humor

Koller
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Sie sind wie Feuer und Wasser, Sonne und Mond, Tag und Nacht und doch können beide eine unglaubliche Anziehungskraft nicht leugnen. Chris und Koller werden zu einer Art Fahrgemeinschaft, die sich eigentlich ...

Sie sind wie Feuer und Wasser, Sonne und Mond, Tag und Nacht und doch können beide eine unglaubliche Anziehungskraft nicht leugnen. Chris und Koller werden zu einer Art Fahrgemeinschaft, die sich eigentlich auf dem Weg Richtung Ostsee befindet. Aber wie das im Leben so ist: Erstens kommt alles anderes und zweitens sowieso, denn Pläne sind dafür da, um über den Haufen geschmissen zu werden. Während Chris noch darüber nachdenkt, ob dieser Schritt der richtige ist, tritt Koller das Gaspedal bis zum Anschlag durch und feiert das Leben...


Annika Büsing schafft es auch mit ihrem zweiten Buch, die Leser:innen in ihren Roman regelrecht magnetisch hineinzuziehen, denn Chris und Koller sind zwei polarisierende Typen, die ihre Auftritte regelrecht genießen. Während Koller manchmal einfach Dinge nur so salopp "hinrotzt" und sich nicht großartig Gedanken über das was-wäre-wenn macht, ist Chris sehr feinfühlig und introvertiert.

Obwohl Chris keinen Hehl daraus macht, dass er auf Männer steht und Koller für ihn eine Versuchung ist, hält er sich doch sehr zurück, denn er merkt, dass er sich an Koller die Finger verbrennen wird. Bei Koller selbst ist der Name Programm, denn dort, wo er auftaucht, erleiden nicht nur seine Mitmenschen selbigen.

Was als Kurztrip an die Ostsee gedacht ist, wird dank Büsing zu einem echten Roadmovie mit Herz, Hirn und Humor, auch wenn sie ernste und sehr aktuelle Themen anspricht. Es ist die Suche nach sich selbst und dem kleinen Funken Liebe, die sie ihren beiden Hauptdarstellern regelrecht auf den Leib schneidert. Während Koller eher die Bezeichnung "Knalltüte" verdient, weil er eben ständig seinen Willen durchsetzen muss - und das auch meist vortrefflich hinbekommt, ist Chris eher der Gefühlsmensch und trägt sein Herz auf der Zunge.

Der Trip an die Ostsee ist eine Achterbahnfahrt der Gefühle, bei der die beiden Protas in voller Fahrt immer wieder mitten ins Leben katapultiert werden. Rückblenden,Tagebucheinträge und der Blick ins Fotoalbum machen dieses Buch wieder zu einem ganz besonderen Leseerlebnis.

Das Leben ist eines der härtesten Erfindungen und Büsing bringt treffsicher die Höhen und Tiefen, Sehnsüchte und Träume auf den Punkt.

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Veröffentlicht am 23.03.2023

ch will Zeugnis ablegen bis zum letzten (V. Klemperer)

Als wir die Maikäfer waren
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Christoph Heubner lässt in seinem Buch " Als wir die Maikäfer waren" die dunkelste Zeit unserer Geschichte aus den Seiten steigen und ermöglicht Überlebenden des Holocaust, von ihren Erlebnissen, ihren ...

Christoph Heubner lässt in seinem Buch " Als wir die Maikäfer waren" die dunkelste Zeit unserer Geschichte aus den Seiten steigen und ermöglicht Überlebenden des Holocaust, von ihren Erlebnissen, ihren Dämonen und ihrem Schmerz zu erzählen. Jede einzelne Seite des kleinen Büchleins lässt sowohl die Toten, als auch die Lebenden, an die Orte ihrer Knechtschaft zurückkehren und mit den Erinnerungen kämpfen. Denn das, was zwischen Stacheldraht, Baracken und Todesmarsch stattgefunden hat, hat für immer tiefe Wunden hinterlassen, deren Narben nie ganz verheilen werden.

Die Überlebenden erzählen aber auch vom Glück in ihrem Leben ,auch wenn es auf den ersten Blick nicht danach ausgesehen hat. So wird Eva zweimal ins kalte Wasser geworfen - einmal, um schwimmen zu lernen und das andere Mal, um, trotz Fesseln, zu überleben. Raphael kehrt an den Ort seiner Flucht zurück, um endlich die bohrenden Fragen nach dem Schicksal von Ernest beantwortet zu bekommen. Worte sind wie Peitschenhiebe und können uns ein Leben lang verfolgen - auch dann, wenn eine zufällige Begegnung der Erinnerung einen Streich spielt Das daraus eine Erfolgsgeschichte wird, die die Verarbeitung des Schmerzes in sich trägt, ahnt die Betroffene zunächst nicht.

Es sind kurze Kapitel, die den Schmerz, die Grausamkeit und die immer wiederkehrenden Erinnerungen wie in Wellen an die Leser,innen herantragen. Und doch spricht aus ihnen Hoffnung, denn zwischen all dem Schwarz findet auch die Farbe wieder zurück ins Leben. Das Buch mahnt an, die Toten nicht zu vergessen und den noch Lebenden zuzuhören, denn auch sie verstummen nach und nach. Sie haben den Mut gefunden, aus ihrer Pein und Qual auszubrechen und die Schicksale hinter den Nummern ein Gesicht und eine Stimme zu geben.

Ein sehr aufwühlendes und eindringliches Buch gegen das Vergessen.

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Veröffentlicht am 23.03.2023

Nicht überall, wo Italien draufsteht, ist auch La Dolce Vita drinnen

Meine Bar in Italien
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Stefan Maiwald schreibt Bücher über Italien, das italienische Lebensgefühl und über die warmen Sonnenstrahlen, die wir uns aus dem Urlaub mit Nachhause bringen, um möglichst lange dieses entspannte Gefühl ...

Stefan Maiwald schreibt Bücher über Italien, das italienische Lebensgefühl und über die warmen Sonnenstrahlen, die wir uns aus dem Urlaub mit Nachhause bringen, um möglichst lange dieses entspannte Gefühl genießen zu können. Mit seinem neuen Buch "Meine Bar in Italien" allerdings werde ich überhaupt nicht warm, denn ich weiß nicht wirklich, in welche Nische ich das Buch stecken soll.

Zum einen suggerieren mir Titel und Cover, dass es sich um eine Lektüre handelt, die überwiegend in "seiner" Bar ihren Handlungsverlauf nimmt. Vielmehr ist dreht es sich aber um die Tatsache, dass der Autor im Rahmen eines Espresso-Talk mehr oder weniger gute Ratschläge verteilt. Die Aussagen sind jedoch eher für Menschen mit größerem Geldbeutel umsetzbar und daher wenig hilfreich. Hat so ein bisschen was von Sprüchen auf dem Abreißkalender und berührt mich nicht wirklich. Das bin ich von Maiwald überhaupt nicht gewohnt, denn seine Bücher sind normalerweise voller Leben, Liebe und Italien pur. Auch fällt auf, dass er selbst wohl wenig bis gar keine Freizeit kennt, da er , wie er immer wieder betont, täglich für mehrere Stunden seiner Arbeit nachgeht, um am Ball zu bleiben. Diese Arbeitsweise würde ihm übers Jahr gesehen mehr Raum und Zeit verschaffen, aber nicht alle seine Leser:innen können/wollen so leben.

Das Leben und Treiben in der Bar kommt zwar immer wieder vor, es tauchen auch verschiedene Gäste auf, aber durch die "Ratschläge" rückt alles in den Hintergrund und wird eher als Kulisse verwendet, sodass hier das wundervolle italienische Flair, das sonst durch die Bücher Maiwalds vermittelt wird, komplett verschwindet. Ich habe mich für die Dauer der Lektüre immer wieder gefragt, was mir der Autor mit diesem Buch sagen möchte - die Antwort habe ich weder in, noch zwischen den Zeilen gefunden, daher 2,5 Sternchen

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Veröffentlicht am 22.03.2023

Hab keine Angst, du selbst zu sein

Hundert Himmel
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Zio hat festgestellt, dass in seiner kleinen Zilpzalpbrust ganz viele wunderbare Tönen wohnen, die zu einzigartigen Liedern werden. So sitzt er lieber auf dem Ast seiner Buche und trällert vor sich hin, ...

Zio hat festgestellt, dass in seiner kleinen Zilpzalpbrust ganz viele wunderbare Tönen wohnen, die zu einzigartigen Liedern werden. So sitzt er lieber auf dem Ast seiner Buche und trällert vor sich hin, als sich gemeinsam mit den anderen Vögeln seines Schwarmes auf den großen Flug durch die hundert Himmel vorzubereiten. Auch findet Zio Gefallen an Tagträumen im Wald, denn es duftet so würzig nach Holz, Moos und Harz. Das Wasser in der Quelle sprudelt munter über die Steine und die Sonnenblume scheint mit der Sonne am Himmel um die Wette zu strahlen. Aber plötzlich zieht ein dunkler Schatten über Zios kleines Vogelherz,denn alle Vögel in seinem Schwarm wollen nichts mehr mit ihm zu tun haben. Und warum ? Weil er lieber singt und träumt, statt sich anzupassen und mit den anderen zu fliegen...


Astrid Ruppert gelingt mit "Hundert Himmel" etwas ganz Wunderbares - sie verzaubert nämlich von der ersten Seite an ihre Leser:innen mit einem unglaublich tiefgründigen und seelenvollen Schreibstil und strickt daraus ein Büchlein, das Balsam für die Seele ist. Zio steht stellvertretend für uns alle, die wir regeleecht verlernt haben, auf das zu hören, was in uns wohnt. Beim unsteten Streben nach größer, höher, weiter, schneller passen wir uns nämlich immer mehr der breiten Masse an, ohne auf uns zu achten, unseren Träumen und Wünschen Raum zu geben und uns selbst zu verwirklichen.

Mit Zio wechseln die Leserinnen nämlich die Perspektive und schlüpfen in das Gefieder des kleine Zilpzalp, der seine vermeintliche Schwäche in positive Energie umwandelt. Zio gelingt es nämlich, seine Bedürfnisse zu erkennen , achtsamer und aufmerksamer seine Umgebung zu betrachten und sich aus den Zwängen des Mantra " du musst, du musst, du musst" zu befreien. Die Autorin verfasst Zios Erkenntnisse in philosophische, tiefgründige Worte und sensibilisiert ihre Leserschaft darin, mehr im Moment zu sein, dem eigenen Glück nicht im Weg zu stehen und blockierende (Gruppen-)Zwänge aufzulösen und abzustreifen.

Das Buch enthält einen Hauch Poesie, denn die Lieder, die Zio zwitschert, sind in wunderschönen und inspirierenden Versen verfasst. Vor allen Dingen zeigen sie, dass nichts unmöglich ist, wenn wir mit Selbstvertrauen, Kreativität und Achtsamkeit Neues ausprobieren und mit ein bisschen Mut auch mal gegen den Strom schwimmen.

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