Platzhalter für Profilbild

mabuerele

Lesejury Star
online

mabuerele ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit mabuerele über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.07.2019

Bewegender Briefroman

Wo die Freiheit wächst
0

„...Hier bei uns lassen sich die Leute mit jedem Monat, den der Krieg dauert, neue Halunkenstreiche einfallen, um ordentlich was zwischen die Zähne zu bekommen. Den ganzen letzten Sommer haben Opi und ...

„...Hier bei uns lassen sich die Leute mit jedem Monat, den der Krieg dauert, neue Halunkenstreiche einfallen, um ordentlich was zwischen die Zähne zu bekommen. Den ganzen letzten Sommer haben Opi und die anderen in den Schrebergärten in Ossendorf Wache geschoben, damit die Gurken und Möhren keine Beine kriegen...“

Wir schreiben den März 1942. Die 16jähige Lene lebt mit ihrer Mutter und den beiden kleinen Geschwistern in Köln. Ihr Vater gilt als gefallen. Ihr Bruder Kalli ist gerade in einem Ausbildungslager der HJ in Gleiwitz. Ihre beste Freundin Rosi hat mit der Familie Köln verlassen und arbeitet in Detmold in der Landwirtschaft. Lenes älterer Bruder Franz kämpft an der Ostfront.
Das Buch ist ein Briefroman, das heißt, die Geschichte wird durch die Briefe der Protagonisten erzählt.
Obiges Zitat stammt aus dem ersten Brief von Lene an Rosi. Sie bedankt sich für die Nahrungsmittel, die ihr die Freundin geschickt hat. Schon die wenigen Zeilen zeigen, dass Lene ihren jugendlichen Humor noch nicht verloren hat. Das ist keinesfalls selbstverständlich, denn aus den Briefen geht auch hervor, dass sie fast jede Nacht im Luftschutzkeller verbringen. Köln ist das wiederholte Ziel von Bombenangriffen. Doch noch hat Lene ihre Lehrstelle als Friseuse.
Die nächsten Briefe erzählen davon, dass sie Erich kennenlernt. Mit ihm und seinen Freunden geht es am Wochenende in die Natur. Sie kleiden sich anders, als es der Zeitgeist oder das Regime vorschreibt und singen ihre eigenen Lieder. Sie werden als Edelsteinpiraten in die Geschichte eingehen. Von dem politischen Geschehen allerdings möchte Erich Lene aus Sicherheitsgründen fernhalten. Das aber gelingt ihm nicht. Das junge Mädchen geht mit offenen Augen durch die Welt. Die Verfolgung der Juden ist für sie unverständig. Auch dem Krieg kann sie nichts abgewinnen.

„...Warum machen die Männer immer wieder Krieg? Sogar so Kerlchen wie Kalle, die noch keine richtigen Männer sind, führen sich auf – da bleibt einem doch die spucke weg...“

Dadurch werden ihre Briefe ernster. Es verliert sich zunehmend die Leichtigkeit.
Rosi trifft auf dem Gut auch Fremdarbeiter. Obwohl sie Lenes Haltung nicht nachvollziehen kann, was ab und an zu Verstimmungen zwischen den Freundinnen führt, muss sie erkennen:

„...Wenn ich den armen Kerlen aus Russland und Polen in die Augen sehe, denke ich: Gnade uns Gott, wenn wir den Krieg verlieren! So viel Hass! So viel Wut!...“

Franz redet Lene ebenfalls ins Gewissen, sich auf keine Risiken einzulassen. Er weiß, dass die Feldpost gelesen wird. Nur wenn er Vertrauten Briefe mitgeben kann, die Heimaturlaub erhalten, wird er deutlicher. Das klingt dann so:

„...Gerade 19 ist der Junge. Hat sich freiwillig gemeldet und dann zu spät gemerkt, dass der Krieg nichts mit dem Soldatspielen im Wehrertüchtigungslager zu tun hat...“

Franz hat dem Jungen das Leben gerettet, als der sich in den Oberschenkel schoss, um heimgeschickt zu werden.
Lene, Rosi, Erich und Franz sind jung. Sie träumen von einer Zukunft nach dem Krieg, von beruflichen Wünschen und Familie. Auch das kommt in den Briefen zum Ausdruck. Dabei ahnen sie nicht, in wie weiter Ferne diese Zukunft noch liegt. Es sind Briefe voller Gefühl, sei es Zuneigung, Sorge, Angst, Hoffnung. Es sind aber auch Briefe einer zerstörten Jugend, die Dinge gesehen und erlebt hat, die ich tief ins Gedächtnis einbrennen werden.
Ein inhaltsreiches Nachwort, ein würdigender Überblick über die Geschichte der Edelweißpiraten und eine Zeitleiste ergänzen das Buch.
Die Geschichte hat mir ausgezeichnet gefallen. Sie setzt den Jugendlichen ein Denkmal, die ich nicht vom Naziregime vereinnahmen ließen. Ein Zitat von Lene möge meine Rezension beschließen:

„...Es mag dich erschrecken, aber eines ist für uns ganz gewiss: Wir laden schwere Schuld auf uns, wenn wir nicht mit offenem Auge durch die Welt gehen und auch verkünden, was wir sehen...“

Veröffentlicht am 22.07.2019

Ellies Ferien

Meine Oma badet in Kaffee
0

„...Unten am Kai entdecke ich meine Oma. Sie ist zwar nur winzig klein, weil das Schiff so hoch ist, aber ich erkenne sie trotzdem sofort. Sie ist nämlich die Einzige, die einen Hut trägt, auf dem lauter ...

„...Unten am Kai entdecke ich meine Oma. Sie ist zwar nur winzig klein, weil das Schiff so hoch ist, aber ich erkenne sie trotzdem sofort. Sie ist nämlich die Einzige, die einen Hut trägt, auf dem lauter bunte Blumen an langen Stielen stecken...“

Ellie ist neun Jahre alt. Im Vorwort des Buches lädt sie mich als Leser ein, sie bei ihrer Reise zur Oma nach Schweden zu begleiten. Ihre Mutter stammt aus Schweden, der Vater ist Deutscher. Die Familie lebt nun in Berlin.
Die Autorin hat ein amüsantes Kinderbuch geschrieben. Die Geschichte habe ich in einem Zug durchgelesen.
Dass die Oma für Ellie etwas ganz Besonderes ist, kommt schon im Eingangszitat zum Ausdruck. Sie lässt sich nicht in ein Schema pressen.
Der Schriftstil ist auf die Zielgruppe zugeschnitten. Er ist lockerleicht und voller feinem Humor. Auf Ellie wartet in Schweden noch eine Geburtstagsüberraschung von Oma. Die Hündin des Nachbarn Herrn Jensson hat vier Welpen geworfen. Einen darf sich Ellie aussuchen. Sie nennt ihn Wolke. So fiel die Entscheidung:

„...Ich nehme den Welpen, der als erstes auf mich zugekommen ist und mir so lieb die Hand abgeleckt hat. Es ist eine Hündin...“

Als dann bei Herrn Jensson der neunjährige Enkel Erik erscheint und ebenfalls einen Welpen erhält, den er Titus nennt, haben die beiden Kinder und die zwei Hunde viel Spaß miteinander. Gut wird beschrieben, was sie alles unternehmen. Die Gespräche der Kinder sind schön ausgearbeitet, wirken natürlich und realistisch. Natürlich gibt es auch Probleme. Richtig heftig wird es, als Wolke während eines Spaziergangs plötzlich verschwunden ist.
Die gemeinsame Mittsommernacht sorgt für weitere Aufregungen. Daran sind Tildas ältere Brüder nicht unschuldig.
Als die Ferien für Ellie zu Ende gehen, lässt sie eine Menge neue Freunde zurück. Der Hund darf mit nach Deutschland. Alle freuen sich schon auf ein Wiedersehen.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Die große Schrift ermöglicht es schon Leseanfängern, die Geschichte selbst zu lesen. Sie eignet sich aber auch für Jüngere zum Vorlesen.

Veröffentlicht am 21.07.2019

Die Raben-Bande ermittelt

Die Raben-Bande
0

„...Schaut mal, der Typ dort hinten an der Hütte -sieht der nicht verdächtig aus?...“

Ben, Alex, Emilia, Rebekka und ihre kleine Schwester Nele gehören zur Raben-Bande. Sie haben schon einen Kriminalfall ...

„...Schaut mal, der Typ dort hinten an der Hütte -sieht der nicht verdächtig aus?...“

Ben, Alex, Emilia, Rebekka und ihre kleine Schwester Nele gehören zur Raben-Bande. Sie haben schon einen Kriminalfall gelöst. Nun treffen sie sich zum Eisessen und müssen sich mit Wespen herumärgern. Dann fällt ihnen ein Flyer in die Hände. Es sind bereits mehrere Hunde durch Giftködern erkrankt.
Als sie sich im Park umschauen, fällt ihnen der erste Verdächtige auf, wie das Eingangszitat zeigt. Es sollte nicht der letzte bleiben.
Die Autorin hat einen spannenden und abwechslungsreichen Kinderkrimi geschrieben.
Die Protagonisten werden gut charakterisiert, sodass man problemlos mit Teil 2 einsteigen kann. Nele, die Jüngste, fällt durch ihre kecke Art auf. Ben, der Chef, hat zur Zeit ein persönliches Problem. Das äußert sich so:

„...Seine blauen Augen, die stets Güte und Freundlichkeit ausstrahlten, wirkten heute bekümmert und leer...“

Auch wenn die Kinder nicht immer einer Meinung sind, im Ernstfall stehen sie zusammen. Zwischen Ben und Emilia hat sich eine zarte Freundschaft entwickelt. Das hilft Ben, da er über seine Sorgen reden kann.
Bei Ermittlungen überschreiten die Kinder auch Grenzen. Sie lernen allerdings auch, dass sie dafür gerade stehen müssen.
Der Autorin ist es sehr gut gelungen, die Balance zwischen der Freiheit der Kinder und dem Verantwortungsbewusstsein für ihre Taten zu thematisieren. So geht es zum Beispiel auch darum, dass der äußere Schein ganz schnell trügen kann.
Detailliert werden die Wege, die die Kinder bei ihren Erkundungen zurücklegen, beschrieben, sodass man einen guten Eindruck von der Stadt erhält. In diesem Band verstärkt eine weiteres Mitglied die Bande. Es ist Whiskey, der Hund von Bens Onkel. Dabei lernen die Fünf, was beim Umgang mit Hunden zu beachten ist.
Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen und ist kindgerecht. Gefühle wirken echt.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es ist schon für Grundschulkinder geeignet.

Veröffentlicht am 20.07.2019

Machtspiele um Öl und Gas

Die Peer Gynt Papers
0

„...Trotz aller Technik […] ist die Geologie immer auch ein wenig Lotterie geblieben, denn die beste Technik hilft nichts, wenn man nicht auch ein wenig Glück hat. Doch man kann nun mal nicht immer Glück ...

„...Trotz aller Technik […] ist die Geologie immer auch ein wenig Lotterie geblieben, denn die beste Technik hilft nichts, wenn man nicht auch ein wenig Glück hat. Doch man kann nun mal nicht immer Glück haben...“

Mit diesen Worten tritt Chefingenieur Ingebretsen vor die Besatzung des Forschungsschiffs Ramform Titan, das Erdgas und Erdöl in der Barentssee erkunden sollte. Wenige Minute aber klingt es ganz anders. Mit dem Peer – Gynt - Feld hat man das größte Erdgasvorkommen der Welt entdeckt.
Mittlerweile sind fünf Jahre vergangen. Die Ausbeutung des Gasfeldes scheint in wenigen Monaten möglich. Da tauchen brisante Papiere auf. Der Rechtsanwalt Ole Ludvigsen ist mit ihnen in die Schweiz gereist. Dort findet man seine Leiche in einem Bordell.
Kriminalkommissar Arne Jacobson soll die Schweizer Kollegen bei den Ermittlungen unterstützen. Gleichzeitig soll er heimlich die Papiere an sich bringen. Dazu wird er im besten Hotel in Zürich einquartiert und erhält für seine Ausgaben eine Kreditkarte.
Der Autor hat einen spannenden und verzwickten Krimi geschrieben. Schon die Wahl von Arne, der eigentlich in Tromso im hohen Norden lebt und arbeitet, wirft Fragen auf. Die werden ihm zwar schlüssig beantwortet, doch nach und nach durchschaut Arne das Spiel der Mächtigen.
Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Ich mag Arnes ironische Ader, die sich in seinen Gedanken zeigt.

„...Erstaunlich, welche Leute mit diesen verdammt wichtigen Angelegenheiten befasst waren. Offenbar war es egal, solange auf einen solchen Kasper der Glanz der Macht fiel. Oder auf Figuren wie Knudsen und seinen Fahrer; der Charakter wächst mit dem Amt und wenn nicht, macht es auch nichts...“

Nicht nur das norwegische Energieministerium, auch verschiedene Geheimdienste haben ihre Finger im Spiel. Plötzlich ist nicht nur Arnes Leben in Gefahr. Jeder, der von den Papieren weiß, steht auf der Abschussliste. Auch bei den Offiziellen ist überhaupt nicht klar, wer auf welcher Seite steht.
Gut eingefügt werden fachliche Aspekte der Geschichte. Das betrifft zum einen die Schwierigkeiten einer Förderung in der Barentssee, zum anderen den Einfluss eines solchen Feldes auf den Welthandel. Auch die geologischen Bedingungen für das Vorliegen von Erdgas in Abhängigkeit davon, wie porös das Gestein ist, wird allgemeinverständlich erklärt.
Die Ermittlungen werfen eine Menge Fragen auf. Eine entscheidende dabei ist: Was wollte Ole in einem Bordell? In Norwegen ist das verboten, und der Besuch des Etablissements im Ausland hätte seine angestrebte politische Karriere abrupt beendet.
Es braucht bis zum Schluss, dass es auf alle Fragen eine Antwort gibt. Außerdem wartet noch eine handfeste Überraschung. Gekonnt werden politische Kungelei, geschäftliche Geheimabsprachen und Bestechlichkeit in die Handlung einbezogen.
Spannend fand ich auch die Gespräche der Beteiligten über die Fähigkeiten von Arne. Die Meinungen gingen weit auseinander. Das erhoffte willfährige Werkzeug war er jedenfalls nicht. Er zog konsequent seinen Stil durch und verbiss sich in den Fall.
Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen.

Veröffentlicht am 19.07.2019

Wo sind die Kinder?

Dein ist die Schande
0

„...Sie lächelte, aber zugleich sammelte sich eine Träne in ihrem Auge. Aber diese wird fort gewaschen von den tausenden und abertausenden Tränen des Sees, die sie umfangen, als sie sich nach unten gleiten ...

„...Sie lächelte, aber zugleich sammelte sich eine Träne in ihrem Auge. Aber diese wird fort gewaschen von den tausenden und abertausenden Tränen des Sees, die sie umfangen, als sie sich nach unten gleiten lässt...“


Mit diesen Worten endet der Prolog des Buches. So poetisch kann ein Selbstmord beschrieben werden.

In Värmland in Schweden geht es straff auf den Winter zu. Kommissar Jacob Rhoden holt seine Tochter Siri von der Schule ab. Sie ist davon nicht begeistert.

Ihm bleibt aber nicht viel Zeit. Karla Asmussen hat ihre dreizehnjährige Tochter Linda als vermisst gemeldet. Zusammen mit Eva Wilhelmsson nimmt Jacob die Ermittlungen auf. Dann brennt das Wohnhaus eines älteren Paares ab. Schnell stellt sich heraus, dass dies kein Zufall, sondern exakt und detailliert geplant war. Als auch noch deren kleiner Enkelsohn verschwindet, hat die Polizei alle Hände voll zu tun.

Der Autor hat einen fesselnden Krimi geschrieben. Er zeigt einerseits die Düsternis, die den Krimis des Nordens meist eigen ist, zeichnet sich aber anderseits durch seine sehr ausgereifte Sprache aus.

Es ist für mich das erste Buch des Autors. Trotzdem hatte ich kein Problem, der Handlung zu folgen.

Die Protagonisten werden gut charakterisiert. Jacob wurde aus Stockholm in den Norden versetzt. Der neue Fall fordert ihn Tag und Nacht. Sein Zwiespalt zwischen Pflicht und Familie wird ausgezeichnet herausgearbeitet. Er konstatiert:


"...Kriminelle warten nicht artig darauf, gefasst zu werden, bis man im Kreis der Familie fertig gegessen hatte..."


Damit kommt seine Frau schlecht zurecht. Außerdem wird Siri in der Schule gemobbt, weil sie aus der Großstadt kommt. Sie will aber keine Hilfe. Sie flüchtet sich in die Welt von Ronja Räubertochter und Tom Sawyer. Ihr Lieblingsvorleser ermahnt sie:


„...Doch denk immer daran: Die Welt der Bücher kann dir helfen, die Welt da draußen besser zu verstehen, aber sie kann sie nicht ersetzen...“


Als besonderes Highlight hat der Autor Auszüge aus einem Tagebuch in die Handlung eingeflochten. Sie sind zwar sehr poetisch, belegen aber, wie ein Kind nach und nach an dem Verhalten und Unverständnis der Erwachsenen zerbricht.

Die Ermittlungen dagegen ziehen sich hin. Jacobs Vorgesetzter ist wenig hilfreich. Dass er Druck macht, ist ja noch nachvollziehbar, seine abwertenden Äußerungen und seine Beleidigungen nicht mehr.

Sowohl die Betroffenen als auch die Verdächtigen blocken bei den Befragungen schnell ab. Sie sagen kein Wort zu viel. Mit einem sehr treffenden Metapher wird der Stand der Dinge wiedergegeben:


„...Er kam sich vor wie ein Schwimmer in einem See, über dem dichter Nebel aufgezogen war. Er schwamm irgendwohin, wo er das Ufer vermutete...“


Dann aber graben die Ermittler tief in der Vergangenheit. Jetzt ergeben sich konkrete Spuren.

Der Krimi hat mir ausgezeichnet gefallen. Der Autor hat eine besondere Einheit von Inhalt und Sprache geschaffen. Das gibt der Geschichte ein ganz eigenes Flair.