In „Hurenmord - Die Rose von Whitechapel“ erzählt Tabea Koenig nun Christines Geschichte. Diese hat gerade erst ihren geliebten Ehemann verloren und versinkt in Trauer, als plötzlich mysteriöse Frauenmorde im Armenviertel Whitechapel verübt werden. Der gemeinsame Nenner? Alle Frauen hatten mit Christines Frauenhaus, dem Renfield Eden, zu tun. Das führt die Ermittler, allen voran Inspector Pike, zu Christine. Er ist sofort hin und weg von der zerbrechlich wirkenden Frau mit dem Kämpferherz, aber eine Liebe wie ihre darf nicht sein, oder doch? Und wer verbirgt sich hinter Jack the Ripper, wie der Mörder von der Presse genannt wird?
Die Geschichte wird aus der dritten Perspektive erzählt und nimmt sehr häufig Christine sowie Pike ins Visier, aber auch zahlreiche andere Bewohner von Whitechapel, sodass man einen umfassenden Eindruck der Verhältnisse zur damaligen Zeit erhält. Das hat mir unglaublich gut gefallen und hat nicht nur für Spannung gesorgt, sondern auch zu einem tieferen Verständnis sowie greifbarerem Setting geführt.
Der Schreibstil lässt sich flüssig lesen und hat mich mit den vielen kreativen Vergleichen restlos begeistert. So viele Zitate wie in diesem habe ich schon lange nicht mehr in einem eBook markiert. Die Autorin erweckt das London der damaligen Zeit wirklich zum Leben, sowohl die lebhafte, prunkvollere Seite im beispielsweise Hyde Park als auch das Elend der Menschen in Whitechapel. Auch die Gefühle kommen auf diese Weise perfekt zum Ausdruck und so hat mich das Buch von der ersten bis zur letzten Seite gepackt.
„Whitechapel war wie ein sinkender Kahn, und seine Sogwirkung zog alle mit, die darauf Schiffbruch erlitten.“
„Schon viel zu lange fühlte sich Rosalie ausgelaugt. Als wäre sie eine Zitrone, die von einem unnachgiebigen Schraubstock ausgepresst wurde.“
Obwohl es sich um den zweiten Band einer Reihe handelt, kann man ihn auch ohne Wissen des Vorgängers lesen, da die Autorin die Ereignisse geschickt zusammenfasst, ohne jedoch diejenigen zu langweilen, die Band eins schon kennen. Wirklich toll gemacht! Möchte man jedoch Band eins lesen, sollte man das vorher tun, weil man sonst das Ende erfährt.
Der erste Band hat mir schon ziemlich gut gefallen, aber dieser Band hat mich einfach umgehauen. Ich bin wirklich restlos begeistert. Der Fall um Jack the Ripper bleibt bis zum Schluss völlig undurchsichtig, sodass ich wunderbar mitraten konnte, wobei meine zwei Verdächtigen nicht einmal die Schuldigen waren. Die Verwirrungstaktik ging also voll auf :) Der Krimi war eingebettet in die zarte Liebesgeschichte zwischen Christine und Pike, die mir ebenfalls sehr gut gefallen hat dank der vernünftig handelnden Protagonisten. Diese hatten ihre Momente der Schwäche, aber auch Stärke, wie im echten Leben. Es gab keinen perfekten Überflieger und das machte sie mir so sympathisch und realitätsnah. Das Ganze wurde dann mit den Geschichten um die einzelnen Schicksale untermalt und zu einem wunderbaren Buch verknüpft, bei dem die Autorin auch sprachlich nochmal eine Schippe draufgelegt hat, meiner Meinung nach.
Einzig der Epilog hätte gerne ein klitzekleines bisschen länger ausfallen dürfen, da ich gerne noch mehr von Christine und Pike gelesen hätte, weil sie mir so ans Herz gewachsen sind. Aber vielleicht haben sie ja auch noch einen Auftritt im dritten Band?
Also wie man sieht, hat mich „Hurenmord“ auf ganzer Länge begeistert und ich kann es allen empfehlen, die einen spannenden und authentischen Historienroman aus dem England um 1888 lesen möchten, in dem auch die Liebe und Freundschaft nicht zu kurz kommen und in dem sich die ein oder andere Lebensweisheit verbirgt.
„Wir machen es uns sehr einfach, wenn wir unser Glück von anderen Personen abhängig machen. Dann drücken wir uns vor unserer eigenen Aufgabe. Glück müssen wir uns selbst verschaffen.“
Vielen Dank an NetGalley und den Piper Verlag für die Bereitstellung des Leseexemplars, was jedoch keinen Einfluss auf meine Meinung hat.