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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.09.2024

Ein Sommer, der für immer bleibt

Das Schweigen meiner Freundin
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Es ist Sommer und beide sind noch Kinder, als sich Giulia(10) und Cristina (7), genannt Cristi, kennenlernen. Die Ältere ist sofort fasziniert und fühlt sich von der Jüngeren angezogen. Doch dann stiehlt ...

Es ist Sommer und beide sind noch Kinder, als sich Giulia(10) und Cristina (7), genannt Cristi, kennenlernen. Die Ältere ist sofort fasziniert und fühlt sich von der Jüngeren angezogen. Doch dann stiehlt Mattia, ein fremder Junge, Cristis Aufmerksamkeit und konkurriert ebenfalls um ihre Gunst.

„Das Schweigen meiner Freundin“ ist der Debütroman von Giulia Baldelli.

Die Struktur des Romans ist schlüssig und klar: Ein Prolog und ein Epilog umrahmen die sechs Teile, die sich wiederum in kurze Kapitel untergliedern. Die Handlung umfasst die Jahre 1991 bis 2014 und spielt in Italien. Erzählt wird in chronologischer Reihenfolge und im Präsens in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Giulia.

Die Sprache des Romans ist ungekünstelt, aber anschaulich, atmosphärisch und eindringlich. Die Dialoge kommen authentisch rüber.

Drei Figuren stehen im Mittelpunkt der Geschichte: Giulia, Cristina und Mattia. Die Protagonisten werden mit großer psychologischer Tiefe dargestellt. Sie wirken lebensnah. Vor allem Giulias Denken und Fühlen wird sehr deutlich, blieb mir in Teilen aber leider etwas fremd.

Inhaltlich dreht sich der Roman um Liebe und Freundschaft, um Eifer- und Sehnsucht, um Lügen und Geheimnisse, vor allem aber um toxische Beziehungen und emotionale Abhängigkeiten. Diese und weitere Themen machen die Geschichte gleichwohl unterhaltsam und facettenreich.

Trotz der beinahe 500 Seiten ist die Geschichte fesselnd und kommt ohne Längen aus.

Das moderne, künstlerisch anmutende Cover passt gut zum Inhalt. Der deutsche Titel, der stark vom Original abweicht („L‘estate che resta“), ist ebenfalls keine schlechte Wahl.

Mein Fazit:
Mit „Das Schweigen meiner Freundin“ legt Giulia Baldelli ein überzeugendes Debüt vor. Ein lesenswerter Roman.

Veröffentlicht am 08.09.2024

Der Biberbär und das Streifenschwein

Mister O'Lui sucht das Glück
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Der Biberbär Mister O'Lui mag sein Zuhause, wo er bei Käsebrot mit Marmelade und Kakao gerne die Zeitung liest. Doch dann stellt sich ihm die Frage: Ist er wirklich rundum glücklich? Als er das Glück ...

Der Biberbär Mister O'Lui mag sein Zuhause, wo er bei Käsebrot mit Marmelade und Kakao gerne die Zeitung liest. Doch dann stellt sich ihm die Frage: Ist er wirklich rundum glücklich? Als er das Glück suchen möchte, macht er Bekanntschaft mit dem kleinen Wildschwein Rupert…

„Mister O‘Lui sucht das Glück“ ist ein Bilderbuch von Silke Siefert, geeignet für Kinder ab vier Jahren.

Das Bilderbuch beginnt mit zwei Steckbriefen: dem von Mister O‘Lui und Rupert. Erzählt wird die Geschichte anschließend auf zwölf Doppelseiten.

Die Illustrationen von Grafikdesignerin Silke Siefert sind sehr ansprechend. Sie zeigen die Liebe zu Details und sind in der harmonischen, nicht zu grellen Farbgebung äußerst modern. Die Zeichnungen erstrecken sich zum Teil über zwei Seiten. Sie korrespondieren hervorragend mit dem Inhalt der Geschichte. Die Tierfiguren sind zudem ausgesprochen niedlich geraten.

Der Text ist ausführlich genug, ohne mit zu ausschweifenden Beschreibungen zu langweilen. Das Vokabular und die Syntax passen zur Altersgruppe.

Im Grunde umfasst die Geschichte nur zwei Protagonisten: den Biberbären Mister O‘Lui und den Frischling Rupert. Anhand der Steckbriefe und der Details aus der Geschichte lernt man beide gut kennen. Leider bleibt etwas unklar, was genau ein Biberbär sein soll.

Positiv aufgefallen ist mir, dass sich die Geschichte kleinen Kindern ohne viele zusätzliche Erläuterungen erschließt. Inhaltlich geht es um die Frage nach dem Glück. Als Antwort darauf thematisiert das Bilderbuch die Freundschaft. Eine angemessene und begrüßenswerte Botschaft, die schlüssig und kindgerecht erklärt wird. Zwar wären zu diesem Bereich weitere Aspekte zu nennen. Dies hätte die Geschichte für Kindergartenkinder womöglich aber zu kompliziert gemacht. Ein weiterer Pluspunkt ist, dass das Thema für viele Kinder interessant sein dürfte und Stoff für Gespräche liefert.

Ein schönes Extra ist die ausführliche und mit Fotos ergänzte Anleitung zum Basteln von Marienkäfern. Außerdem findet sich ein Link zu einem Rezept für Biberbär-Kekse.

Das stimmige Cover und der leicht verständliche Titel vervollständigen den sehr positiven Gesamteindruck.

Mein Fazit:
„Mister O‘Lui sucht das Glück“ ist ein charmantes, mit Liebe erstelltes Bilderbuch. Die Geschichte von Silke Siefert ist in optischer, sprachlicher und inhaltlicher Hinsicht gelungen. Wir freuen uns auf die nächsten Episoden des Biberbären und seiner Freunde.

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
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  • Charaktere
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  • Thema
Veröffentlicht am 02.09.2024

Alles schläft, einsam wacht

Der längste Schlaf
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Mit dem Schlaf kennt sich Mara Lux auf wissenschaftlicher Ebene gut aus. Doch ironischerweise leidet ausgerechnet die Forscherin unter Insomnia. Die Nachricht eines Notars lässt die Wahl-Londonerin nach ...

Mit dem Schlaf kennt sich Mara Lux auf wissenschaftlicher Ebene gut aus. Doch ironischerweise leidet ausgerechnet die Forscherin unter Insomnia. Die Nachricht eines Notars lässt die Wahl-Londonerin nach Deutschland reisen. Dort macht Mara erstaunliche Entdeckungen…

„Der längste Schlaf“ ist ein Roman von Melanie Raabe.

Die Struktur des Romans ist klar: Es gibt 18 Kapitel, die mehrfach von träumerischen Einschüben getrennt werden. Erzählt wird im Präsens in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Mara. Die Handlung spielt in Deutschland und England.

In sprachlicher Hinsicht ist der Roman unauffällig und schnörkellos. Dialoge wechseln sich ab mit anschaulichen Beschreibungen.

Mara steht im Mittelpunkt der Geschichte. Eine interessante Protagonistin, deren Gedanken sich leicht nachvollziehen lassen.

Vor allem die Themen Träume und Schlafforschung machen den Roman zu einer reizvollen Lektüre. Die wissenschaftlichen Ausführungen sind lehrreich, ohne zu langweilen.

Die Fragen nach dem Grund von Maras Schlaflosigkeit, ihrer Vergangenheit und den Erlebnissen innerhalb ihrer Träume erzeugen Spannung und einen großen Unterhaltungswert. Auf den rund 340 Seiten entwickelt die Geschichte einen Lesesog. Der Roman kann zudem immer wieder überraschen.

Das ungewöhnliche, künstlerisch anmutende Cover passt sehr gut zum Inhalt. Dies gilt auch für den mehrdeutigen Titel.

Mein Fazit:
Auch mit „Der längste Schlaf“ hat mich Melanie Raabe überzeugt. Die fesselnde, kurzweilige Geschichte ist absolut lesenswert.

Veröffentlicht am 28.08.2024

Wenn der Staat zum Monster wird

Das Lied des Propheten
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Eilish Stack, Mikrobiologin und vierfache Mutter, ist verzweifelt: Ihr Mann Larry, ein ranghoher Lehrergewerkschafter, ist im Umfeld einer Demonstration verhaftet worden und seither verschwunden. Sie muss ...

Eilish Stack, Mikrobiologin und vierfache Mutter, ist verzweifelt: Ihr Mann Larry, ein ranghoher Lehrergewerkschafter, ist im Umfeld einer Demonstration verhaftet worden und seither verschwunden. Sie muss sich nun alleine um ihre Kinder Mark, Molly, Bailey und Ben kümmern - und um ihren dementen Vater Simon. Derweil wird das autoritäre, nationalistische Regime in Irland immer radikaler und tyrannischer, was Eilish den Alltag zusätzlich erschwert…

„Das Lied des Propheten“ ist ein Roman von Paul Lynch. Er wurde mit dem Booker Prize 2023 ausgezeichnet.

Der Roman umfasst neun Kapitel. Erzählt wird im Präsens in chronologischer Reihenfolge aus der Perspektive von Eilish. Die Handlung ereignet sich über einen Zeitraum von etlichen Monaten.

Vor allem seine poetische Sprache macht den Roman ungewöhnlich und besonders. Neologismen und Metaphern schaffen viel Atmosphäre und einen unverwechselbaren Stil, der sich nur schwer ins Deutsche übertragen lässt. Angesichts dieser großen Herausforderung ist die Arbeit von Übersetzer Eike Schönfeld dennoch an den meisten Stellen gelungen.

Die Geschichte bleibt sehr nahe bei Protagonistin Eilish, deren Gedanken und Gefühlswelt zwar einerseits deutlich wird, deren langes Zaudern für mich andererseits aber nur schwer zu ertragen war. Ihr teils etwas widersprüchliches, teils inkonsequentes und wenig heldenhaftes Verhalten wirkt auf mich dennoch zutiefst menschlich und realistisch. Auch die übrigen Figuren erscheinen lebensnah.

Inhaltlich beleuchtet der Roman, wie eine autoritäre und faschistische Regierung mehr und mehr Freiheiten und Rechte einschränkt, wie sie manipuliert, lügt und kontrolliert, wie die Unterdrückung immer engere Kreise zieht und zunehmend Leib und Leben der Menschen bedroht. Die Geschichte fasst die Methoden solcher Regime zusammen, verdichtet deren Vorgehensweise auf eine kurze Zeitspanne und zeigt die äußersten Konsequenzen auf. Damit rüttelt die Lektüre auf und bietet reichlich Stoff zum Nachdenken.

Auf den rund 300 Seiten ist die Geschichte spannend und beklemmend zugleich. Sie schont die Leserschaft nicht und hält mehrere Grausamkeiten bereit. Dem Sog der Story konnte ich mich nicht entziehen.

Der deutsche Titel ist nahe am englischsprachigen Original („Prophet Song“). Das künstlerisch anmutende Cover, das ebenfalls übertragen wurde, passt nach meiner Ansicht ebenfalls hervorragend.

Mein Fazit:
Sowohl in sprachlicher als auch in inhaltlicher Hinsicht ist „Das Lied des Propheten“ eine Lektüre, die einiges abverlangt und nicht leicht verdaulich ist. Mit seinem preisgekrönten und empfehlenswerten Roman hat mich Paul Lynch dennoch überzeugt.

Veröffentlicht am 22.08.2024

Familiäre Abgründe

Kleine Monster
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Für Pia Reiserer ist es ein Schock: Ihr Sohn Luca (7) soll Alena, eine Mitschülerin, sexuell belästigt haben. Das Gespräch mit der Klassenlehrerin wühlt die Mutter sehr auf und bringt die Schatten ihrer ...

Für Pia Reiserer ist es ein Schock: Ihr Sohn Luca (7) soll Alena, eine Mitschülerin, sexuell belästigt haben. Das Gespräch mit der Klassenlehrerin wühlt die Mutter sehr auf und bringt die Schatten ihrer eigenen Vergangenheit wieder zum Vorschein. Können Kinder bösartig sein? Was ist ihnen zuzutrauen?

„Kleine Monster“ ist ein Roman von Jessica Lind.

Die Struktur ist sehr klar: Drei Teile mit insgesamt 61 kurzen Kapiteln umfasst der Roman. Erzählt wird im Präsens in der Ich-Perspektive aus der Sicht von Pia auf zwei Zeitebenen: einerseits in der Gegenwart, andererseits aus der Kindheit der Protagonistin. Die Handlung findet in und um St. Pölten in Österreich statt.

Die Sprache ist überwiegend ungekünstelt, gleichzeitig aber atmosphärisch dicht und eindringlich. Neben authentischen Dialogen und anschaulichen Beschreibungen beweist die Autorin vor allem in den emotionsgeladenen Passagen, dass sie vortrefflich mit Worten umgehen kann.

Protagonistin Pia ist mit großer psychologischer Tiefe angelegt. Ihre Gedanken und Gefühle erhalten viel Raum. Sie offenbaren schon früh, dass Pia ein unverarbeitetes Trauma erlitten hat und nach wie vor darunter leidet. Auch die anderen Figuren wirken lebensnah und vielschichtig, bleiben aber etwas blasser, was der Story geschuldet ist.

Zu was sind Kinder fähig? Und wie gut kennen wir unsere Söhne und Töchter? Diese zwei interessanten Fragen wirft der Roman immer wieder auf und bietet damit viel Stoff zum Nachdenken. Anders als der Klappentext vermuten lässt, geht es dabei jedoch weniger um den besagten sexuellen Übergriff, sondern um ein Drama, das sich in der Kindheit der Protagonistin ereignet hat. Die Herausforderungen der Mutterschaft und bedenkliche Familiendynamiken werden darüber hinaus ebenfalls beleuchtet. Diese und weitere Themen machen den Roman zu einer gleichsam bewegenden wie beklemmenden Lektüre.

Das Rätseln darüber, was genau im Klassenzimmer vorgefallen ist und was damals vor vielen Jahren passiert ist, sorgt für Spannung und verstärkt den Lesesog. Wegen einiger Redundanzen zieht sich der Mittelteil dennoch ein wenig. Der dritte Teil hingegen wird für meinen Geschmack zu kurz abgehandelt. Der Schluss ist insgesamt etwas unbefriedigend, da viel im Verborgenen bleibt, und inhaltlich nicht ganz rund.

Das ungewöhnliche, kreative Cover passt in mehrfacher Hinsicht hervorragend zum Buch. Das gilt ebenso für den Titel, wenn man ihn auch in metaphorischem Sinne versteht.

Mein Fazit:
Obwohl mich der Roman nicht in jedem Detail überzeugt hat, ist „Kleine Monster“ von Jessica Lind eine fesselnde und aufwühlende Lektüre, die mich gut unterhalten hat.